Erbrecht -

Bei Erbschaftsausschlagung eines Vorerben wird der als Nacherbe eingesetzte Abkömmling Ersatzerbe

OLG München, Beschl. v. 26.10.2011- 31 Wx 30/11

Schlägt ein Vorerbe die Erbschaft aus und verlangt den Pflichtteil, können seine als Nacherben eingesetzten Abkömmlinge, wenn kein anderer Erblasserwille feststellbar ist, als Ersatzerben nachrücken. Nach § 2320 BGB tragen die Nachrückenden die Pflichtteilslast.

Darum geht es

Der Erblasser hinterließ drei Kinder. Er testierte wie folgt:

„Das Erbe ist nicht zum verschwenderischen Verbrauch gedacht, sondern als Rücklage für unverschuldete Notzeiten: Meine Frau erbt 34 % des Erbes, die drei Kinder je 22 % [...]. Von meinen Kindern sollen blutsverwandte Abkömmlinge erben. Wenn es gesetzlich zulässig ist, sollen die Ehegatten der Kinder von meinem Nachlass nicht erben [...]."

Er ordnete außerdem Testamentsvollstreckung für die Dauer von zehn Jahren an.

Die Ehefrau des Erblassers war bereits vorverstorben. So wäre der Nachlass zunächst zu gleichen Teilen an die drei Kinder gegangen.

Aufgrund der angeordneten Testamentsvollstreckung schlug eines der Kinder jedoch die Erbschaft fristgerecht aus und forderte den Pflichtteil. Die Tochter des ausschlagenden Kindes (die Enkelin des Erblassers) ist nun der Ansicht, dass sie auf diese Weise Miterbin wurde.

Eines der die Erbschaft nicht ausschlagenden Kinder des Erblassers beantragte einen Erbschein, der beide Kinder zu Miterben zu 1/2 ausweist und die Testamentsvollstreckung vermerkte.

Die Kinder sind der Ansicht, dass trotz der Ausschlagung der Schwester und des damit verbunden Pflichtteilsanspruchs die Enkelin nicht an deren Stelle gerückt ist. Wenn ein Abkömmling ausschlägt und seinen Pflichtteil erhält, so sei § 2069 BGB nicht anzuwenden und die Abkömmlinge des Ausschlagenden seien im Zweifel von der Erbfolge ausgeschlossen. Zudem, so argumentieren die Kinder, sei vom Erblasser auch keine Nacherbenfolge angeordnet worden.

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der Kinder zurück und bewilligte einen Erbschein, der die beiden Kinder sowie die Enkelin als Miterben zu 1/3 ausweist mit dem Zusatz, dass bezüglich der Kinder Nacherbfolge und insgesamt Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Hiergegen legten die beiden Kinder des Erblassers Beschwerde ein.

Wesentliche Entscheidungsgründe

ie Beschwerde ist nach Ansicht des OLG München jedoch unbegründet.

Im Wege der Testamentsauslegung ergibt sich die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. Indiz dafür ist der Wortlaut des Testaments: Hiernach sollen von den Kindern des Erblassers blutsverwandte Abkömmlinge, nicht aber die Ehegatten der Kinder erben. Diese Formulierung lässt darauf schließen, dass der Erblasser sicherstellen wollte, dass sein Nachlass in den Händen seiner Blutsverwandtschaft bleibt. Im Testament heißt es zudem, dass die blutsverwandten Abkömmlinge „von" seinen Kindern erben sollen. Der Erblasser wollte nach all dem zwei Erbgänge regeln.

Weiterhin erstreckt sich die Rechtswirkung der Erbschaftsausschlagung eines Vorerben und der damit verbundene Erhalt von Pflichtteilsansprüchen nicht auf dessen Stamm. Ein Rückgriff auf § 2069 BGB ist nicht nötig. Schon die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB legt den Schluss nahe, dass der vom Erblasser bestimmte Nacherbe bei Wegfall des Vorerben an dessen Stelle treten soll. Die Ausschlagung bewirkt lediglich eine zeitliche Vorverlagerung des Eintritts des Nacherbfalls. Sofern kein gegenteiliger Wille des Erblassers festzustellen ist, tritt daher der vom Erblasser eingesetzte Nacherbe gem. § 2102 Abs. 1 BGB als Ersatzerbe an die Stelle des weggefallenen Vorerben.

Folgerungen aus der Entscheidung

Hat ein Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen eine Vor- und Nacherbfolge angeordnet und schlägt einer der Vorerben die Erbschaft gem. § 2306 BGB zur Erlangung des Pflichtteils aus, so ist - wenn kein gegenteiliger Wille des Erblassers feststellbar ist - mit der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB davon auszugehen, dass der Nacherbe des ausschlagenden Vorerben als Ersatz- bzw. Vollerbe an dessen Stelle neben die anderen Vorerben tritt.

Der Rechtsgedanke des § 2320 Abs. 2 BGB verhindert eine eventuell damit verbundene Bevorzugung eines Stammes. Nach dieser Vorschrift ist der für den ausschlagenden Vorerben nachrückende Erbe im Verhältnis zu den Miterben der (Vor-)Erbengemeinschaft alleiniger Träger der Pflichtteilslast bezüglich des Pflichtteils des ausschlagenden Vorerben. Der Nachrückende trägt diese Pflichtteilslast im Innenverhältnis bis zur Höhe des selbst erlangten Vorteils, also dem Wert des erlangten Erbteils zum Zeitpunkt des Erbfalls.

Praxishinweis

Das OLG München weist auf den Rechtsgedanken des § 2320 Abs. 2 BGB lediglich nebenbei hin. Dieser Hinweis ist jedoch bei der Beratung sowohl des ausschlagenden Vorerben, des als Ersatzerbe nachrückenden Nacherben als auch der anderen Vorerben von höchster Bedeutung. Wird diese Vorschrift vom Berater übersehen, so ergeben sich schnell erhebliche Haftungsansprüche.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 03.01.12