Erbrecht -

Erbrechtsreform: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts

Was Sie zukünftig in Ihrem Mandat berücksichtigen müssen.

Bereits Mitte März 2007 hat die Bundesministerin der Justiz anlässlich des 2. Deutschen Erbrechtstags die Eckpunkte einer geplanten Reform des Erbrechts vorgestellt. Inzwischen liegt der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vor.

Dabei wird davon ausgegangen, dass sich das deutsche Erbrecht in seinen Grundzügen bewährt hat. Allerdings enthalte das geltende Recht auf viele Erscheinungen, wie z.B. die zunehmende Zahl von Ehescheidungen, von unverheiratet zusammenlebenden Paaren sowie Patchworkfamilien keine zeitgemäßen Antworten. Deshalb soll das Pflichtteilsrecht modernisiert und die erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgebaut werden. Die geplante Reform vollzieht dabei eine Gratwanderung zwischen den beiden verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Testierfreiheit des Erblassers einerseits und der Mindestbeteiligung der Abkömmlinge und anderer Pflichtteilsberechtigter am Nachlass andererseits.

Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge, Eltern sowie Ehegatten und Lebenspartner des Erblassers auch dann am Nachlass teilhaben, wenn der Erblasser sie durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht in Höhe der Hälfte des Werts des gesetzlichen Anteils. Diese Teilhabe soll durch die Reform nicht berührt werden.

Die wichtigsten Punkte der Reform sind:
  • Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe

  • Erweiterung der Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

  • Umwandlung der starren Ausschlussfrist von zehn Jahren für Schenkungen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch in eine gleitende Ausschlussfrist, sogenannte Pro-Rata-Lösung

  • Ausbau der Stundungsvorschrift

  • Verstärkung des Ausgleichs von Pflegeleistungen bei der gesetzlichen Erbfolge


Daneben nutzt der Entwurf die Chance, das geltende Erbrecht zu modernisieren und zu vereinfachen; gerade auch im Hinblick auf das Verjährungsrecht, welches der Schuldrechtsmodernisierung im Erb- und Familienrecht angepasst wird.

§ 2333 BGB – Pflichtteilsentziehungsgründe
Die Pflichtteilsentziehung ist der schwerste Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Position des Pflichtteilsberechtigten (vgl. BVerfGE 112, 332 = NJW 2005, 1561 = FamRZ 2005, 872 = ZEV 2005, 301 = JZ 2005, 1001 = DNotZ 2006, 60) und gleichzeitig die weitestgehendste Ausübung der Testierfreiheit des Erblassers.

Das geltende Recht stammt – bis auf eine Anpassung in Bezug auf den Entzug des Ehegattenpflichtteils – aus der Zeit des Inkrafttretens des BGB im Jahre 1900. Der Entwurf sieht die Entziehungsgründe zu Recht als nicht mehr zeitgemäß und regelt sie deshalb insgesamt neu.

Eine Pflichtteilsentziehung soll künftig möglich sein

  • bei schwerem Fehlverhalten gegenüber dem Erblasser und ihm nahestehenden Personen sowie bei

  • allgemeinem schweren sozialwidrigen Fehlverhalten.


Der Entwurf unterscheidet zwischen

  • Fehlverhalten, das sich gegen den Erblasser und ihm nahestehende Personen richtet

  • sonstigem schweren Fehlverhalten und

  • gibt die bisherige Differenzierung der vom Fehlverhalten betroffenen Personen (Abkömmling, Eltern und Ehegatten) auf.

Dabei wird der Kreis der vom Fehlverhalten Betroffenen erweitert. Der Entwurf bezieht deshalb die Personen in den Schutzbereich des Pflichtteilsentziehungsrechts ein, deren Verletzung den Erblasser in gleicher Weise wie ein Angriff gegen die bereits jetzt einbezogenen Ehegatten, Lebenspartner oder Abkömmlinge trifft. Es handelt sich hier etwa um Personen, die mit dem Erblasser in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zusammenleben oder auf andere Weise mit ihm eng verbunden sind, z.B. Stief- oder Pflegekinder.

Der Entziehungsgrund der vorsätzlichen körperlichen Misshandlung (§ 2333 Nr. 2 und § 2335 Nr. 2 BGB) wird mangels eigenständigen Anwendungsbereichs gestrichen. Gleichfalls der Entziehungsgrund des Führens eines „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels wider den Willen des Erblassers“ (§ 2333 Nr. 5 BGB).

In § 2333 Nr. 4 BGB wird ein neuer Entziehungsgrund eingeführt. Die Vorschrift soll lauten:
„wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wurde.“

Die Anknüpfung an eine Straftat hat folgende Gründe: Sie erhöht die Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Ordnet der Gesetzgeber die Strafbarkeit eines Verhaltens an, so fällt er ein ethisch-moralisches Unwerturteil über das kriminalisierte Verhalten. Nicht jede Straftat rechtfertigt allerdings auch eine Entziehung des Pflichtteils. Es muss sich um Straftaten handeln, die von erheblichem Gewicht sind und deshalb ein besonders schweres sozialwidriges Fehlverhalten darstellen. Davon ist auszugehen, wenn der Betroffene zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden ist.

Diese Auszüge sind aus: Gottwald/Bock, Praxishandbuch Erbrecht im Deubner Verlag

BT, 07.11.2007: Gegenwärtige Pflichtteilsregelung bei Erbschaften beibehalten

BRAK: Stellungnahme zum Referentenentwurf

Deutsches Notarinstitut: Stellungnahme zum Entwurf

BMJ Pressemitteilung: Pflichtteilsrecht soll reformiert werden

Referentenentwurf zur Erbrechtsreform

zuletzt geändert: am 07.11.2007


Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.02.2007 (- 10 U 111/06 -):

In der aktuellen Entscheidung hat der für Erbrechtsfragen zuständige Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nun angenommen, dass ein Vater seinem Sohn selbst bei einer gegen ihn von seinem Sohn verübten Vermögensstraftat nur bei Vorliegen besonderer Umstände den gesetzlichen Pflichtteil entziehen kann. Das Gericht hat damit der Berufung des Sohnes gegen ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Bochum in einem mit seiner Schwester geführten Prozess stattgegeben.

Volltext

 

Quelle: Uwe Gottwald, Vors. Richter am LG Koblenz - Praxishandbuch Erbrecht vom 16.07.07