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Testament verschwunden: OLG klärt Folgen

Das OLG Köln hat entschieden, dass bei einem verschwundenen Testament keine Vermutung dafür besteht, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb nach § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist – und hat dem Nachlassgericht insoweit widersprochen. Dementsprechend kann auch die Kopie eines im Original formwirksam errichteten Testaments ggf. zum Nachweis einer Erbenstellung ausreichen.

Sachverhalt

Die Erblasserin errichtete zunächst zwischen 1968 und 1993 verschiedene Verfügungen von Todes wegen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann errichtete sie am 09.02.1995 das folgende, wörtlich wiedergegebene notarielle Testament:

„ ... Sie erklären, ein gemeinschaftliches, wechselbezügliches Testament (hervorgehoben im Original) errichten zu wollen. Wir nehmen Bezug auf den Erbvertrag vom 25.04.1990 ... sowie auf die diesbezügliche Ergänzungsverhandlung vom 13.09.1993 ... Die vorbezeichneten letztwilligen Verfügungen heben wir hiermit auf. Wir nehmen gleichzeitig Bezug auf die Erbverzichtsverträge mit Abfindungsvereinbarung, die ich, der Erschienene, Dr. med. H G, mit meinem Sohn B G, ... , und ich, Frau N G ... mit meiner Tochter S B, ..., geschlossen haben. Wir widerrufen äußerst vorsorglich auch jede eventuelle andere heute nicht erwähnte früher errichtete letztwillige Verfügung gleich welcher Art und erklären unseren letzten Willen nunmehr wie folgt:

§ 1 Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen Erben ein.
§ 2 Zu unserem Erben nach dem Tode des Längstlebenden von uns berufen wir beide die E L e.V. in C2 bzw. deren eventuelle NachfolHanisationen.
§ 3 Weitere Anordnungen treffen wir nicht.“

Vor Errichtung dieses Testaments hatten die Erblasserin mit ihrer Tochter und der Ehemann der Erblasserin mit seinem Sohn jeweils Erbverzichtserträge mit Abfindungsvereinbarungen geschlossen. Nach dem Tod ihres Ehemannes im Februar 2014 errichtete sie am 30.05.2014 ein Testament, indem sie sämtliche vorhergehenden Verfügungen von Todes wegen aufhob und ihr Enkelkind als Alleinerben einsetzte. In der Vorbemerkung dieses Testaments heißt es wörtlich wie folgt:

„Ich habe gemeinsam mit meinem inzwischen verstorbenen Ehemann ... ein gemeinschaftliches Testament errichtet, das in § 2 die Einsetzung der E L e.V. in C2 als unseren Erben nach dem Tod des Längstlebenden von meinem Ehemann und mir vorsieht.

Damit sollte allerdings keine Einschränkung meiner Testierfähigkeit nach dem Tode meines Ehemannes verfügt werden. Wenn mein Ehemann und ich dies gewollt hätten, hätten wir dies in dem notariellen Testament so ausdrücklich bestimmt. Auch verweise ich auf die Rechtsprechung, wonach bei der Einsetzung einer gemeinnützigen oder caritativen Organisation als Schlusserbe von einer Wechselbezüglichkeit dieser Erbeinsetzung nicht ausgegangen werden kann ...“

Der E L e.V. beantragte auf der Grundlage des Testaments vom 09.02.1995 einen Alleinerbschein. Das Nachlassgericht gab dem Antrag statt. Die Beschwerde des Enkels blieb erfolglos.

Nachdem das Nachlassgericht daraufhin den Erbschein erteilt hatte, beantragte der Enkel einen Erbschein, der ihn als Erben auswies. Er legte dem Nachlassgericht die Kopie eines weiteren, im Original nicht mehr auffindbaren Testaments der Eheleute vom 26.04.2011 vor. Diese Testamentskopie wurde vom Nachlassgericht eröffnet. Darauf hat der Enkel die Einziehung des Erbscheins beantragt.

Zur Begründung führte dieser an, dass das Testament vom 26.04.2011 seine Einsetzung als Alleinerben beinhalte und damit zugleich einen Widerruf der Einsetzung des E L e.V. durch das Testament vom 09.02.1995.Nach Auffassung des Enkels stehe der Wirksamkeit dieses Testamentes nicht entgegen, dass das Original nicht aufzufinden sei. Ein Vernichtungswille der Erblasserin und ihres Ehemannes sei jedenfalls nicht feststellbar.

Das Nachlassgericht hat den Antrag des Enkels zurückgewiesen. Es ist nicht davon überzeugt, dass das in Kopie vorgelegte Testament noch Geltung haben soll. Gegen diesen Beschluss legte der Enkel ebenfalls Beschwerde ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Diese Beschwerde hat vorläufigen Erfolg. Das OLG Köln hob die Sache auf und verwies sie zurück an das Nachlassgericht. Es führt wie folgt aus: „Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Es besteht im Falle der Unauffindbarkeit eines Testaments auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist.“

Weiterhin führt das OLG Köln aus, dass auch (Original-)Testamente unbeabsichtigt verlegt oder entsorgt und später zufällig wiedergefunden werden können. Aus diesem Grund durfte das Nachlassgericht nicht offenlassen, ob das Testament der Eheleute vom 26.04.2011 wirksam errichtet worden ist.

Folgerungen aus der Entscheidung

Nunmehr hat das Nachlassgericht nochmals zu ermitteln, ob das Testament der Eheleute vom 26.04.2011 wirksam errichtet worden ist. Die Beweis- bzw. Feststellungslast obliegt dem Enkel, der sich auf das nicht mehr auffindbare Testament beruft. Er hat die formgültige Errichtung und den Inhalt zu beweisen. Eine Kopie kann aber nach Ansicht des OLG Köln ausreichen. Gegebenenfalls ist durch ein graphologisches Gutachten zu prüfen, ob das Testament im Original von den Eheleuten geschrieben und unterschrieben worden ist.

Praxishinweis

Grundsätzlich besteht für alle Verfügungen von Todes wegen gem. § 2259 BGB eine Ablieferungspflicht. Es spielt hierbei keine Rolle, ob eine formwirksame Errichtung stattfand. Kann ein Original nicht mehr aufgefunden werden, ist auch eine Abschrift zum Beweis des Inhalts beim Nachlassgericht abzugeben.

OLG Köln, Beschl. v. 02.12.2016 - 2 Wx 550/16

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold