Wie umgehen mit Beweisen aus der Bordelektronik?

Fahrzeugdaten in der Bordelektronik oder beim Fahrzeughersteller 

Auch ohne den Einbau eines Unfalldatenschreibers oder eines Event-Data-Recorders wird in modernen Fahrzeugen in der Bordelektronik ständig eine Vielzahl von Daten gespeichert, die für eine Unfallrekonstruktion oder den Nachweis einer Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit von Bedeutung sein können (KINAST/KÜHNL, NJW 2014, 3057).

Technische Grundlagen

Folgende Daten können etwa relevant werden (vgl. BALZER/NUGEL, NJW 2016, 193):

  • Daten zur Erkennung von Anstößen und ggf. Auslösung von Rückhaltesystemen (Airbags, Gurtstraffer)
  • Daten zum Eingreifen von Assistenzsystemen (ABS, ESP, Bremsassistenzsysteme)
  • Daten zur Geschwindigkeit vor der Kollision und zu kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs
  • Daten zum Lenk- und Bremsverhalten des Fahrers und/oder aktiver Assistenzsysteme vor, während und nach der Kollision

Hinweis: Diese Erkenntnisquellen werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen: So hat die EU-Kommission am 26.03.2019 beschlossen, dass ab 2022 in allen Kfz mit einer neuen Typengenehmigung, ab 2024 dann in allen neu zugelassenen Kfz eine Vielzahl an Assistenzsystemen einschließlich eines EDR für Unfallereignisse vorhanden sein müssen. Neben den Datensätzen aus dem dann verpflichtend auslesbaren EDR zum Unfallereignis werden sich auch viele weitere wichtige Daten bei dem Betrieb der verpflichtend vorgesehenen Assistenzsysteme ergeben, zu denen Notbrems- und Abstandshaltesysteme, zusätzliche Kameras und ein Spurhalteassistent, aber auch das bisher kaum in Kfz eingesetzte System namens „intelligent speed assistance“ (ISA) gehört, welches im Zusammenspiel von GPS, Strecken- und Kameradaten die erlaubte Geschwindigkeit erfasst (NUGEL, ZD 2019, 301).

Da viele dieser Daten nur sehr kurzzeitig gespeichert werden und für spätere Beweiserhebungen nicht mehr zur Verfügung stehen, kommt dem AirbagSteuergerät eine besondere Bedeutung zu. Alle unfallwichtigen und für die Rekonstruktion höchst bedeutsamen Informationen werden über das AirbagSteuergerät mit hoher Genauigkeit erfasst.

Wenn es zur Auslösung des Airbags kommt, speichert das Steuergerät dauerhaft die Daten, die es kurz vor der Kollision erhoben hat (MIELCHEN, SVR 2014, 81). Damit wird eine nachträgliche Fahrdatenauswertung mit hoher Präzision und Aussagekraft für jedes Kfz möglich, das über einen Airbag verfügt (SCHLANSTEIN, NZV 2016, 201).

Mithilfe der Hersteller

In der Praxis erweist es sich dabei allerdings als Problem, dass die Daten nur mit Hilfe des Herstellers aus den Steuergeräten ausgelesen werden können, da die Daten verschlüsselt gespeichert werden. Die für eine Entschlüsselung notwendigen Informationen werden durch die Hersteller aber nicht herausgegeben. Dies wird darauf zurückgeführt, dass der Gebrauchsmusterschutz bzgl. der Algorithmen zur Regelung der Fahrassistenzsysteme gefährdet werden könnte.

Außerdem klären viele Hersteller ihre Kunden nicht darüber auf, dass derartige Daten erhoben, gespeichert und verwendet werden. Da somit kein Einverständnis zur Datenerhebung vorliegt, ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten datenschutzrechtlich problematisch (MIELCHEN, SVR 2014, 81). Eine rechtliche Verpflichtung der Autohersteller zur Speicherung unfallrelevanter Daten oder zur Offenlegung der Datenstrukturen besteht nicht (SCHLANSTEIN, VD 2014, 15).

Moderne Autos sind mittlerweile vernetzt und kommunizieren ständig mit dem Hersteller und versenden ununterbrochen Daten an diesen. So hat der ADAC in einer Untersuchung bei einem Fahrzeug aus dem Baujahr 2016 folgende Datenübermittlungen festgestellt:

  • etwa alle zwei Minuten werden die GPS-Position des Fahrzeugs sowie Statusdaten an das Hersteller-Backend übertragen (z.B. Kilometerstand, Verbrauch, Tankfüllung, Reifendruck und Füllstände von Kühlmittel, Wischwasser oder Bremsflüssigkeit);
  • die Zahl der elektromotorischen Gurtstraffungen wird gespeichert, etwa aufgrund starken Bremsens (erlaubt Rückschlüsse auf den Fahrstil);
  • Fehlerspeicher-Einträge werden teilweise mit Informationen über zu hohe Motordrehzahl oder -temperatur abgelegt (erlaubt Rückschlüsse auf den Fahrstil);
  • gefahrene Kilometer auf Autobahnen, Landstraßen und in der Stadt („highway-conditions“, „road-conditions“ und „urban-conditions“) werden getrennt gespeichert (erlaubt Rückschlüsse auf das Nutzungsprofil);
  • Betriebsstunden der Fahrzeugbeleuchtung werden gespeichert;
  • die letzten 100 Lade- und Entladezyklen der Starterbatterie werden mit Uhrzeit und Datum sowie Kilometerstand gespeichert, woraus sich Fahrund Standzeiten ergeben.

 Auch bei diesen Daten ergibt sich für ein Zivil- oder Strafgericht die Schwierigkeit, dass diese auf den Servern des Herstellers gespeicherten Daten nicht ohne weiteres als Prozessstoff verfügbar sind.

Verwertbarkeit im Zivilprozess: Daten als Beweismittel?

Wie bereits bei der zivilprozessualen Verwertung der Daten aus einem Unfalldatenschreiber bzw. einem Event-Data-Recorder dargestellt, kann das Gericht im Hinblick auf im Fahrzeug selbst gespeicherte Daten gem. § 142 ZPO anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt.

Da es sich bei den Daten bzw. Datenträgern nicht um Urkunden handelt, kommt es auf die Frage an, ob man die Daten bzw. Datenträger als „sonstige Unterlagen“ ansieht. Diese Frage ist umstritten:

  • Teilweise wird § 142 ZPO für anwendbar gehalten (SCHLANSTEIN, NZV 2016, 201, 206; BALZER/ NUGEL, NJW 2016, 193, 198).
  • Andere verweisen darauf, dass unter den Begriff der Unterlagen gemeinhin nur Zeichnungen, Fotos, Pläne, Tabellenwerke oder Fotografien verstanden werden, so dass gespeicherte Daten nicht darunter fallen können (BRISCH/MÜLLER-TER JUNG, CR 2016, 411, 414).

Nach § 144 ZPO kann das Gericht die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Es kann zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten die Vorlegung eines in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Gegenstands aufgeben und hierfür eine Frist setzen. Gegenstand i.S.v. § 144 Abs.1 Satz 2 ZPO ist alles, was in Augenschein genommen oder sachverständig begutachtet werden kann, worunter grundsätzlich auch elektronische Dokumente fallen können.

Für den Beweisantritt relevant ist insoweit § 371 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO: Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises, wird der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten. Befindet sich der Gegenstand nach der Behauptung des Beweisführers nicht in seinem Besitz, so wird der Beweis außerdem durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung des Gegenstands eine Frist zu setzen oder eine Anordnung nach § 144 ZPO zu erlassen.

Vereitelt eine Partei die ihr zumutbare Einnahme des Augenscheins, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit des Gegenstands als bewiesen angesehen werden. Ob auf diesem Wege die im Fahrzeug oder auf dem Server des Herstellers gespeicherten Daten tatsächlich in den Zivilprozess Eingang finden, ist allerdings fraglich und bislang gerichtlich nicht entschieden worden.

Teilweise wird vertreten, dass ein elektronisches Dokument im Hinblick auf die Beweiskraft einer Urkunde nur dann gleichgestellt werden könne, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist, vgl. § 371a Abs. 1 ZPO. Da die Daten in den Datenspeichern des Pkw und bei den Herstellern regelhaft nicht durch eine elektronische Signatur vor Veränderungen geschützt sind, liefen danach die §§ 371 Abs. 1 Satz 2, 144 Abs. 1 Satz 2, 371a Abs. 1 ZPO ins Leere (BRISCH/MÜLLER-TER JUNG, CR 2016, 411, 414).

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin begründet, dass die Lieferung und/oder Auswertung der Daten im Prozess nicht ohne die Mitarbeit der Hersteller erfolgen kann.

Zwar kann theoretisch eine Anordnung gem. § 142 und/oder § 144 ZPO auch gegenüber einem Hersteller als Drittem erfolgen. Die Hersteller werden insoweit aber geltend machen, die Mitwirkung sei ihnen nicht zumutbar, weil die Offenlegung der für die Entschlüsselung notwendigen Software einen unangemessenen Eingriff in ihre betrieblichen Geheimhaltungsbedürfnisse bedeute, vgl. § 142 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 144 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Verwertbarkeit im Strafprozess: Durchsuchung und Beschlagnahme der Daten

Im Ausgangspunkt gilt dieselbe Rechtslage wie bei den Unfalldatenspeichern bzw. dem Event-Data-Recorder. Die §§ 94 ff. StPO erlauben ihrem Wortlaut nach auch die Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten als Beweisgegenstände im Strafverfahren. Über § 46 OWiG gelten diese Befugnisse dem Grunde nach auch im Bußgeldverfahren.

Wie bereits bei den Unfalldatenschreibern bzw. Event-Data-Recordern erörtert, ergeben sich bei der Anwendung der §§ 94 ff. StPO Bedenken im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz, die Aushöhlung des Schweigerechts des Beschuldigten sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gegenüber der Situation bei einem Unfalldatenschreiber, der ja nur die Daten der letzten Sekunden vor dem Unfall speichert, ist bei massenhaft im Fahrzeug gespeicherten Fahrdaten zu berücksichtigen, dass sich auf den sichergestellten Datenträgern eine Vielzahl von Daten befindet, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen.

Die Rechtsprechung verlangt in solchen Fällen, dass die Sicherstellung und Beschlagnahme der Datenträger und der darauf gespeicherten Daten zur Verfolgung des gesetzlichen Strafverfolgungszweckes nicht nur Erfolg versprechend sein muss, sondern zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein muss.

Dies ist nicht der Fall, wenn andere weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (LG Konstanz, Beschl. v. 27.10.2006 – 4 Qs 92/06, CR 2007, 749).

Bei den „vernetzten“ Autos ist es denkbar, dass die Daten bei dem Fahrzeughersteller und damit einem Dritten gespeichert worden sind. Wenn sich der Fahrzeughersteller weigert, die dort gespeicherten Daten freiwillig herauszugeben, besteht theoretisch die Möglichkeit der Durchsuchung.

Gemäß § 103 StPO sind bei anderen Personen als dem Beschuldigten Durchsuchungen u.a. zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet.

Formell setzt die Durchsuchungsanordnung gegen einen Nichtverdächtigen (§ 103 StPO) voraus, dass hinreichend individualisierte Beweismittel gesucht werden. Diese müssen nicht in allen Einzelheiten in dem Durchsuchungsbeschluss beschrieben werden. Es muss jedoch für den Betroffenen und für die vollziehenden Beamten erkennbar sein, auf welche zumindest gattungsmäßig konkretisierten Gegenstände die Suche beschränkt sein soll (LG Koblenz, Beschl. v. 27.10.2014 – 4 Qs 66/14, StraFO 2014, 510).

In materieller Hinsicht sind insbesondere bei Ordnungswidrigkeitenverfahren Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit angezeigt. Zunächst einmal darf es unter dem Aspekt der Erforderlichkeit keine anderen Möglichkeiten geben, den Sachverhalt auch ohne die begehrten Daten und Programme des Herstellers aufzuklären.

Zum anderen muss die Durchsuchung und Beschlagnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Da es speziell für Fahrzeugdaten(-träger) noch keine Rechtsprechung gibt, liegt es nahe, eine Parallele zu Durchsuchungen zum Auffinden eines Fahrtenschreibers zu ziehen.

Allerdings ist die Frage, ob eine Durchsuchung zum Auffinden einer Fahrtenschreiberscheibe etc. im Rahmen der Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit zulässig ist, im Einzelnen umstritten. Während teilweise bei „leichteren“ Verkehrsordnungswidrigkeiten eine Durchsuchungsanordnung pauschal als unverhältnismäßig angesehen wird (AG Landau, Beschl. v. 20.02.2001 – Gs 12/01, NStZ-RR 2002, 220), wird die Frage im Übrigen ganz überwiegend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls differenziert betrachtet. Hier einige Beispiele:

  • BVerfG, Beschl. v. 07.09.2006 – 2 BvR 1141/05, NJW 2006, 3411 im Fall der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei wegen einer mit 15 € bedrohten Ordnungswidrigkeit; – LG Freiburg, Beschl. v. 03.02.2014
  • 3 Qs 9/14 bei einem Geschwindigkeitsverstoß von 27 km/h durch einen Motorradfahrer. 

Von der Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung sind demgegenüber ausgegangen:

  • EGMR, Entscheidung v. 15.11.2011 – 43005/07 bei einem Geschwindigkeitsverstoß von 44 km/h durch einen Lkw;
  • BVerfG, Beschl. v. 20.07.2007 - 2 BvR 254/07 bei einem Geschwindigkeitsverstoß von mehr als 100 km/h;
  • LG Tübingen, Beschl. v. 20.12.2011 – 1 Qs 248/ 11 Owi bei einem Geschwindigkeitsverstoß durch einen Motorradfahrer von 39 km/h;
  • LG Oldenburg, Beschl. v. 21.09.2015 - 5 Qs 345/ 15 bei einem mit regelmäßig 80 € bußgeldbewehrten Geschwindigkeitsverstoß, in dem keine anderen Ermittlungsansätze bestanden haben;
  • LG Oldenburg, Beschl. v. 15.03.2016 – 5 Qs 99/ 16, Verkehrsrecht aktuell 2016, 137–138

Auswertung der Daten

Selbst wenn die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz der im Fahrzeug oder beim Hersteller gespeicherten Daten gelangen, gibt es rechtliche und tatsächliche Hindernisse auf dem Weg zu einer effektiven Auswertung der Daten. Zwar ermächtigen die §§ 102, 110 StPO die Strafverfolgungsbehörden dem Grunde nach, die Datenspeicher nach beweisrelevanten Daten durchsuchen und auslesen. Es werden zahlreiche Einschränkungen dieser Befugnisse diskutiert.

Neben den bereits oben erörterten Aspekten des nemo-tenetur-Grundsatzes, einer möglichen Aushöhlung des Schweigerechts des Betroffenen und hohen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden vor allem datenschutzrechtliche Belange erörtert. Ob es sich bei dem gespeicherten Material um personenbezogene Daten handelt und unter welchen weiteren Voraussetzungen diese ggf. erhoben und ausgewertet werden dürfen, ist Gegenstand einer lebhaften Debatte, die im Rahmen dieser Abhandlung nur angerissen werden kann (vgl. etwa BALZER/NUGEL, NJW 2016, 193; MIELCHEN, SVR 2014, 81; WEICHERT, SVR 2014, 201, 241).

Dabei geht es etwa um die Frage:

  • ob es sich um personenbezogene Daten i.S.d. § 3 BDSG handelt,
  • ob dem Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit gem. § 3a BDSG entsprochen wird,
  • unter welchen Voraussetzungen eine wirksame Einwilligung gem. § 4a BDSG vorliegt
  • oder ob es ggf. einen Erlaubnistatbestand aus § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG geben kann.

Selbst wenn man eine rechtswidrige Datenerhebung und/oder -speicherung annehmen würde, wäre damit lediglich ein Beweiserhebungsverbot festgestellt, aus dem nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot folgt. Nach der oben zur Dash-Cam zitierten Rechtsprechung wird man davon auszugehen haben, dass die Gerichte auch im Bereich rechtswidrig erlangter Daten aus einem Pkw bei der Annahme eines Beweisverwertungsverbots zurückhaltend sein werden.

Rein praktisch stellt sich im Strafverfahren das weitere bereits dargestellte Problem, dass die Auswertung der Daten ohne Mitwirkung des Herstellers regelhaft nicht möglich ist. Eine den §§ 142, 144 ZPO entsprechende Vorschrift gibt es in der StPO nicht. Teilweise wird vertreten, über §§ 94, 98 StPO könne beim Fahrzeughersteller auch das Auswertesystem sowie die hierfür benötigte Software beschlagnahmt werden (SCHLANSTEIN, NZV 2016, 201).

Dem ist aber kritisch zu entgegnen, dass es bei einer Beschlagnahme von Software zur Entschlüsselung der Daten nicht um unmittelbare Beweismittel geht, die für die Aufklärung einer Straftat von Bedeutung sind, sondern nur um ein Hilfsmittel, mit dem diese anderweitigen Beweise ausgewertet werden können. Solche Fallgestaltungen haben die §§ 94, 98 StPO eigentlich nicht im Blick.

Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass der Fahrzeughersteller einem erheblichen Grundrechtseingriff ausgesetzt ist, wenn hochsensible und dem Geschäftsgeheimnis unterliegende Softwareprogramme und -dateien betroffen sein können. Letztlich wäre Voraussetzung für eine Beschlagnahme, dass die vorangegangene Datenerhebung in rechtmäßiger Weise erfolgt ist – was in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen wäre. Es ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, dass bei einem Dritten Software beschlagnahmt wird, um rechtswidrig erlangte Daten auswerten zu können.

Zusammenfassung

Das Phänomen, dass Fahrzeugdaten in der Bordelektronik oder bei „vernetzten“ Autos sogar beim Fahrzeughersteller massenhaft gespeichert werden, ist relativ neu. Rechtsprechung zu Fragen der Beweiserhebung und -verwertung gibt es bislang noch nicht.

Es steht zu erwarten, dass die Rechtsprechung ihre etwa bei den Dash-Cams entwickelten Grundsätze auf die neue Art der Datenspeicherung übertragen wird. Auch in der Literatur steht die Diskussion noch ganz am Anfang. Dabei wird es keine leichte Aufgabe sein, die widerstreitenden Belange – umfassende Sachverhaltsaufklärung im Zivilprozess und effektive Strafverfolgung einerseits, Grundrechtspositionen und prozessuale Rechte des Betroffenen und etwaiger Dritter andererseits – in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

 

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