Erbrecht -

Grundstücksveräußerung: Anspruch des befreiten Vorerben auf Zustimmung des Nacherben

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.04.2011 – 4 U 78/10

Der befreite Vorerbe kann gem. § 2120 BGB analog vom Nacherben die Zustimmung zu der Veräußerung eines Grundstücks verlangen, wenn dies vom Vertragspartner des Vorerben gefordert wird.

Darum geht es:

Die Klägerin ist befreite Vorerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann. Sie nimmt den Nacherben des Ehemanns als Beklagten auf Zustimmung zur Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Eigentumswohnung sowie der Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch in Anspruch.

Das LG wies die entsprechende Klage ab und führte in seiner Begründung aus, dass der Vorerbin kein Anspruch auf Zustimmung zustehe, da keine Zweifel an der Vollentgeltlichkeit der beabsichtigten Wohnungsveräußerung ersichtlich seien. Die Vollentgeltlichkeit und damit das Nichtvorhandensein einer zustimmungspflichtigen Schenkung habe der Nacherbe mehrfach unstreitig gestellt.

Nachdem die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt hatte, veräußerte sie das Wohnungseigentum. Die Erwerberin verzichtete auf die vorherige Löschung des Nacherbenvermerks. Nach entsprechendem Hinweis des OLG wurde daraufhin die Hauptsache von den Parteien insoweit für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragte nunmehr festzustellen, dass die Veräußerung des Wohnungseigentums an die Käuferin vollentgeltlich erfolgte und dem Beklagten keine Ansprüche auf Geltendmachung der Unwirksamkeit der Verfügung zustehen.
Das Feststellungsinteresse folgt nach Ansicht der Klägerin daraus, dass der Beklagte sowohl vorprozessual als auch nach der Klageerhebung durch sein Verhalten und Vorbringen Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten geschürt habe. Zudem habe der Beklagte die Kosten des einstimmig für erledigt erklärten Teils der Klage zu tragen. Entgegen der landgerichtlichen Auffassung hätten durchaus Zweifel an der Vollentgeltlichkeit des Kaufangebots bestanden.

Der Beklagte stimmte der Teilerledigungserklärung zu und beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Ansicht, dass keine Zweifel an der Vollentgeltlichkeit bestanden haben. Zudem hat das Grundbuchamt inzwischen die neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen und den Nacherbenvermerk gelöscht.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar ist die Klageänderung gemäß § 533 ZPO zulässig, jedoch fehlt der Feststellungsklage das Feststellungsinteresse. Dem subjektiven Recht der Klägerin droht keine gegenwärtige Gefahr wegen eventueller Zweifel an der Vollentgeltlichkeit. Auch ist für die Klägerin als befreite Vorerbin keine Zustimmung des Nacherben erforderlich. Durch die Befreiung i.S.d. § 2136 BGB kann sie jederzeit entgeltlich über Nachlassgegenstände verfügen. Nur unentgeltliche Verfügungen – also Schenkungen –bedürfen gem. §§ 2136, 2113 Abs.2 BGB der Zustimmung des Nacherben.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich der Beklagte auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht auf eine (teilweise) Unentgeltlichkeit berufen wird. Allein der im Verhältnis zum Kaufpreis niedrigere Verkaufspreis und ein Schreiben des Beklagten, in dem er sich über die Wirtschaftlichkeit des Verkaufs informiert, reichen für eine entsprechende Vermutung nicht aus. Da es also keine ernstzunehmenden Zweifel an der Vollentgeltlichkeit der Verfügung gibt, fehlt es an einem Feststellungsinteresse.

Die Kosten der ersten Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens bis zur teilweisen Erledigungserklärung und der damit verbundenen Klageänderung hat gem. § 91a ZPO der Beklagte zu tragen.

Der Beklagte wäre, hätte die zwischenzeitliche Veräußerung der Eigentumswohnung nicht stattgefunden, in Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zustimmung zur Veräußerung verurteilt worden. Der Anspruch auf Zustimmungserteilung ergibt sich aus § 2120 BGB analog. Die Kaufinteressentin hatte im notariell beurkundeten Verkaufsangebot den Kauf der Eigentumswohnung zunächst davon abhängig gemacht, dass „der Notar den Eingang der Löschungsdokumente der beiden Nacherben … bestätigt hat und damit die Löschung des Nacherbenvermerks sichergestellt ist“. Da es sich hierbei um eine echte Gestaltungsbedingung handelt, war der Vorerbe auf die Einwilligung des Nacherben angewiesen und der Schutzbereich des § 2120 BGB eröffnet.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Einwilligungspflicht gem. § 2120 BGB soll eigentlich nur den Nacherben gegenüber dem nicht befreiten Vorerben treffen. Der befreite Vorerbe bedarf bei entgeltlichen Verfügungen nur der Zustimmung durch den Nacherben, wenn diese zumindest teilweise unentgeltlich erfolgen.

Rechtsprechung und Literatur wenden nun teilweise § 2120 BGB auch bei entgeltlichen Verfügungen des befreiten Vorerben analog an, wenn sich der befreite Vorerbe gegenüber Dritten legitimieren muss und zum Legitimationsnachweis eine Zustimmungserklärung des Nacherben benötigt. Demnach kann in der Praxis der befreite Vorerbe die Zustimmung vom Nacherben verlangen,

  • wenn der befreite Vorerbe gegenüber dem Grundbuchamt den Nachweis der vollen Entgeltlichkeit der Veräußerung oder der Zustimmung durch den Nacherben erbringen muss,
  • wenn zweifelhaft ist, ob eine Zustimmung nötig ist oder
  • wenn der Vertragspartner des Vorerben es zu einer Bedingung für den Vertragsschluss gemacht hat, dass die Zustimmung vom Nacherben erteilt wird.


Ein bloßes Verlangen des Vertragspartners soll dagegen nicht ausreichen.

Ist der Vorerbe nicht befreit, kommt eine Einwilligungspflicht gem. § 2120 BGB immer dann zum Tragen, wenn die Verfügung für eine ordnungsgemäße Verwaltung erforderlich ist.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 22.07.11