Fünfte Haltestelle: Auf die Antwort des Versicherers reagieren

Unabhängig von der Tatsache, dass Schadensersatzansprüche bereits mit der Entstehung fällig werden, § 271 BGB, geben die Obergerichte der gegnerischen Versicherung zwischen zwei und sechs Wochen Zeit, um auf die Anspruchsstellung durch einen Geschädigten zu reagieren. 

Erst nach Ablauf dieser Zeit sollen die Kosten, die aufgrund einer dann durch den Geschädigten erhobenen Klage anfallen, nicht mehr mit einem sofortigen Anerkenntnis abgewendet werden können.

Wie bereits in der Einleitung dargestellt gibt es im Wesentlichen folgende Reaktionsmöglichkeiten:

1. Der Versicherer bejaht die vollständige Haftung dem Grunde nach

In diesem Fall kann sofort mit der Regulierung begonnen werden.

2. Der Versicherer verneint die vollständige Haftung dem Grunde nach

In diesem Fall kann man versuchen, durch die Auswertung einer zuvor eingeholten Ermittlungsakte, durch Einholung von Zeugenberichten und durch Argumentation auf Basis des Schadensbildes (im Hinblick auf Rückschlüsse zum Unfallhergang) doch noch zu einer Haftungsübernahme zu gelangen.

Im Konfliktfall bleibt jedoch nur noch der Klageweg oder die Abrechnung über die (eigene) Vollkaskoversicherung.

a) Akteneinsicht nehmen

Wenn eine Akte zur Einsichtnahme angefordert werden muss, sollte man sich an folgendes Schema halten:

aa) Notwendige Daten ermitteln: Tagebuchnummer der aufnehmenden Polizei bzw. beteiligte Kennzeichen, Unfalldatum, Unfallort.

bb) Mit diesen Daten zunächst bei der Ausgangsbehörde anrufen und sich erkundigen, ob der Vorgang überhaupt noch vor Ort ist, ob er noch das Aktenzeichen trägt oder ein anderes bekommen hat und wer der zuständige Sachbearbeiter ist. Notieren Sie sich dessen Fax-Nummer.

Dies ist deshalb so elementar wichtig, weil nichts mehr der effektiven Unfallschadensregulierung zuwider läuft als ein unreflektiertes Gesuch auf Akteneinsicht, das 'auf gut Glück' womöglich noch nicht einmal per Fax vorab und ohne Tagebuchnummer an eine Behörde oder Polizeidienststelle versendet wird.

Bis das Schreiben zugeordnet ist und bei dem zuständigen Sachbearbeiter vorliegt, können Wochen vergehen. 

Aus diesem Grund gehört es zur absoluten Pflicht des Beraters, zum Zeitpunkt, in dem das Gesuch auf Akteneinsicht abgeschickt werden soll, zunächst einmal die schnelle Identifizierbarkeit der Akte anhand der aktuellen Tagebuchnummer oder des Aktenzeichens sicher zu stellen und die Anfrage unmittelbar dort anzubringen, wo sich die Akte zurzeit noch befindet.

Grundsätzlich wird die Unfallakte bei der Polizei geführt, die diese dann an die Staatsanwaltschaft oder die Ordnungsbehörde abgibt. Daher ist es auch so wichtig, sich zunächst telefonisch zu erkundigen, ob die Akte bereits an eine andere Behörde abgegeben worden ist. 

Zwar wird auch ein an die falsche Behörde abgesendetes Gesuch auf Akteneinsicht sicherlich der Akte 'nachgeschickt', doch verschlingt dieser unnötige Vorgang viel Zeit, die zulasten einer effektiven Unfallschadensregulierung und auch zulasten des Mandanten geht, der an einer schnellen und umfassenden Klärung der Angelegenheit naturgemäß sehr interessiert ist.

cc) Mit diesen Detailinformationen nun das Akteneinsichtsgesuch unter direkter Ansprache des zuständigen Sachbearbeiters per Fax vorab unter Beifügen der anwaltlichen Vollmacht an die gegnerische Versicherung übersenden

b) Zeugenberichte anfordern

Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass der Geschädigte nicht selber Zeugenberichte anfordern darf, weil sich dies nachteilig auf seine Position auswirken kann. 

Doch das Gegenteil ist der Fall: Jeder Zeugenbericht, der beigebracht werden kann und die eigene Position stützt, ist wegen des zivilrechtlichen Grundsatzes 'non liquet' selbstverständlich unverzichtbar. 

Aus diesem Grund sollte man sich nicht mit dem zufriedengeben, was die Polizei im Vorfeld ermittelt hat. Kann der Mandant einen Zeugen benennen, wäre es falsch, diesen nicht anzuschreiben und nach einer objektiven Schilderung des Sachverhalts zu befragen. 

Oftmals kann durch Beibringen der Aussage eines unbelasteten Zeugen, der in keinem Lager der Parteien steht, ein vorher aussichtslos geglaubter Fall gewendet werden.

3. Der Versicherer teilt mit, dass eine Haftungsübernahme noch nicht erfolgen kann, weil der eigene Versicherungsnehmer noch keine Angaben gemacht hat oder aber erst eine Akte eingesehen werden muss, weil

a) der Unfallgegner noch keine Angaben zur Sache gemacht oder den Unfall noch nicht gemeldet hat.

Die Meldung des Unfalls bei der eigenen Haftpflichtversicherung ist eine Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag. 

Wer diese verletzt riskiert seinen Versicherungsschutz, wenngleich aus der Praxis kein einziger Fall bekannt ist, in dem wegen Nichtmeldung und Regulierung auf Basis der Aktenlage ein Regress auch tatsächlich stattgefunden hat. 

Die Nichtmeldung durch den Unfallgegner hat jedoch schmerzhafte Konsequenzen für denjenigen, der den Unfall nicht verursacht hat und gerne zügigen Ersatz seiner Schäden beanspruchen würde. 

Die Nichtmeldung führt nämlich dazu, dass der Versicherer seinen Versicherungsnehmer nun über mehrere Wochen anschreiben und immer wieder an die Abgabe der Stellungnahme und an die Meldung des Unfalls erinnern wird. 

Vorher wird oftmals auch nicht reguliert, wenngleich dadurch in der Praxis faktisch der Unfallgeschädigte, dem der Unfall ja in der Regel unverschuldet aufgezwungen worden ist, für eine Obliegenheitsverletzung seines Gegners 'bestraft' wird, denn er erhält schlichtweg keine schnelle Regulierung. 

Sobald der Berater daher erstmalig von der gegnerischen Versicherung erfahren hat, dass der Unfall noch nicht gemeldet worden ist, muss er 'aufhorchen' und vorsichtshalber die Ermittlungsakte anfordern, um eine Entscheidung nach Aktenlage innerhalb kurzer Frist herbeiführen zu können. 

Ohne Ermittlungsakte und nur auf Basis der Aussage des Geschädigten kann zwar ebenfalls entschieden werden, in der Praxis tun sich die Versicherer damit aber gelegentlich schwer.

b) erst die Ermittlungsakte eingesehen werden muss.

In diesem Fall gilt das oben Dargestellte entsprechend. Auch wenn der Versicherer mitteilt, er habe die Akte schon anfordern lassen, sollte die Akte unbedingt selber angefordert werden, da der Geschädigte erfahrungsgemäß schneller Akteneinsicht erhält, als der Versicherer des (vermeintlichen) Unfallverursachers. 

Trifft die Akte beim Anwalt des Geschädigten zuerst ein, kann dieser den gegnerischen Versicherer kontaktieren und ihm anbieten, die Akte gegen Übernahme der üblichen Pauschale (26 Euro für die Versendung + 0,50 Cent pro kopierte Seite) zu übersenden.

4. Der Versicherer bejaht die nur quotenmäßige Haftungsübernahme

In diesem Fall müssen einige - für die weitere Unfallschadensregulierung - wichtige Weichenstellungen getroffen werden, denn mit der quotenmäßigen Abrechnung des Unfalls ist - sofern der Mandant eine Vollkaskoversicherung für den eigenen Pkw unterhält - die Möglichkeit der Abrechnung nach Quotenvorrecht eröffnet. 

Diese Abrechnungsart 'verkompliziert' zwar auf den ersten Blick den Abwicklungsvorgang - schließlich muss ein zusätzlicher Versicherer 'mit ins Boot geholt werden' -, dennoch gehört die Aufklärung über diese Abrechnungsart wegen ihrer vielen Vorteile für den Geschädigten zur 'Grundausrüstung' der fachgerechten Beratung.

Schauen wir uns zunächst an, was eigentlich mit 'Abrechnung nach Quotenvorrecht' gemeint ist, indem wir diesen Begriff ins Spannungsverhältnis zur normalen Abrechnung nach Quote stellen.

Der 'normalen Abrechnung nach Quote' liegt in der Regel ein Verkehrsunfall zu Grunde, in welchem es dem Geschädigten nicht gelungen ist, den Haftpflichtversicherer des vermeintlichen Schädigers davon zu überzeugen, dass der Unfall nicht durch ihn mitverursacht bzw. für ihn räumlich und zeitlich unabwendbar gewesen ist und er folglich für die Folgen nicht einzustehen hat. 

Es handelt sich daher um Fälle, in denen der gegnerische Haftpflichtversicherer ein 'Mitverschulden' des Geschädigten am Zustandekommen des Unfalls behauptet. Dass in solchen Fällen dann der Schaden zu quoteln ist, bestimmt § 17 Abs.1 und 2 StVG. 

Danach kommt es für die Verursachungsanteile (Quote) darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von 'dem einen oder anderen Teil' verursacht worden ist

Nehmen wir nun an, der Mandant besitzt eine Vollkaskoversicherung. Diese kann er ebenfalls in Anspruch nehmen. 

Er kann dann zumindest 'das versicherte Risiko', also den Fahrzeugschaden abzüglich der Selbstbeteiligung abrechnen. Leistet nun aber der Kaskoversicherer auf den Schadensersatzanspruch, bestimmt § 86 VVG, dass im Umfang dieser Leistung der Schadensersatzanspruch auf den Kaskoversicherer übergeht. 

Der Geschädigte müsste nach diesem Forderungsübergang unter Umständen den gesamten Restschaden selber tragen. Dieses Ergebnis wäre unbillig, denn die Tatsache, dass das Risiko zusätzlich versichert ist, würde dem Geschädigten nicht zu Gute kommen. 

Sofern also sachliche Kongruenz zwischen der Versicherungsleistung und dem Schadensersatzanspruch besteht, führt der Grundsatz der Deckungsgleichheit zu einer Korrektur im Sinne eines bevorrechtigten Zugriffs des Geschädigten im Hinblick auf den sogenannten 'kongruenten Fahrzeugschaden'.

An sich wäre also die Folge gewesen, dass der Anspruch im Rahmen der Leistung des Kaskoversicherers auf diesen übergeht. Diesen 'unreflektierten Forderungsübergang' wollte der Gesetzgeber aber verhindern. 

Er hat daher in § 86 VVG hineingeschrieben, dass der Forderungsübergang auf den Kaskoversicherer 'nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden' darf. 

Das wiederum bedeutet, dass der Geschädigte selber zunächst die (kongruenten) Schadensersatzansprüche weiterhin geltend machen darf.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs billigt daher nach der sogenannten modifizierten Differenztheorie dem Geschädigten hinsichtlich der Positionen, die 'unmittelbar die Substanz des betroffenen Fahrzeuges berühren' (BGH, Urt. v. 08.12.1981 - VI ZR 153/80) (Fahrzeugschaden, Wertminderung, Selbstbeteiligung, Abschleppkosten, Sachverständigenkosten, ggf. Abzug 'neu für alt' (str.) und ggf. Anwaltskosten für die Geltendmachung gegenüber der Kaskoversicherung (str.)) ein 'Erstzugriffsrecht', ein 'bevorrechtigtes Zugreifen' vor der Anwendung der Quotierung zu. 

Das bedeutet, dass der Geschädigte sich seine volle Kaskoleistung erhält und alle anderen Schäden voll oder doch in Höhe der Quote ersetzt bekommt (jedoch muss die gegnerische Haftpflichtversicherung insgesamt niemals mehr leisten, als das, was ihrer Haftungsquote entspricht).

Der Bundesgerichtshof hat es in seiner Entscheidung vom 12.01.1981, Az.: VI ZR 265/80, wie folgt formuliert: '…Richtigerweise mußten zunächst getrennt nach Schadensbereichen - unmittelbare Sachschäden einerseits und Sachfolgeschäden andererseits - die Teilansprüche der Klägerin ermittelt werden, um dann hinsichtlich des unmittelbaren Sachschadens festzustellen, welcher Teil dieses Schadens nach Zahlung des Kaskoversicherers und unter Berücksichtigung der von der Beklagten hierauf geleisteten Zahlungen zulasten der Klägerin noch offen steht. 

Diesen Restbetrag hat die Beklagte aus ihrer unter Berücksichtigung der Mitverursachungsquote der Klägerin zu errechnenden Schuld zuerst zu befriedigen; erst darüber hinaus kommt ein Anspruchsübergang gem. § 67 Abs.1 VVG an den Kaskoversicherer in Frage. 

Für den Bereich der Sachfolgeschäden bleiben Leistungen des Kaskoversicherers außer Ansatz; ein Forderungsübergang aus § 67 Abs. 1 VVG scheidet daher ohnehin aus.'

Das bedeutet: Sachschäden sind dem Geschädigten voll zu ersetzen, Sachfolgeschäden nur in Höhe der Quote.

In der Praxis muss daher, sobald der gegnerische Haftpflichtversicherer, ob berechtigt oder unberechtigt, der Abrechnung eine Quote zu Grunde legt, diese Abrechnungsart erwogen werden. 

Es ist zu empfehlen, dass der Geschädigte immer noch zusätzlich mit seinem Sachbearbeiter bei der Kaskoversicherung spricht, bevor man sich endgültig für diese Abrechnungsart entscheidet, denn es mag Konstellationen geben - seien es auch wenige - in denen einmal der (anteilige) Rückstufungsschaden höher wäre als das, was durch eine dergestalt vorgenommene kombinierte Abrechnung 'zu gewinnen' ist. 

Zudem müssen Sie immer wissen, dass bereits mit Anlegen des Schadens bei der Kaskoversicherung der Rückstufungsschaden eintreten wird und zwar unabhängig davon, ob es sich der Geschädigte später 'anders überlegt'. 

Es gibt hier kein Wahlrecht. Ist der Schaden angelegt, ist die Rückstufung entstanden. Ist man sich daher nicht sicher, möchte sich aber die Möglichkeit der späteren Inanspruchnahme erhalten, empfiehlt es sich, den Kaskoversicherer schon einmal mit allen notwendigen Regulierungsunterlagen 'zu versorgen' (also vor allem das Gutachten, die Reparaturkostenrechnung sowie den Schriftverkehr mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung), aber gleichzeitig sehr deutlich zu machen, dass zunächst einmal bitte noch kein Schaden angelegt werden soll und man sich diesbezüglich wieder zurückmelden würde. 

So erhält man sich die Flexibilität der schnellen Abrechnung bei gleichzeitiger Rechtssicherheit und ohne die Position des Mandanten unabsichtlich verschlechtert zu haben.

Sodann gilt es zu bedenken, dass - wie bereits ausgeführt - im Rahmen der Quote grundsätzlich der Anspruch auf den Kaskoversicherer übergeht. 

Dies bedeutet vor allem, dass der Geschädigte im Rahmen eines späteren Klageverfahrens gegen den Schädiger und seinen Haftpflichtversicherer in Höhe der Regulierung durch die Kaskoversicherung nicht mehr über den Anspruch verfügen kann. 

Ihm fehlt diesbezüglich die Aktivlegitimation. Ein Vorgehen in gewillkürter Prozessstandschaft, also eine Klage im Namen des Mandanten mit dem Ziel der Zahlung an den Kaskoversicherer ist sowohl im Hinblick auf die Finanzierung eines Rechtsstreits durch eine Rechtsschutzversicherung sehr problematisch, als auch schlich aufgrund der Tatsache, dass Kaskoversicherer ein solches Vorgehen in den allermeisten Fällen entschieden ablehnen. 

Der Anwalt, der hier voreilig Klage einreicht kann sich daher schadensersatzpflichtig machen. Dies muss in jedem Fall 'im Auge behalten' werden.

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