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Haftung des Geschäftsführers bei Insolvenz

Wann haftet der Geschäftsführer einer GmbH bei einer vermeintlichen Insolvenz der Gesellschaft? Der BGH hat die Grundsätze für die Geschäftsführerhaftung konkretisiert. Demnach kann die Zahlung auf ein debitorisches Konto der Haftung des Geschäftsführers entgegenstehen. Klarheit über die mögliche Zahlungsunfähigkeit einer GmbH kann eine Liquiditätsbilanz geben.

Sachverhalt

Eine GmbH wurde insolvent und der Insolvenzverwalter verlangte vom Geschäftsführer gem. § 64 GmbHG Zahlungen, die nach Insolvenzreife über ein debitorisches Geschäftskonto der GmbH geleistet wurden bzw. eingegangen sind. Der Bank waren sicherheitshalber sämtliche Forderungen der GmbH aus Lieferungen abgetreten worden.  Das LG München I hat der Klage mit Urteil vom 07.01.2013 (15 HKO 6647/12) stattgegeben. Das OLG München hat die Berufung des Geschäftsführers mit Urteil vom 06.11.2013 (7 U 571/13) zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies das Verfahren zurück.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Nach Ansicht des BGH war nach den Feststellungen der Vorinstanzen unklar, ob überhaupt von einer Zahlungsunfähigkeit zum behaupteten Zeitpunkt auszugehen war und ob der Geschäftsführer zu diesem Zeitpunkt die geleisteten Zahlungen schuldhaft vorgenommen hat. Daher hat der BGH die Berufung aufgehoben und zurückverwiesen. Dennoch hat er die Grundsätze konkretisiert, wann von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist und unter welchen Voraussetzungen dann der Geschäftsführer haftet.

Folgerungen aus der Entscheidung

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt die andauernde Nichtzahlung erheblicher Verbindlichkeiten grundsätzlich zur Annahme der Zahlungseinstellung und damit zur Zahlungsunfähigkeit – es sei denn, dass zum fraglichen Zeitpunkt aufgrund konkreter Umstände, die sich auch nachträglich geändert haben können, angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ist hingegen von einer Zahlungseinstellung auszugehen, kann die Zahlungsunfähigkeit gleichwohl widerlegt werden, wenn eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum eine Deckungslücke von weniger als 10 % ausweist.

In eine solche Bilanz sind auf der Aktivseite neben den verfügbaren Zahlungsmitteln auch die Mittel aufzunehmen, die innerhalb von drei Wochen flüssig zu machen sind, wozu auch kurzfristig verfügbare Kreditmittel zu zählen sind. Auch die Zahlungszusage der Gesellschafter zur Erfüllung der jeweils fälligen Verbindlichkeiten kann die Zahlungsunfähigkeit der GmbH vermeiden. Dies setzt jedoch voraus, dass der GmbH ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird oder die Gesellschafter dieser Verpflichtung tatsächlich nachkommen.

Ergibt die Liquiditätsbilanz eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Unterdeckung von 10 % oder mehr, ist grundsätzlich von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen. Eine Ausnahme bildet eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass die Liquiditätslücke zwar erst mehr als drei Wochen später, aber in absehbarer Zeit vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Ist die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife gegeben, haftet der Geschäftsführer für die von ihm veranlassten Zahlungen, sofern er die Vermutung, er habe schuldhaft gehandelt, nicht widerlegt. Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Wenn der Geschäftsführer erkennt, dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz mit den eben genannten Vorgaben zu überprüfen.

Erweisen sich hierbei angestellte Prognosen nach Ablauf des maßgebenden Zeitraums von drei Wochen als unzutreffend und besteht statt einer angenommenen Zahlungsstockung bereits Zahlungsunfähigkeit, können zwischenzeitliche Zahlungen, die in der vertretbaren Annahme fortbestehender Zahlungsfähigkeit erbracht worden sind, unverschuldet sein. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss.

Dabei muss er sich, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, ggf. fachkundig beraten lassen. Der Geschäftsführer, der selbst nicht hinreichend sachkundig ist, ist nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen war.

Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Dabei reicht es aus, wenn der Geschäftsführer auch durch eine nicht ausdrücklich auf die Prüfung der Insolvenzreife bezogene Auftragserteilung an einen sachkundigen Dritten entlastet wird, falls er sich nach den Umständen der Auftragserteilung unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt darauf verlassen durfte, die Fachperson werde im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die Frage der Insolvenzreife rechtzeitig prüfen und ihn gegebenenfalls unterrichten.

Falls zu dem fraglichen Zeitpunkt nach noch zu treffende Feststellungen des Berufungsgerichts Zahlungsunfähigkeit gegeben sein sollte, sind die Zahlung von einem debitorisch geführten Bankkonto kein bloßer für die Gemeinschaft der Gläubiger unschädlicher Gläubigertausch, wenn die Bank über freie Sicherheiten verfügt, die sie zu einer abgesonderten Befriedigung berechtigen. Im Gegensatz dazu sind die auf dem Konto eingegangenen Zahlungen nicht ohne weiteres als Zahlungen i.S.v. § 64 Satz 1 GmbHG zu werten. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist zwar grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung i.S.v. § 64 Satz 1 GmbHG, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zugunstender Bank geschmälert wird.

Allerdings können die mit der Bank abgeschlossenen Globalabtretungsverträge die Annahme masseschmälernder Zahlungen durch die Einziehung  von Forderungen auf das debitorisch geführte Konto ausschließen. Das ist der Fall, wenn vor Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist. Insoweit ist der Geschäftsführer zur Vermeidung einer Haftung nicht verpflichtet, Forderungen ungeachtet der bestehenden Einziehungsermächtigung nicht durch Einziehung auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank der Einziehung und Verrechnung auf dem debitorischen Konto zu entziehen. Denn ein solches Verhalten entspricht nach der Ansicht des BGH nicht einem ordentlichen Geschäftsgebaren.

Weil den Gläubigern die eingezogene Forderung infolge der Sicherungsabtretung nicht mehr als freie Masse zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung stand, verlangt auch der Zweck des Zahlungsverbots, die vorhandene Masse zu sichern, nicht, die Zahlung einzubehalten. Wenn allerdings die vor Insolvenzreife zur Sicherheit abgetretene zukünftige Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden ist oder wenn sie zwar vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden, aber erst danach werthaltig geworden ist und der Geschäftsführer die Entstehung der Forderung oder deren Werthaltigwerden hätte verhindern können, liegt eine masseschmälernde Leistung durch die der Bank zugutekommende Zahlung grundsätzlich vor.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass sich der Geschäftsführer einer GmbH, die sich möglicherweise in der Krise befindet, genau über eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der GmbH informiert. Was er dazu machen muss, hat der BGH nun detailliert dargelegt. Hält der Geschäftsführer diese Vorgaben nicht ein, erhöht dies sein Haftungsrisiko erheblich. Aus diesem Grunde ist diese Entscheidung für die Praxis der Geschäftsführer, aber auch der Insolvenzverwalter wichtig.

BGH, Urt. v. 26.01.2016 - II ZR 394/13

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz