Wegfall des Vorbeschäftigungsverbots ab Regelaltersgrenze

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat jetzt den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten“1 vorgelegt, mit dem entsprechende Vereinbarungen im Koalitionsvertragsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 05.05.2025 umgesetzt werden sollen.

Die vorgeschlagenen Vorschriften sollen auch zu Änderungen beim sogenannten Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags führen.

Dieses Verbot soll für die Arbeitnehmer aufgehoben werden, welche die Regelaltersgrenze erreicht haben, um deren Weiterbeschäftigung bei ihrem bisherigen Arbeitgeber über die Regelaltersgrenze hinaus zu erleichtern.

1. Absicherung des Rentenniveaus und Gleichstellung der Kindererziehungszeiten

Im Mittelpunkt des Referentenentwurfs steht die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 % bis zum Jahr 2031. Konkret bedeutet dies, dass ein Rentner, der 45 Jahre zum Durchschnittsgehalt gearbeitet hat, Anspruch auf eine Altersrente i.H.v. 48 % des dann gültigen Durchschnittsverdienstes hat.

Ohne diese Regelung würde diese Festschreibung zum Ende dieses Jahres auslaufen.

Ein weiterer Punkt im Entwurf ist die Ausweitung der sogenannten Mütterrente, also eine Erhöhung der Rente für Menschen, die Kinder großgezogen haben. Bisher gab es dabei eine Ungleichbehandlung, je nachdem, ob die Kinder vor oder nach 1992 geboren waren.

Für Kinder, die vor dem Jahr 1992 geboren wurden, gab es bis jetzt rund 20 Euro weniger monatliche Rente. Mit dem neuen Gesetz soll das angeglichen werden.

2. Vorbeschäftigungsverbot zum Schutz vor Befristungsketten

In arbeitsrechtlicher Hinsicht ist eine Ausnahme vom sogenannten Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vorgesehen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sind sachgrundlose Befristungen bis zur Dauer von zwei Jahren ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zulässig.

Innerhalb dieses Zeitrahmens ist eine höchstens dreimalige Verlängerung möglich. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung allerdings ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dieses Verbot soll

den missbräuchlichen Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit bereits bekannten Mitarbeitern und damit Befristungsketten zu Lasten der Arbeitnehmer ausschließen.

Eine Ausnahme von dem Vorbeschäftigungsverbot ist nur in engen Grenzen gegeben, so etwa, wenn eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber sehr lange zurückliegt2 oder diese anders geartet oder nur von sehr kurzer Dauer war.

3. Neufassung des § 41 SGB VI

Eine weitere Ausnahme von diesem Verbot soll jetzt für die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern geschaffen werden, die bei Erreichen der Regelaltersgrenze bei ihrem bisherigen Arbeitgeber weiterbeschäftigt werden möchten.

Hierzu soll § 41 SGB VI, der den Arbeitsvertragsparteien schon jetzt die Möglichkeit gibt, den Beendigungszeitpunkt eines bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze befristeten Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung hinauszuschieben, ergänzt werden.

Vorgesehen ist die Schaffung eines neuen zweiten Absatzes der Vorschrift mit folgendem Wortlaut:

„(2) § 14 Absatz 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gilt nicht für Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, soweit mit befristeten Arbeitsverhältnissen nach §

14 Absatz 2 Satz 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes bei demselben Arbeitgeber folgende Grenzen nicht überschritten werden:

  1. eine Höchstdauer von insgesamt acht Jahren oder
  2. eine maximale Anzahl von zwölf befristeten Arbeitsverträgen.”

Damit wäre das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – der Entwurf spricht von einem Anschlussverbot – für die Arbeitnehmer aufgehoben, deren Arbeitsverhältnis mit der Regelaltersgrenze enden würde.

Mit diesem Personenkreis soll künftig – neben unbefristeten Arbeitsverhältnissen oder Arbeitsverhältnissen, die mit Sachgrund befristet sind – auch ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis möglich sein.

Der damit gesetzte Anreiz zu einer „freiwilligen Weiterarbeit” nach Erreichen der Regelaltersgrenze soll – wie es im Entwurf heißt – einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten.

Voraussetzung für die Aufhebung ist zunächst, dass das befristete Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber abgeschlossen wird. Die Aufhebung wird zudem in zeitlicher Hinsicht sowie durch die maximale Anzahl von zwölf befristeten Arbeitsverträgen begrenzt, wobei die Gesamtdauer von acht Jahren als Höchstgrenze ausgestaltet ist.

Danach soll der Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nicht mehr zulässig sein, wenn durch diesen die Gesamtdauer von acht Jahren überschritten würde.

Schließlich werden bei der Berechnung der Gesamtdauer (nur) die sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG berücksichtigt.

Diese müssen mit demselben Arbeitgeber geschlossen worden sein, d.h., die Arbeitsvertragsparteien müssen identisch sein. Maßgeblich ist demnach eine Arbeitgeberbetrachtung und keine Arbeitsplatzbetrachtung.

Da im Übrigen die Regelung nur das Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG betrifft, bleiben die aus § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG resultierenden Grenzen einer sachgrundlosen Befristung (Gesamtdauer von zwei Jahren bei höchstens dreimaliger Verlängerung) unberührt und sind deshalb weiterhin zu beachten.

4. Schriftformerfordernis für Befristungen bleibt aufrechterhalten

Die Erleichterung einer Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze entspricht dem Regelungsansatz des 2024 verabschiedeten Bürokratieentlastungsgesetzes IV.3

Dieses im Wesentlichen seit dem 01.01.2025 geltende Gesetzespaket hatte u.a. die Schriftform für die Befristung des Arbeitsvertrags mit Erreichen der Regelaltersgrenze aufgehoben und durch die Textform ersetzt. Seither genügt eine Befristungsregelung, die den Anforderungen an die in

§ 126b BGB geregelte Textform entspricht, also etwa in einer E-Mail oder einem Dokument mit eingescannter Unterschrift festgehalten ist.

Diese Regelung gilt allerdings ausschließlich für Altersbefristungen, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abzielen. In solchen Fällen wird die Warnfunktion der Schriftform für weniger relevant erachtet, da Arbeitnehmer regelmäßig ohnehin erwarten, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze endet und sie durch Rentenleistungen abgesichert sind.

Nicht erfasst werden hingegen Altersbefristungen, die an einen anderen Zeitpunkt als die Regelaltersgrenze geknüpft sind.

Auch für die jetzt angedachte Neuerung der § 41 Abs. 2 SGB VI soll die Textform nicht gelten, so dass es beim Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen über die Regelaltersgrenze hinaus bei dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG bleibt.

Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auch diese strenge Form aufgegeben und durch eine Textformregelung ersetzt wird.

5. Inkrafttreten der Neuerung

Der Referentenentwurf soll noch vor der Sommerpause vom Bundeskabinett beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. In Kraft treten soll und dürfte die Neufassung des § 41 SGB VI – wie ein Großteil des Gesetzespakets im Übrigen – zum Beginn des kommenden Jahres.

Prof. Dr. Joachim Weyand

 

Quellen

1 Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten”, Bearbeitungsstand 24.06.2025, abrufbar unter: https://www.portal-sozialpolitik.de/index.php?page=Rentenpaket_2025.

2 Nach der jüngsten Rechtsprechung des BAG, Urt. v. 21.08.2019 – 7 AZR 452/17, NZA 2020, 40, ist ein Zeitraum von 22 Jahren ausreichend, nicht aber ein solcher von nur 15 Jahren, BAG, Urt. v. 17.04.2019 – 7 AZR 323/17, NZA 2019, 1271.

3 Viertes Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz) v. 23.10.2024, BGBl I, Nr. 323.

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