Erbrecht -

Nießbrauch aus Zuneigung ist an die Erben herauszugeben

Die Anerkennung einer Schenkung setzt ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers voraus.

Für die Annahme eines solchen Eigeninteresses reicht es nicht aus, wenn der Erblasser durch seine Schenkung nur seiner Zuneigung zum Beschenkten Ausdruck verleihen oder diesen versorgt wissen möchte. Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei dem Beschenkten um den neuen Ehegatten des Erblassers handelt.

Im vorliegenden Fall hatte das OLG Celle zu entscheiden, ob es sich bei der Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchsrechts an die zweite Ehefrau des Erblassers um eine beeinträchtigende Schenkung i.S.v. § 2287 BGB gegenüber dessen testamentarisch bedachten Kinder handelt.

Das Gericht bejahte diese Frage.

Zwar muss die von § 2287 BGB geforderte Beeinträchtigungsabsicht nicht das treibende Motiv für die Schenkung gewesen sein.

Um anerkannt zu werden, setzt eine (beeinträchtigende) Schenkung allerdings ein Eigeninteresse des Erblassers im Sinne einer sittlichen Verpflichtung seinerseits voraussetzt, die sich nur aus besonderen Leistungen, Opfern oder Versorgungszusagen ergibt, die der Beschenkte für den Erblasser erbracht hat (BGHZ 59, 343, 350).

Ein solches lebzeitiges Eigeninteresse ist nur dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der testamentarischen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Entscheidend ist, ob die Gründe des Erblassers für die Schenkung solcher Art sind, dass der durch gemeinschaftliches Testament bindend bedachte Erbe sie anerkennen und die sich aus der Schenkung ergebende Benachteiligung hinnehmen muss.

Für die Annahme eines solchen Eigeninteresses reicht es nicht aus, wenn der Erblasser durch seine Schenkung nur seiner Zuneigung zum Beschenkten Ausdruck verleihen möchte, zu dem er nach dem Tode des Ehegatten enge persönliche Bindungen entwickelt, selbst dann nicht, wenn es sich um seinen neuen Ehegatten handelt (Palandt/Edenhofer, § 2287 Rn. 7).

Das Interesse des Erblassers, seine zweite Ehefrau im Alter angesichts ihrer bescheidenen Erwerbsunfähigkeitsrente finanziell abzusichern reicht dazu nicht aus, da es dem Erlasser im diesem Fall allein um das Wohl der Bedachten geht. Entscheidend ist, dass das Nießbrauchsrecht für die Zeit nach dem Tode des Erblassers nicht mit irgendwelchen Leistungen zu seinen Gunsten zu Lebzeiten verknüpft war.

In eine Abwägung der widerstreitenden Interessen sind beispielsweise Pflegeleistungen oder sonstige Zuwendung des Bedachten einzubeziehen. Auf der anderen Seite müssen berechtigte Interessen und nachvollziehbare Erwartungen von Ehegatten im Zeitpunkt der Abfassung eines gemeinschaftlichen Testaments zugunsten der jeweils bedachten Erben mit in die Abwägung einfließen. Derartige Interessen, die sich die Ehegatten zu Eigen machen und an die sie in der Folgezeit gebunden sind, verdrängen die Interessen Dritter, die weder an der Bildung des ererbten Vermögens teilhaben noch in sonstiger Weise Eigeninteressen des überlebenden Ehegatten begründen.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht daher berücksichtigt, dass das gemeinsame Vermögen der Eltern der klagenden Erben nach dem Tod des jeweils überlebenden Ehegatten den gemeinsamen Kindern und gerade nicht einem Dritten zugute kommen sollte, der an der Erarbeitung dieses Vermögens keinen Anteil hatte und dessen Nießbrauchsrecht die Immobilie entwerten würde.

Daher musste die Beklagte das ihr eingeräumte lebenslange Nießbrauchsrecht an dem streitigen Hausgrundstück unter dem Gesichtspunkt beeinträchtigender Schenkung herausgeben und die Nutzungen aus dem Nießbrauchsrecht zu erstatten.

Quelle: Deubner Redaktion - Urteilszusammenfassung vom 02.08.06