Die Rechtsordnung will verhindern, dass der Erblasser das Pflichtteilsrecht durch Lebzeitige Schenkungen an Dritte umgeht. Im Rahmen des Pflichtteilsrechts sind Schenkungen an andere Pflichtteilsberechtigte daher einzurechnen, Schenkungen an Dritte können Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen diese auslösen, § 2325 BGB. Das gilt jedoch nicht für so genannte Pflichtschenkungen gemäß § 2330 BGB, also Schenkungen, die einer sittlichen Pflicht entsprechen. Unsere Falllösung veranschaulicht für Sie, wann eine Schenkung als Pflichtschenkung einzuordnen ist.
Der Mandant ist eines von drei Kindern. Es geht um den Nachlass seines im Jahr 2012 verstorbenen Vaters. Die Mutter ist vorverstorben, als der Mandant noch ein Kind war. Der Vater hat neu geheiratet. Die zweite Ehefrau (F) hat den Mandanten und seine Geschwister großgezogen und den Haushalt für den Erblasser geführt. Sie hat während der Ehe nur eine kleine eigene Altersvorsorge bilden können. Außerdem hat sie 15 Jahre lang unentgeltlich im Geschäft des Erblassers mitgearbeitet. Der Erblasser lebte mit F im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Er hat sie zur Alleinerbin eingesetzt. F erhält eine monatliche Witwenrente von 3.000 Euro und eine eigene Rente von 400 Euro. Diese Rentenansprüche hatte sie bereits auch im Jahr 1995 zu erwarten. Es geht um die Würdigung verschiedener lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers. Über den Nachlass hat die F durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses Auskunft erteilt.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dieser schenkweisen Zuwendung auch nicht um eine bei der Pflichtteilsergänzung nicht zu berücksichtigende Anstands- oder Pflichtschenkung nach § 2330 BGB . [...] Aus sittlicher Pflicht ist eine Schenkung geboten, wenn ihr Unterlassen dem Erblasser als Verletzung der für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre (Palandt/Edenhofer, § 2330 RN 3).
Das ist nach dem Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Der Umstand, dass sie 1987 zu ihrem damals 74-jährigen Vater und ihrer 70-jährigen an Diabetes erkrankten Mutter gezogen ist, um diese zu versorgen, rechtfertigt die Annahme einer sittlichen Pflicht zur Übertragung des Grundeigentums in dem geschehenen Umfang selbst dann nicht, wenn die Beklagte ihre bisherige Berufstätigkeit deswegen aufgegeben hat.
Zwar behauptet die Beklagte, sie habe ihre hochbetagten Eltern gepflegt, sie legt aber nicht dar, welcher besonderen Pflegeleistungen es bedurfte. Nach ihrem Vortrag bestand ihre Tätigkeit im Wesentlichen in einer bloßen Versorgung, wie etwa dem Zubereiten von Mittagessen, Arbeiten im Haushalt und in der Erledigung von Besorgungen, weil sich die Erblasserin selbst dazu nicht mehr in der Lage fühlte. All dies sind zwar anerkennenswerte Leistungen, sie rechtfertigen aber nicht die - wenn auch teilweise unentgeltliche - Zuwendung des Grundeigentums an die Beklagte im Jahre 1994. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beklagten das Objekt ausdrücklich für die stattgehabte Pflege übertragen worden ist (Bl. 158). Vielmehr ist entscheidend, ob dies sittlich geboten war oder nicht. Dabei ist auch das Interesse des pflichtteilsberechtigten Klägers zu berücksichtigen, da auch eine sittliche Pflicht besteht, den gesetzlich geschützten Pflichtteil nicht auszuhöhlen (Palandt, wie vor). Vor dem Hintergrund dieser Interessenabwägung erscheint dem Senat die unentgeltliche Zuwendung im Werte von 134.420,15 DM nicht gerechtfertigt.
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Aber selbst wenn man die von der Beklagten behaupteten Pflegeleistungen nach Art und Umfang als zutreffend unterstellt, liegt keine sog. Pflichtschenkung vor. Dabei kann auch dahingestellt bleiben, ob und ggf. inwieweit die Beklagte ihre berufliche Wochenarbeitszeit als Lehrerin reduziert hat, um die Erblasserin pflegen zu können. Denn sie ist durch etwaige persönliche Opfer jedenfalls nicht in eine Notlage geraten. Sie lebte zur Zeit der Schenkung in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, so dass die Schenkung nicht etwa zur Behebung einer Notlage erfolgte.
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