Insolvenzmasse

...

Unpfändbare Einkommensteile

Nach § 850a ZPO unpfändbare Einkommensteile

Unpfändbar und damit nicht massezugehörig sind u.a. die in § 850a ZPO genannten Beträge.

Mehrarbeitsvergütung

Gemäß § 850a Nr. 1 ZPO sind die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens zur Hälfte unpfändbar. Unter diese Bestimmung fällt die Vergütung für über die normale Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit, einerlei ob die Mehrarbeit im Anschluss an die tägliche normale Arbeitszeit, zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen geleistet wird. Mehrarbeit kann auch in Form von Reisezeiten erbracht werden (LAG München v. 30.05.2007 – 7 Sa 1089/06). Es spielt keine Rolle, ob die Mehrarbeit bei demselben oder bei einem anderen Arbeitgeber in der Form einer Nebentätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeit erbracht wird. Bei nur gelegentlicher Nebenbeschäftigung ist das Nebeneinkommen nicht als Arbeitseinkommen anzusehen und unbeschränkt pfändbar (vgl. § 850 Abs. 2 ZPO). Wird dem Schuldner die geleistete Mehrarbeit durch einen Freizeitausgleich abgegolten, so kommt eine teilweise Unpfändbarkeit der Bezüge nicht in Betracht. Dasselbe gilt, wenn der Schuldner zwar Mehrarbeit geleistet hat, hierfür aber keine Vergütung erhält. Mehrarbeit i.S.d. § 850a Nr. 1 ZPO liegt dann vor, wenn der Schuldner über die im Tarifvertrag, im Arbeitsvertrag oder in der Dienstordnung festgeschriebene Vollbeschäftigungszeit hinaus tätig ist (Zöller/Herget, § 850a ZPO Rdnr. 2). Die auf diese Mehrarbeitszeit entfallende Vergütung ist zur Hälfte unpfändbar, wobei der Berechnung die Bruttovergütung zugrunde zu legen ist (BAG v. 17.04.2013 – 10 AZR 59/12). Soweit der Schuldner einer regelmäßigen Nebentätigkeit bei einem weiteren Arbeitgeber nachgeht, liegt darin eine Mehrarbeit i.S.d. § 850a Nr. 1 ZPO, wenn diese Nebentätigkeit außerhalb der üblichen Vollbeschäftigungszeit (ca. 40-Stunden-Woche) verrichtet wird. Bezieht der Schuldner eine Altersrente und ist er daneben zur Aufbesserung der Rente selbständig tätig, können auf seinen Antrag seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit als Mehrarbeitsvergütung bis zur Hälfte pfandfrei gestellt werden (BGH v. 26.06.2014 – IX ZB 87/13).

Urlaubs- und Weihnachtsgeld

Nach § 850a Nr. 4 ZPO unpfändbar sind das Weihnachtsgeld bis zur Hälfte des Betrags, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrags (Grundfreibetrag) nach § 850c Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 ZPO auf nächsten vollen 10-€-Betrag ergibt (= 670 €; Stand: 01.07.2022) sowie das Urlaubsgeld, soweit es den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt (§ 850a Nr. 2 ZPO), auch wenn es sich dabei um relativ hohe Beträge handelt (BGH v. 26.04.2012 – IX ZB 239/10). Verzichtet der Arbeitnehmer allerdings auf die Einbringung seines Urlaubs und erhält er hierfür ein zusätzliches Entgelt (Urlaubsabgeltung), so fällt diese Vergütung nicht unter die Regelung des § 850a Nr. 2 ZPO und ist deshalb wie Arbeitseinkommen pfändbar.

Jahressonderzahlung

Die Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD (VKA) wird nicht als "Weihnachtsvergütung" i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO geleistet (BAG v. 18.05.2016 – 10 AZR 233/15). Nach Ansicht der Bundesregierung kommt es dagegen nicht darauf an, dass die Vergütung ausdrücklich als Weihnachtsgeld bezeichnet wird (BT-Drucks. 19/27636, S. 33).

Entgeltumwandlung

Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kann ein Schuldner mit seinem Arbeitgeber vereinbaren, dass ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers in eine wertgleiche Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umgewandelt wird (Entgeltumwandlung), die im Wege der Direktversicherung durchgeführt wird. Der Umwandlungsbetrag ist auf 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze beschränkt. In der Folge entstehen insoweit keine pfändbaren Ansprüche auf Arbeitseinkommen (§ 850 Abs. 2 ZPO) mehr. Nach Ansicht des BAG kann diese Vereinbarung auch nach einer bereits ausgebrachten Pfändung des Arbeitseinkommens mit Wirkung gegenüber dem Pfändungsgläubiger getroffen werden (BAG v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20). Über die Verweisungsnorm des § 36 Abs. 1 InsO bezieht sich die vom BAG getroffene Feststellung auch auf die Zugehörigkeit der Einkommensansprüche des Schuldners zur Insolvenzmasse. Demnach führt eine Entgeltumwandlung, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, zur Reduzierung der massezugehörigen Einkünfte.

Sonderzahlungen

Die Entschädigung für einen 1-€-Job unterfällt nach Sinn und Zweck dem Pfändungsverbot des § 850a Nr. 3 ZPO (LG Dresden v. 17.06.2008 – 3 T 233/08). Dagegen handelt es sich bei einer Sonderzuwendung nicht um unpfändbares Treugeld i.S.v. § 850a Nr. 2 ZPO, wenn mit der Sonderzahlung einerseits die im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden soll, andererseits aber die Sonderzahlung auch die Honorierung vergangener und/oder zukünftiger Betriebstreue bezweckt. Soll eine in einer Betriebsvereinbarung geregelte Mitarbeitererfolgsvergütung die Belegschaft vor allem am Unternehmenserfolg beteiligen (Bonuszahlungen), schließt dies die Annahme eines Treugeldes i.S.v. § 850a Nr. 2 ZPO ebenfalls aus (BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 459/07).

Aufwandsentschädigung/Erschwerniszulagen

Nach § 850a Nr. 3 ZPO sind unpfändbar Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Eine unpfändbare Aufwandsentschädigung liegt dann vor, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung oder der gesetzlichen Regelung der Zweck der Zahlung ist, tatsächlichen Aufwand des Schuldners auszugleichen. Dies hat der Schuldner darzulegen. Keine Aufwandsentschädigung ist gegeben, wenn die Tätigkeit des Schuldners selbst vergütet werden soll (BGH v. 06.04.2017 – IX ZB 40/16). Nachtarbeitszuschläge sind, soweit sie dem Schuldner von seinem Arbeitgeber steuerfrei i.S.v. § 3b EStG gewährt werden, als Erschwerniszulagen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar (BGH v. 29.06.2016 – VII ZB 4/15). Wechselschichtzulagen und die Zulagen, die dem Schuldner für Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit gezahlt werden, sind als unpfändbare Erschwerniszulagen i.S.d. §§ 36 InsO, 850a Nr. 3 ZPO anzusehen (LG Trier v. 12.05.2016 – 5 T 33/16; LG Kaiserslautern v. 04.03.2016 – 4 T 31/16; LG Stendal v. 06.02.2015 – 25 T 208/14; LArbG Berlin-Brandenburg v. 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14; differenzierend: LAG Düsseldorf v. 11.11.2016 – 10 Sa 324/16). Nach Ansicht des LAG Niedersachsen können Coronaprämien, die einem Arbeitnehmer in der Gastronomie vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden, aufgrund ihrer Zweckbestimmung auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen als unpfändbare Erschwerniszuschläge gem. § 850a Nr. 3 ZPO qualifiziert werden (LAG Niedersachen v. 25.11.2021 – 6 Sa 216/21). Zur Gutschrift von Corona-Soforthilfen auf einem Pfändungsschutzkonto vgl. Teil 3/7.5.5.

Berechnung der unpfändbaren Einkommensteile – "Nettomethode"

Die nach § 850a ZPO unpfändbaren Einkommensteile verstehen sich nach Ansicht des BAG – entgegen der bisher h.M. – als Bruttobeträge, in denen die auf sie entfallenden Steuern und Sozialabgaben bereits enthalten sind. Vom Gesamtbruttoeinkommen sind deshalb gem. § 850e Nr. 1 ZPO nur die fiktiv auf das sonstige Einkommen entfallenden Steuern und Sozialabgaben in Abzug zu bringen. Damit fallen in Monaten, in denen der Schuldner Sonderzahlungen erhält, nunmehr dieselben pfändbaren und damit massezugehörigen Einkommensteile an, wie in "normalen" Abrechnungszeiträumen (BAG v. 17.04.2013 – 10 AZR 59/12).

Beispiel

Der Schuldner (verheiratet) erhält im Juli zusätzlich zum Regelbruttoverdienst i.H.v. 2.000 € Urlaubsgeld i.H.v. 1.000 € (brutto). Es fallen insgesamt 800 € Steuern und weitere Abgaben an. Unter Berücksichtigung der nach BAG anzuwendenden Nettomethode hat der Drittschuldner das pfändungsrelevante Nettoeinkommen wie folgt zu bestimmen:

Bruttoeinkommen

3.000 €

abzgl. unpfändbares Urlaubsgeld

1.000 €

= pfändungsrelevantes Bruttoeinkommen

2.000 €

abzgl. Steuern und Sozialabgaben auf dieses pfändungsrelevante Bruttoeinkommen

400 €

= pfändungsrelevantes Nettoeinkommen

1.600 €