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GmbH: Abfindungsanspruch bei Insolvenz

Voraussetzung für die persönliche Haftung der Gesellschafter einer GmbH für die Abfindung eines durch Einziehung ausgeschiedenen Gesellschafters ist deren treuwidriges Verhalten. Das hat der BGH entschieden. Eine Haftung entsteht demnach weder nur durch den Einziehungsbeschluss noch allein dadurch, dass die Gesellschaft später im Zuge eines Insolvenzantrags die Zahlung unterlässt.

Sachverhalt

An der X-GmbH waren ursprünglich die Gründungsgesellschafter A und B jeweils zur Hälfte beteiligt. A übertrug seinen Anteil auf seine vier Söhne. Die Anteile des B wurden mit dessen Zustimmung gegen Zahlung einer Abfindung eingezogen, wobei die Abfindung in drei Raten in Abständen von jeweils sechs Monaten ausgezahlt werden sollte. Die beiden ersten Raten wurden pünktlich gezahlt, während die dritte Rate wegen des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzantrages nicht gezahlt wurde. Daraufhin verklagte B die Söhne des A auf Zahlung der letzten Rate als Gesamtschuldner.

Das LG Hildesheim hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2013 (4 O 321/12) abgewiesen, während das OLG Celle der Berufung mit Urteil vom 19.11.2014 (9 U 19/14) stattgegeben hat. Es hat die Revision zugelassen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Mit dem Wirksamwerden der Einziehung erwirbt der betroffene Gesellschafter einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung einer angemessenen Abfindung, soweit die Satzung nicht eine zulässige anderweitige Regelung enthält. Der Abfindungsanspruch kann – wie hinsichtlich der zweiten und dritten Rate geschehen – gestundet werden, sodass er erst zu den vereinbarten Zeitpunkten fällig wird. Die dritte Rate der Abfindung wurde somit nach Erfüllung der vorgesehenen Fälligkeitsvoraussetzungen (Zahlung der vorhergehenden Raten, Verpfändung der Geschäftsanteile) fällig.

Die Erklärung der Gesellschaft gegenüber dem betroffenen Gesellschafter, dass die dritte Rate der Abfindung wegen einer bilanziellen Überschuldung nicht gezahlt werden könne, hat als solche noch nicht zu einem Zahlungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters gegen die verbliebenen Gesellschafter geführt. Denn die persönliche Haftung der Gesellschafter entsteht weder bereits mit der Fassung des Einziehungsbeschlusses noch allein aufgrund des Umstands, dass die Gesellschaft später zum Zeitpunkt der Fälligkeit gem. § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG an der Zahlung der Abfindung gehindert ist oder diese jedenfalls unter Berufung auf dieses Hindernis verweigert.

Die persönliche Haftung der Gesellschafter entsteht erst in dem Zeitpunkt, ab dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist. Auf die Entnahme bestimmter Vermögenswerte kommt es dabei nicht an. Denn das Vermögen der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter erhöht sich schon infolge des Wegfalls des eingezogenen Geschäftsanteils um dessen Wert.

Gleichzeitig führt eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, aufgrund der die Abfindung nicht mehr aus freiem Vermögen geleistet werden kann, allein nicht zur persönlichen Haftung der Gesellschafter, wenn sie die Gesellschaft auflösen und sich damit den Mehrwert nicht einverleiben. Denn in einer möglichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft liegt das Risiko, das der Gesellschafter generell und erst recht mit der (bei Begründung der Gesellschaft oder später vereinbarten) Stundung der Abfindungszahlung eingegangen ist.

Liegen die eben genannten Voraussetzungen für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens vor, haften die Gesellschafter unabhängig davon, ob die Einziehung mit oder gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters erfolgt. Dass die Gesellschafter weiterwirtschaften und sich dabei den Wert des eingezogenen Geschäftsanteils einverleiben, ohne dafür zu sorgen, dass der Gesellschafter angemessen für die Einziehung seines Geschäftsanteils entschädigt wird, besteht als Haftungsgrund bei einer Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters ebenso wie bei einer Zwangseinziehung.

Eine Haftung der Gesellschafter kommt andererseits nicht ohne Weiteres in Betracht, wenn objektiv ein ausreichendes Vermögen für die Abfindungszahlung durch die Gesellschaft vorhanden ist, die Gesellschaft das aber anders sieht oder aus sonstigen Gründen die Abfindung nicht zahlt. Dass die Gesellschaft nicht zahlt, obwohl sie nach § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG zahlen dürfte, bedeutet noch nicht, dass die Gesellschafter sich treuwidrig verhalten. Insoweit liegt das Risiko, dass die Gesellschaft die Abfindung nicht freiwillig zahlt, bei dem Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen worden ist. Er muss seinen Anspruch gegen die Gesellschaft ggf. mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen.

Eine Haftung der verbleibenden Gesellschafter entsteht grundsätzlich auch dann nicht zwingend, wenn im Zeitpunkt der Abfindungsfälligkeit oder danach über das Gesellschaftsvermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder die Gesellschaft jedenfalls insolvenzreif wird, sodass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden muss und die Antragstellung nicht treuwidrig verzögert wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung der Gesellschaft, sodass schon aus diesem Grund eine treuwidrige Fortsetzung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter ausscheidet. Weil vorliegend unklar war, ob die Gesellschafter sich treuwidrig verhalten haben, wurde die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Der BGH wendet insoweit seine bisherige Rechtsprechung zur Zwangseinziehung konsequent auch bei einer Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters an. Es ist also entscheidend darauf abzustellen, warum die Gesellschaft nicht zahlt und, wenn die Insolvenzreife eingetreten ist, ob die Gesellschafter dies treuwidrig herbeigeführt haben. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, steht fest, ob es zur persönlichen Haftung der verbleibenden Gesellschafter für den Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters kommt. Insoweit hat der BGH die Risikoverteilung eindeutig vorgegeben: Solange die verbleibenden Gesellschafter nicht treuwidrig handeln, trägt der ausscheidende Gesellschafter das Risiko der Verschlechterung, das mit der Stundung verbunden ist.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass der ausscheidende Gesellschafter, wenn er einer Stundung seiner Abfindungszahlung teilweise zustimmt, deren Werthaltigkeit sichert. Dies kann z. B. durch eine schuldrechtliche Vereinbarung mit den verbleibenden Gesellschaftern erfolgen, dass diese ggf. persönlich haften, und zwar unabhängig von einem treuwidrigen Verhalten. Diese Vorgehensweise hat der BGH ausdrücklich gebilligt.

BGH, Urt. v. 10.05.2016 - II ZR 342/14

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz