Der italienische Philosoph und Volkswirtschaftler Vilfredo Pareto (1848–1923) stellte fest, dass man schon nach 20 % der eingesetzten Zeit ca. 80 % der Lösung erarbeitet hat, d.h., ein großer Teil des Gesamterfolgs ist mit einem sehr kleinen Teil des Gesamtaufwands erreichbar.
20 % Einsatz bei 80 % Erfolg also! Auch in der Anwaltspraxis findet man dieses Verhältnis wieder: Viele Rechtsanwälte erzielen tatsächlich mit 20 % ihrer Mandanten 80 % ihres Umsatzes.
Ein Beispiel:
Eine Anwaltskanzlei mit zwei Partnern und 15 Mitarbeitern erwirtschaftet einen Umsatz von 1 Mio. €. Geht man davon aus, dass diese Kanzlei 800 Mandanten betreut, so sorgen 160 Mandanten für 800.000 € Umsatz.
Heißt das, Sie können alle weiteren Mandate, die nicht in eine bestimmte Umsatz-Range fallen, einfach ablehnen? Unter rein finanziellen Aspekten wohl ein interessanter Gedanke. Näher betrachtet aber für die wenigsten sinnvoll, da sie sich erstens in extreme Abhängigkeiten einiger weniger Mandanten begeben und zweitens die restlichen Mandate ja auch für Arbeitsauslastung bei den Mitarbeitern sorgen, auf die man nicht verzichten will.
Es ist wirtschaftlich dagegen nicht nur absolut sinnvoll, sondern notwendig, darüber nachzudenken, wie Sie diese Top-20-Mandanten zufriedenstellen.
Wichtigkeit der Mandanten geht vor Dringlichkeit
Eine Klassifizierung bedeutet nämlich nicht, die anderen 80 % zu vernachlässigen, sondern sich auf seine Stärken zu konzentrieren und seine Aufmerksamkeit entsprechend der Wichtigkeit der Mandanten zu verteilen anstatt nach Dringlichkeit.
Denn seien wir ehrlich, oft werden erst die Mandanten als Erstes bedient, die am lautesten schreien. Und für die „Pflegleichten“ bleibt dann kaum Betreuungszeit übrig.
Das schlechte Gewissen beruhigen wir dann damit, dass diese sich im Bedarfsfall schon melden würden. Und solange sie es nicht tun, können wir so weitermachen wie bisher.
Dabei wird übersehen, dass jede Beziehung, die dauerhaften Bestand haben soll, auch aktive Pflege braucht. Denn nur so merkt der andere überhaupt, dass Sie ihn schätzen und Ihnen diese Beziehung etwas wert ist. Wenn Sie beginnen, ein Mandat als selbstverständlich anzusehen, haben Sie den ersten Schritt zur Kündigung gesetzt.
Denn jeder möchte – gerade in so vertrauensvollen und dauerhaften Partnerschaften – wichtig sein und wahrgenommen werden. Bevor Sie über die konkreten Betreuungsmaßnahmen nachdenken, müssen Sie natürlich erst einmal für Ihre Kanzlei festlegen, welche Kriterien diese Top-20-Mandanten erfüllen, um in diese Kategorie zu gehören.
Ein wesentlicher Bereich ist dabei sicherlich der finanzielle Aspekt, aber nicht der allein ausschlaggebende. Dabei ist die Unterscheidung in Umsatz und Deckungsbeitrag empfehlenswert, denn die Umsatzbetrachtung allein würde ein verzerrtes Bild ergeben. Denn nur wenn ein entsprechender Deckungsbeitrag erwirtschaftet wird, ist ein hoher Umsatzanteil wertvoll.
Auch Mandanten, die Sie weiterempfehlen, sind „erste Klasse!“
Ein weiteres Kriterium ist die Weiterempfehlung. Denn ein Mandant, der Sie besonders oft weiterempfiehlt oder ein wichtiges Amt in Ihrer Stadt bekleidet und somit eine Multiplikatorfunktion für Sie hat, kann ohne weiteres ein Top-20-Mandant sein, auch wenn der Umsatzanteil nicht so hoch ist.
Bei der Gesamtbeurteilung können auch weiche Faktoren eine Rolle spielen: Wie reibungslos verläuft die Zusammenarbeit, werden die Unterlagen ordentlich und pünktlich gebracht, verstehen Sie und Ihre Mitarbeiter sich persönlich gut mit dem Mandanten, zahlt er pünktlich?
Bevor Sie sich jetzt ein ausgeklügeltes Punkteverfahren für die weichen bzw. strategischen Faktoren überlegen, mit dem Sie die genaue Reihenfolge ermitteln können, und dazu noch eine aufwendige Excel-Tabelle programmieren, fügen Sie einfach die Mandanten zu den A- bzw. B-Mandanten hinzu, von denen Sie grundsätzlich sagen: Davon hätte ich gerne mehr.
Denn entscheidend ist nicht die einzelne Platzierung, sondern welche Betreuungsmaßnahmen Sie welcher Mandantengruppe anschließend zuordnen.
Es geht darum festzulegen, welche Mandanten wie betreut werden, und dabei festzustellen, wie viel Zeit Sie persönlich mit welchen Mandanten verbringen und was Sie sinnvoll delegieren können.
Faustregel:
- Die A-Mandanten erhalten besondere Chefbetreuung,
- bei den B-Mandanten kann dies wechselweise mit qualifizierten Mitarbeitern gestaltet werden,
- um die C-Mandanten kümmern sich mehr oder weniger ausschließlich die Mitarbeiter.
Je nachdem, wie viel Zeit Sie investieren wollen, können Sie jetzt festlegen, ob Ihre A-Mandanten die Top 20 oder die Top 25 sind. Bei einer Partnerschaft werden die A-Mandanten natürlich auf mehrere Schultern verteilt, so dass es insgesamt mehr A-Mandanten gibt.
Schlüsselakte für Ihre A-Mandanten
Legen Sie sich eine eigene Akte „A-Mandanten“ an, in denen folgende Informationen zusammenfließen. Eine Kanzlei nennt diese Akte „Schlüsselakte“ – analog zum Begriff Schlüsselkunde, da diese Mandanten der Schlüssel zum Erfolg sind:
- Mandantenprofil mit persönlichen Daten inklusive Hobbys und Vorlieben
- Umsätze und Kontakte beim Schlüsselmandanten
- Erkenntnisse aus der bisherigen Zusammenarbeit
- Ziele und Projekte des Mandanten
- Unsere Ziele beim Schlüsselmandanten
- Kontaktplanung und Zielerreichung im nächsten Geschäftsjahr
- Beziehungsmaßnahmen (Essenseinladung, Geschenke, Vorträge für Mandanten) im nächsten Geschäftsjahr
Die Zusammenfassung dieser Daten in einem eigenen Ordner hilft Ihnen, Gemeinsamkeiten und Überschneidungen bei den A-Mandanten leichter zu erkennen und so Ihr Leistungs- und Serviceangebot noch besser auf diese wertvolle Mandantengruppe zuzuschneiden.
Einmal im Jahr können Sie dann beim Strategiemeeting diese Informationen nutzen, um die Entwicklung der Kanzlei voranzubringen und neue Ideen zur Verbesserung der Mandantenbeziehung zu entwickeln.
Das Betreuungskonzept für verschiedene Mandantengruppen
Entwickeln Sie in einem weiteren Schritt ein systematisches Betreuungs- und Entwicklungskonzept, in dem Sie festlegen, welche Maßnahmen von welcher Person für welche Mandantengruppe greifen.
Berücksichtigen Sie dabei auch Entwicklungsmaßnahmen, mit denen beispielsweise C-Mandanten zu B-Mandanten oder B-Mandanten zu A-Mandanten gemacht werden können. Überlegen Sie, wie Sie die Arbeitsabläufe bei C-Mandanten rationalisieren, um den Deckungsbeitrag zu verbessern, und wie Sie sich elegant von D-Mandanten trennen oder diese zu C-Mandanten machen können.