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Sozietätsverbot gekippt

Das Verbot für Rechtsanwälte, sich mit Ärzten und Apothekern in Sozietäten zusammenzuschließen, ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass insoweit das Sozietätsverbot nach den Regelungen des anwaltlichen Berufsrechts gegen die Berufsausübungsfreiheit verstößt. Fraglich ist, inwieweit die Entscheidung auch für andere freie Berufe greift.

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt und eine Ärztin, die zugleich Apothekerin war, gründeten eine Partnerschaftsgesellschaft und meldeten diese mit Sitz in Bayern als interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers beim zuständigen AG zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Zum Gegenstand der Gesellschaft wurde in der Anmeldung die Ausübung des selbstständigen Berufs des Rechtsanwalts durch den Partner sowie der Ärztin und Apothekerin durch die Partnerin angegeben.

Die Partnerin sollte jedoch nur gutachterlich und beratend tätig werden, mithin in der Partnerschaft weder die Heilkunde am Menschen ausüben noch eine Apotheke betreiben.

Das AG wies die Anmeldung zurück. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Der anschließend angerufene BGH hat das Verfahren ausgesetzt und das BVerfG angerufen, weil er § 59a BRAO, der eine abschließende Aufzählung für die sozietätsfähigen Berufe für Rechtsanwälte enthält, aber gerade keine Ärzte und/oder Apotheker nennt, für verfassungswidrig hält.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

§ 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar, als die Regelung einer Verbindung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft entgegensteht. Art. 12 Abs. 1 GG garantiert die freie Berufsausübung, dies erfasst auch die Freiheit, den Beruf gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe auszuüben. Ein Sozietätsverbot greift daher in die Freiheit der Berufsausübung ein und bedarf der Rechtfertigung. Eine solche ist jedoch für das BVerfG nicht gegeben.

Die Regelung des § 59a BRAO verfolgt zwar grundsätzlich einen anerkannten Zweck, indem die Vorschrift die Beachtung der wesentlichen anwaltlichen Grundpflichten aus § 43a BRAO sichern und damit zu einer funktionsfähigen Rechtspflege beitragen soll. Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass die tätigen Angehörigen anderer Berufe, mit denen eine Sozietät eingegangen werden darf, in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt der Verschwiegenheitspflicht und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen müssen.

Die Regelung des § 59a BRAO ist aber nicht verhältnismäßig. Ein Rechtsanwalt verletzt nicht schon durch die Weitergabe mandatsrelevanter Informationen an seine nichtanwaltlichen Partner die berufliche Verschwiegenheitspflicht. Die Unterrichtung der nichtanwaltlichen Partner wird im Gegenteil bei einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft geradezu vorausgesetzt, weil sie den Mandanten bekannt und von ihnen im Zweifel – wegen der Vorteile einer Bearbeitung durch interprofessionell verbundene Berufsträger – auch gewollt ist.

Ein Mandant, der eine interprofessionelle Sozietät mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, wird regelmäßig nicht nur damit einverstanden sein, sondern sogar erwarten, dass sein Anliegen nicht nur durch die anwaltlichen Partner, sondern bei Bedarf berufsübergreifend von mehreren Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen besprochen und betreut wird.

Zudem ist zum Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit vor einer Offenbarung von Kenntnissen an außenstehende Dritte ein Sozietätsverbot für eine Partnerschaft zwischen Anwälten und Ärzten oder Apothekern zumindest in weiten Bereichen nicht erforderlich. Denn auch diese Berufsgruppen unterliegen einer vergleichbaren berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht wie Rechtsanwälte. Schließlich haben Anwälte in einer interprofessionellen Zusammenarbeit darauf hinzuwirken und Sorge zu tragen, dass ihre Berufspflichten auch von den berufsfremden Partnern eingehalten werden, § 6 Abs. 2 PartGG.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BVerfG hat festgestellt, dass Anwälte jedenfalls über den in § 59a BRAO genannten Kreis der freien Berufe hinaus auch mit weiteren Angehörigen freier Berufe Sozietäten eingehen dürfen, wenn diese vergleichbaren berufsrechtlichen Regelungen wie ein Rechtsanwalt unterliegen. Ausdrücklich entschieden hat das BVerfG dies für Ärzte und Apotheker. Darüber hinaus dürfte dies wohl auch für die weiteren in § 1 Abs. 2 PartGG genannten Berufsgruppen gelten, die vergleichbaren Berufsregelungen unterliegen, also vor allem Zahnärzten, Tierärzten, Diplom-Psychologen, Heilpraktikern und Physiotherapeuten. 

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass sich das Standesrecht der freien Berufe auch an den Grundrechten messen lassen muss und nicht das Gesellschaftsrecht ohne Weiteres einschränken kann. Namentlich Rechtsanwälte können wohl über die Regelung des § 59a BRAO hinaus mit weiteren Berufen i.S.d. § 1 Abs. 2 PartGG Sozietäten eingehen. Ob sich daraus allerdings sinnvolle berufliche Tätigkeiten ableiten lassen, ist eine andere Frage. Praktische Folgen dürfte die Entscheidung daher wohl nur für Heilberufe haben, wenn die Tätigkeit in erster Linie auf eine Gutachtentätigkeit beschränkt ist. Gleichwohl ist die Entscheidung zu begrüßen, weil sie die Berufsausübungsfreiheit der Rechtsanwälte stärkt.

BVerfG, Beschl. v. 12.01.2016, 1 BvL 6/13

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz