Erweiterung des gesetzlichen Mutterschutzes nach einer Fehlgeburt

Zum 01.06.2025 ist eine Änderung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) in Kraft getreten, durch die Frauen, die ab der 13. Woche ihrer Schwangerschaft eine Fehlgeburt erleiden, einen Anspruch auf Mutterschutz und Mutterschaftsleistungen erhalten.

Grundlage dieser Änderung ist das Mutterschutzanpassungsgesetz vom 24.02.2025.1

Erweitert wird damit der Schutz von Frauen bei einer Fehlgeburt, einer vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft, bei der sich bei einem Kind außerhalb des Mutterleibs keine Lebensmerkmale gezeigt haben und das Geburtsgewicht unter 500 Gramm liegt.

Dabei handelt es sich keineswegs um ein Randphänomen: Aktuell tritt in Deutschland in rund 10 % aller Schwangerschaften eine Fehlgeburt auf, und es soll nicht weniger als jede dritte Frau von einer Fehlgeburt betroffen sein.2

1. Besonderer Gesundheits- und Kündigungsschutz für Frauen

Das MuSchG hat die Aufgabe, die Gesundheit einer schwangeren Arbeitnehmerin und die ihres (ungeborenen) Kindes vor allem durch Beschäftigungsverbote während der Schwangerschaft, nach der Geburt und in der Stillzeit zu schützen.

Zugleich soll es – durch einen strengen Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und nach der Geburt – die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin gewährleisten.

Diese zunächst auf Arbeit- nehmerinnen und Heimarbeiterinnen beschränkten Regelungen sind inzwischen auf Aus- bildungsverhältnisse und arbeitnehmerähnliche Beschäftigungsverhältnisse ausgedehnt worden.

Auch Schülerinnen und Studentinnen sind im Rahmen eines Ausbildungs- verhältnisses in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen.

Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen die Schutzfristen vor und nach einer Entbindung (§ 3 Abs. 1 und 2 MuSchG). Diese Fristen beginnen grundsätzlich sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin und enden im Regelfall acht Wochen nach der Geburt.

Dabei handelt es sich um ein Beschäftigungsverbot, das sich an den Arbeitgeber richtet. Vor der Geburt kann sich die Frau allerdings selbstbestimmt zur Arbeitsleistung bereit erklären, wobei sie die Bereitschaft zur Weiterarbeit jederzeit widerrufen kann (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 MuSchG).

2. Mutterschaftsgeld, Arbeitgeberzuschuss und Mutterschutzlohn

Während der Schutzfristen haben die erfassten Frauen zudem Anspruch auf mutterschutzrechtliche Leistungen, wobei diese Leistungen von ihrem Versicherungsstatus abhängig sind:

  • Frauen, die Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind, erhalten Mutterschaftsgeld und einen Arbeitgeberzuschuss. Das Mutterschaftsgeld, welches höchstens 13 Euro für den Kalendertag beträgt, wird von der zuständigen Krankenkasse der Frau gezahlt. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Kosten des Unterschiedsbetrags zwischen 13 Euro und dem durchschnittlichen Nettolohn pro Kalendertag, den sogenannten Arbeitgeberzuschuss, zu zahlen. Diesen Zuschuss kann sich der Arbeitgeber über die Umlage U2 zu 100 % von der Krankenkasse der Frau erstatten lassen.
  • Frauen, die nicht selbst Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind – das ist etwa der Fall bei privat Krankenversicherten oder in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversicherten Frauen – erhalten Mutterschaftsgeld in Höhe von insgesamt höchstens 210 Euro. Darüber hinaus haben auch diese Frauen Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss.

3. Schutzfristen und Mutterschutzleistungen für Fehlgeburten ab der 13. Schwangerschaftswoche

Für Fehlgeburten in einem frühen Stadium der Schwangerschaft waren in der Vergangenheit weder eine Mutterschutzfrist noch Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz vorgesehen, da eine solche Geburt nicht dem Begriff der „Entbindung“ entsprach.

Das Mutterschutzgesetz kam erst zur Anwendung, wenn Schwangere ihr Kind ab der 24. Woche verloren. Führten körperliche Beschwerden infolge einer Fehlgeburt zur Arbeitsunfähigkeit, konnten und mussten die betroffenen Frauen auf die Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und damit das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zurückgreifen.

Das Mutterschutzanpassungsgesetz dehnt die Regelungen zur Entbindung auf Fehlgeburten aus (§ 2 Abs. 6 Satz 2 MuSchG) und schreibt in § 3 Abs. 5 MuSchG gestaffelte Schutzfristen vor. Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist, desto länger fällt die Mutterschutzfrist aus.

Bei einer Fehlgeburt darf jetzt der Arbeitgeber eine Frau nicht beschäftigen,

  • bis zum Ablauf von zwei Wochen bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche,
  • bis zum Ablauf von sechs Wochen bei einer Fehlgeburt ab der 17. Schwangerschafts- woche,
  • bis zum Ablauf von acht Wochen bei einer Fehlgeburt ab der 20. Schwangerschaftswoche.

Innerhalb dieser Schutzfristen kann die Frau ihrer Beschäftigung nachgehen, sofern sie dies ausdrücklich wünscht, eine entsprechende Einverständniserklärung aber jederzeit mit Wirkung für die Zukunft wieder widerrufen (§ 3 Abs. 5 Satz 2 MuSchG).

Für Fehlgeburten bis zur 12. Schwangerschaftswoche ist weiterhin kein Mutterschutzanspruch vorgesehen.

4. Erweiterter Schutz von selbständig tätigen Frauen

Die Neuregelung gilt im Übrigen auch für Frauen, die selbständig tätig und gesetzlich krankenversichert sind. Selbständige, die privat versichert sind, sind dabei noch immer ausgenommen.

Letzteres könnte sich aber in dieser Legislaturperiode ändern. Laut dem Koalitionsvertrag wollen CDU/CSU und SPD die gesetzlichen Mutterschutzleistungen auf alle selbständig tätigen Frauen ausweiten.

Prof. Dr. Joachim Weyand

 

Quellen

1 Gesetz zur Anpassung des Mutterschutzgesetzes und weiterer Gesetze – Anspruch auf Mutterschutzfristen nach einer Fehlgeburt (Mutterschutzanpassungsgesetz) v. 24.02.2025, BGBl I, Nr. 59.

2 Nach Angaben des zuständigen Bundesministeriums für Bildung, Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) liegen zu den den Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, keine exakten Zahlen vor; Fehlgeburten unterliegen keiner Meldepflicht.

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