Erbrecht -

Hausgeldschulden als Nachlassverbindlichkeiten

BGH, Urt. v. 04.11.2011 - V ZR 82/11

Hat der Testamentsvollstrecker innerhalb einer Dauertestamentsvollstreckung mit Mitteln des Nachlasses eine Eigentumswohnung für den Nachlass gekauft, so sind die während der Testamentsvollstreckung fällig werdenden Hausgeldschulden Nachlassverbindlichkeiten.

Darum geht es

Die 2008 verstorbene Erblasserin hat mit notariellem Testament ihren Enkel als Alleinerben eingesetzt. Sie hat bis Ende 2022 eine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet und verfügt, dass der Testamentsvollstrecker bei Bedarf für den erbenden Enkel von ihrem Vermögen eine Eigentumswohnung kaufen solle. So erwarb der beklagte Testamentsvollstrecker Mitte 2008 für den Erben eine Eigentumswohnung in einer Wohnanlage.

Im Grundbuch wurde der Enkel als Wohnungseigentümer eingetragen. Zudem wurde ein Testamentsvollstreckervermerk aufgenommen.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft erwirkte gegen den Enkel rechtskräftige Vollstreckungsbescheide wegen rückständiger Hausgeldforderungen. Nachdem die Zwangsvollstreckung in die Eigentumswohnung nicht gelang, verlangt die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nunmehr vom Testamentsvollstrecker die Zahlung der titulierten Forderung sowie von weiterem, noch nicht tituliertem Hausgeld.

Das Amtsgericht hat den Testamentsvollstrecker verurteilt, die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu dulden und weiteres Hausgeld an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlen. Die Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die hiergegen vom beklagten Testamentsvollstrecker eingelegte Revision wurde zugelassen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Tatsacheninstanzen haben die Hausgeldschulden zu Recht als Nachlassschulden angesehen, da

  • die vom Testamentsvollstrecker erworbene Eigentumswohnung zum Nachlass gehört,
  • diese der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterliegt und zudem 
  • die Hausgeldschulden Nachlassverbindlichkeiten darstellen.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft konnte die Hausgeldschulden daher sowohl gegen den Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen, siehe auch § 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Eigentumswohnung gehört zum Nachlass. Insbesondere durch die angeordnete Dauertestamentsvollstreckung bildet der Nachlass ein Sondervermögen, auf das die dingliche Surrogation i.S.d. § 2041 Satz 1 BGB analog anzuwenden ist. Da die Eigentumswohnung mit Mitteln aus dem Nachlass erworben wurde, wurde sie auch Bestandteil des Nachlasses.

Da der Testamentsvollstrecker im Rahmen der Nachlassverwaltung Verbindlichkeiten eingegangen ist, sind die Hausgeldschulden auch Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB. Hinzu kommt, dass nicht die Erben sondern der Testamentsvollstrecker im Rahmen der Nachlassverwaltung ein Stimmrecht hat.

Folgerungen aus der Entscheidung

In der Literatur und in der Rechtsprechung werden die Hausgeldschulden einer im Wege der Erbfolge erworbenen Eigentumswohnung überwiegend als Nachlassverbindlichkeiten angesehen - selbst dann, wenn sie erst nach dem Erbfall fällig werden und der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft erst nach dem Erwerb der Eigentumswohnung durch die Erben erfolgte.

Umstritten ist lediglich, ob sie reine Nachlassschulden (lediglich der Nachlass haftet) oder Nachlasserbenschulden (der Nachlass und der Erbe persönlich haften) darstellen. Auch der BGH hat vorliegend diese Frage offen gelassen. Er hat lediglich verneint, dass Hausgeldschulden eine reine Eigenschuld der Erben (nur der Erbe persönlich haftet) sind, wenn Dauertestamentsvollstreckung angeordnet ist und die Eigentumswohnung vom Testamentsvollstrecker für die Erben verwaltet wird. Schon deshalb ging er von einer Haftung des Nachlasses und damit von einem Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker aus.

Praxishinweis

Gemäß § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten. Bis zu einer eventuellen Beschränkung der Haftung steht den Gläubigern das Gesamtvermögen, also Nachlass und Eigenvermögen, für einen Zugriff offen.

Folgende Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung hat der Erbe:

  • Ausschlagung der Erbschaft bei klar überschuldetem Nachlass,
  • Dreimonatseinrede (der Erbe kann bis drei Monate nach Annahme der Erbschaft die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten verweigern),
  • Nachlassinsolvenzverfahren (Überschuldung des Nachlasses steht fest),
  • Nachlassverwaltung (Gefahr der Überschuldung des Nachlasses),
  • Aufgebotsverfahren (Ziel: Haftungsbeschränkungsmöglichkeit gegenüber sich nicht meldenden Gläubigern),
  • Dürftigkeitseinrede (wenn mangels Masse das Nachlassinsolvenzverfahren eingestellt bzw. die Nachlassverwaltung aufgehoben wird oder ein Nachlassinsolvenzverfahren untunlich ist).

 

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 28.02.12