Erbrecht -

Gemeinschaftliches Testament

Einheits- und Trennungslösung

Begriff und Bedeutung
In der überwiegenden Zahl gemeinschaftlicher Testamente setzen sich die Eheleute/Lebenspartner gegenseitig zu Erben ein. Meistens beschränken sie sich nicht hierauf, sondern treffen weitergehende Regelungen für den Tod des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners. Häufig werden die gemeinsamen Kinder zu Erben eingesetzt; wenn solche nicht vorhanden sind, werden auch Kinder der Eheleute aus deren früheren Ehen oder andere Verwandte eingesetzt.

Für solche Erbeinsetzungen, die nach dem Tod des Überlebenden wirksam werden sollen, bestehen drei grundsätzliche Möglichkeiten:
  • Die Eheleute/Lebenspartner können den Überlebenden zum Vorerben des Erstversterbenden berufen und die Dritten – z. B. die gemeinsamen Kinder – einerseits zu Nacherben des Erstversterbenden nach dem Tod des Überlebenden und andererseits zugleich zu Erben des Überlebenden einsetzen. Dabei bleiben die Vermögen der beiden Ehegatten/Lebenspartner rechtlich voneinander geschieden und werden nach dem Tod des Überlebenden in zwei getrennten Erbgängen weitervererbt (Trennungslösung).

  • Die Eheleute/Lebenspartner können auch den Überlebenden zum Vollerben des Erstversterbenden einsetzen und die Dritte zu Erben des Überlebenden (sog. Schlusserben). Dann vereinigen sich die beiderseitigen Vermögen in der Hand des Überlebenden und werden geschlossen von diesem weitervererbt (Einheitslösung).

  • Schließlich kommt in Betracht, dass der überlebende Ehegatte/Lebenspartner nur ein Nießbrauchsvermächtnis (§ 1089 BGB i. V. m. §§ 1085 ff., 2147 ff. BGB) erhält, während der Dritte Vollerbe beider Ehegatten/Lebenspartner wird.


Ein gemeinschaftliches Testament, in dem die Einheitslösung angeordnet ist, wird Berliner Testament genannt (§ 2269 BGB). Die Terminologie ist allerdings uneinheitlich; teilweise wird auch jedes Testament so bezeichnet, in dem Dritte nach dem Tode des Überlebenden eingesetzt sind, unabhängig von der Wahl von Einheits- oder Trennungslösung. Überwiegend und auch im Folgenden wird als Berliner Testament jedoch nur dasjenige gemeinschaftliche Testament verstanden, durch das der überlebende Ehegatte zum Vollerben des Erstversterbenden berufen ist und Dritte zu Schlusserben des Überlebenden eingesetzt sind, also das Testament der Einheitslösung.

Unterschiede und Auswirkungen
Welche der Möglichkeiten, Einheits-, Trennungslösung oder Nießbrauchsvermächtnis im Einzelfall vorzuziehen ist, hängt von den näheren Intentionen der Eheleute/Lebenspartner ab.

Die Trennungslösung dient eher dem Erhalt und der Sicherung des Vermögens des Erstversterbenden für die Zeit nach dem Tode des Überlebenden, also meist zugunsten der gemeinsamen Kinder, unterwirft aber andererseits den überlebenden Ehegatten/Lebenspartner den Beschränkungen und Verpflichtungen eines Vorerben mindestens in dem Umfang, in welchem keine Befreiung erteilt werden kann.

Die Einheitslösung verschafft dem Überlebenden die freie Stellung des Vollerben; die nach seinem Tod Bedachten sind hierbei aber nur in geringem Maße vor benachteiligenden Handlungen geschützt.

Die Wahl der Trennungslösung ist wegen der Beschränkungen des Vorerben in Betracht zu ziehen, wenn einer der Ehegatten/Lebenspartner über beträchtliches Vermögen verfügt, während der andere verschuldet ist. Wenn der verschuldete Ehegatte/Lebenspartner den Vermögenden überlebt und als Vorerbe beerbt, ist der Nachlass vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Zwar bleibt die Vollstreckung bis zum Nacherbfall möglich, führt aber nicht zur Verwertung (§773 Abs. 1 ZPO); die Nacherben können notfalls Drittwiderspruchsklage erheben (§ 773 Abs. 2 ZPO). Auch in der Insolvenz der Vorerben dürfen die zum Nachlass gehörigen Gegenstände nicht verwertet werden. Dennoch vorgenommene Zwangsverfügungen sind bei Eintritt des Nacherbfalls den Nacherben gegenüber unwirksam, soweit ihr Recht dadurch vereitelt oder beeinträchtigt ist, § 2115 Satz 1 BGB.

Das Berliner Testament, die Einheitslösung, ist im Allgemeinen Ausdruck des von den Eheleuten/Lebenspartnern einander entgegengebrachten Vertrauens darauf, dass der Überlebende nichts unternehmen werde, um die Stellung der nach seinem Tode bindend Bedachten zu schmälern.

Auslegung
Welche der beiden Möglichkeiten, Einheits- oder Trennungslösung, in dem gemeinschaftlichen Testament gewählt ist, lässt sich oft nicht ohne weiteres feststellen. Daneben muss unter Umständen auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass der Überlebende überhaupt nicht Erbe des Erstversterbenden werden soll, sondern bei Erbenstellung Dritter – der Kinder – mit einem Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass bedacht ist. Bei Zweifeln, ob der Überlebende zum Vorerben des Erstversterbenden eingesetzt oder mit dem Nießbrauch am Nachlass bedacht ist, findet die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB keine Anwendung.

§ 2269 Abs. 1 BGB gilt hingegen, wenn feststeht, dass entweder Einheits- und Trennungslösung gewollt sind, im Zweifel gilt dann die Einheitslösung. Bevor diese Auslegungsregel herangezogen werden kann, muss allerdings das gemeinschaftliche Testament unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten auf seine von den testierenden Eheleuten/Lebenspartnern gewollte Bedeutung hin ausgelegt werden.

Die Wortwahl kann gerade bei privatschriftlichen Testamenten häufig nicht den Ausschlag geben. Die Begriffe Vorerbe und Nacherbe sind ebenso wenig generell geläufig wie die rechtlichen Einzelheiten der unterschiedlichen Erbregelungen.

Die Auslegung muss sich an den im gemeinschaftlichen Testament zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen und Absichten der Eheleute/Lebenspartner orientieren. Wendungen, die darauf hindeuten, dass die Eheleute ihr Vermögen als gemeinsames betrachten und behandeln wollen (etwa „Unser Vermögen“, „der gemeinsame Nachlass“), sprechen für die Einheitslösung. Wird dagegen klar zwischen den beiderseitigen Vermögensmassen unterschieden, kann die Trennungslösung gewollt sein.

Regelungen, die für den Willen sprechen, den Vermögensstamm (etwa Grundstücke) der Familie zu erhalten, deuten ebenso auf die Trennungslösung hin wie solche, die dem Überlebenden Beschränkungen (z. B. ein Veräußerungsverbot) oder Rechenschaftspflichten gegenüber den nach seinem Tode Bedachten auferlegen. Umgekehrt spricht die Betonung der Verfügungsfreiheit des Überlebenden für die Einheitslösung; beispielsweise kann der Ausdruck „Universalerbe“ so gemeint sein.

Dass bei verbleibenden Zweifel, ob Einheits- oder Trennungslösung gewollt ist, nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB die Einheitslösung gilt, hat Auswirkungen auf die Beweislast. Derjenige, der das Testament entgegen § 2269 Abs. 1 BGB ausgelegt wissen will, muss den Willen der Testierenden zur Wahl der Trennungslösung bzw. die zu dieser Auslegung führenden Umstände beweisen.

Auszug aus Praxishandbuch Erbrecht, Fritz/Bünger/Gottwald/Bock, Deubner Verlag  

Quelle: Uwe Gottwald, Vorsitzender Richter am Landgericht Koblenz - Praxishandbuch Erbrecht Deubner Verlag vom 06.09.07