Sonstige Themen -

Gesellschafterbeschlüsse: Formelle Voraussetzungen

Gesellschafterbeschlüsse, die in Räumen eines verfeindeten Gesellschafters gefasst werden, sind in der Regel wirksam, aber anfechtbar, sofern ein bestimmtes Beschlussergebnis festgestellt ist. Voraussetzung für den Beginn des Fristlaufes von einem Monat für Anfechtungsklagen gem. § 241 AktG ist die förmliche Feststellung des Beschlusses. Das hat der BGH entschieden.

Sachverhalt

Die beiden Gesellschafterinnen einer GmbH, die die Komplementärin einer GmbH & Co. KG war, waren gleichzeitig die beiden einzigen Kommanditistinnen der KG. Die GmbH wurde gemeinschaftlich durch die beiden Gesellschafterinnen als Geschäftsführer vertreten. Nach einem Zerwürfnis der beiden Gesellschafterinnen wurde der Geschäftsbetrieb nicht aufgenommen. Stattdessen beantragte die eine Gesellschafterin (A) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH und der KG, während die andere Gesellschafterin (B) dies ablehnte und die von A geltend gemachten Forderungen gegenüber der GmbH bestritt.

A lud B zu einer Gesellschafterversammlung in die Büroräume der Schuldnerin und für den Fall, dass der Zutritt zu diesen Räumen durch den Vermieter – den Ehemann der B – verweigert werde, in die Wohnung von A ein. Einziger in der Ladung angegebener Tagesordnungspunkt war die Abberufung von B als Geschäftsführerin aus wichtigem Grund. B widersprach der Einladung in die Wohnung von A, weil sie dort die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung für nicht zumutbar hielt. Dennoch fand die Gesellschafterversammlung in der Wohnung von A in Abwesenheit von B statt, die als Geschäftsführerin abberufen wurde. Daraufhin beantragten GmbH und KG, vertreten durch A als Geschäftsführerin, die eröffneten Insolvenzverfahren einzustellen. Diese Anträge wies das AG wegen fehlender Vertretungsmacht als unzulässig zurück. Dagegen erhoben beide Gesellschafter die Rechtsbeschwerde.

Das AG Bielefeld ging mit Entscheidung vom 20.01.2015 (43 IN 958/13) wie auch das LG Bielefeld mit Entscheidung vom 14.04.2015 (23 T 134/15) von der mangelnden Vertretung der Gesellschaften aus. Der BGH teilte diese Ansicht nicht und verwies die Sache zurück.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Durch die Insolvenzeröffnung wird die Rechtsstellung der organschaftlichen  Vertreter einer Gesellschaft grundsätzlich nicht berührt. Mehrere Mitglieder des Vertretungsorgans sind nach Maßgabe der bis zur Verfahrenseröffnung geltenden Regelungen vertretungsbefugt. Sofern gesetzlich (§ 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG) oder kraft Gesellschaftsvertrages Gesamtvertretung besteht, gelten auch diese Regeln im Insolvenzverfahren grundsätzlich fort. Das Insolvenzgericht kann sich grundsätzlich auf die Eintragungen im Handelsregister verlassen. Dennoch ist der Beweis der Unrichtigkeit des Registers möglich. Durch den in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschluss wurde die Abberufung von B als Geschäftsführerin mit sofortiger Wirkung beschlossen.

Dieser Abberufungsbeschluss ist jedenfalls nicht deswegen gem. § 241 Nr. 1 AktG nichtig, weil die Gesellschafterversammlung in die Wohnräume von A einberufen worden ist. Allerdings ist ein in einer Gesellschafterversammlung gefasster Beschluss gem. § 241 Nr. 1 AktG u.a. nichtig, wenn der Einberufungsmangel einer Nichtladung der Gesellschafter gleichkommt. Dies ist der Fall, wenn eine Ladung dem Gesellschafter seine Teilnahme in einer Weise erschwert, die der Verhinderung seiner Teilnahme gleichsteht.

Soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, ist der ordnungsgemäße Versammlungsort grundsätzlich entsprechend § 121 Abs. 5 AktG der Sitz der Gesellschaft, wobei die Räumlichkeiten der Gesellschaft im Fall ihrer Eignung als Versammlungslokal der Wahl angesehen werden. Falls am Sitz der Gesellschaft kein geeignetes Versammlungslokal vorhanden ist oder die Verkehrsverbindung dorthin gestört ist, kann zumindest bei einer Gesellschaft mit einem überschaubaren Gesellschafterkreis oder auch ein Ort gewählt werden, von dem von vornherein feststeht, dass er die Teilnahme nicht erschwert.

Die Privatwohnung, in die zur Gesellschafterversammlung eingeladen worden war, ist jedoch ein für B unzumutbarer Versammlungsort. Der an einem unzulässigen Versammlungsort gefasste Gesellschafterbeschluss, B als Geschäftsführerin abzuberufen, war deswegen mit einem Verfahrensmangel behaftet. Aber weil die Gesellschafterversammlung zunächst am Sitz der Gesellschaft und nur hilfsweise in der Privatwohnung stattfinden sollte, wurde B durch den Ladungsmangel nicht in einer Weise an der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung gehindert, dass dies ihrer Nichtladung gleichstünde. Weil B eine Anfechtungsklage gegen den gefassten Abberufungsbeschluss nicht erhoben hat und die Anfechtungsfrist bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Insolvenzgerichts abgelaufen war, ist der Abberufungsbeschluss – wenn förmlich festgestellt – trotz der bestehenden Ladungsmängeln endgültig wirksam und für alle Beteiligten verbindlich.

Jedoch sind  die Vorschriften der §§ 241 ff AktG nur dann entsprechend heranzuziehen, wenn das rechtliche Beschlussergebnis förmlich festgestellt worden ist. Fehlt es an einer  förmlichen Beschlussfeststellung, ist es dem betroffenen Gesellschafter unbenommen, die  Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Beschlusses durch eine Beschlussfeststellungsklage nach § 256 ZPO feststellen zu lassen, die nicht fristgebunden ist. Weil aber Feststellungen zur Feststellung des Beschlussergebnisses fehlten, hob der BGH die Entscheidung auf und verwies sie zurück.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das LG wird also klären müssen, ob der Abberufungsbeschluss förmlich festgestellt worden ist. Falls dies der Fall sein sollte, kann der Abberufungsbeschluss nur durch die kassatorisch wirkende Anfechtungsklage beseitigt werden. Dann ist es unerheblich, dass zum Zeitpunkt, als A für die GmbH den Einstellungsantrag gestellt hatte, die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn jedenfalls mit Ablauf der Anfechtungsfrist vor der Entscheidung durch das Insolvenzgericht ist der Abberufungsbeschluss mangels Anfechtung endgültig wirksam geworden. A wäre damit zur alleinigen Antragstellung berechtigt gewesen. Denn die Voraussetzungen der Antragsberechtigung müssen erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Beschwerdeinstanz vorliegen.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass ein in der Gesellschafterversammlung gefasster Beschluss förmlich festgestellt wird. Denn ansonsten beginnt die Frist von einem Monat analog § 241 AktG nicht zu laufen, und es kann eine zeitlich unbegrenzte (allgemeine) Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben werden, die lediglich der Verwirkung unterliegt. Verwirkung tritt allerdings recht selten ein, sodass die allgemeine Feststellungsklage praktisch zeitlich unbegrenzt erhoben werden könnte.

BGH, Urt. v. 24.03.2016 - IX ZB 32/15

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz