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Verkehrsrecht -

Fluggastrechte: EuGH bestimmt Gerichtsstand bei Verspätungsentschädigung

Eine Fluggesellschaft, die in einem EU-Mitgliedstaat nur den ersten Flug eines Umsteigefluges durchgeführt hat, kann vor einem Gericht am Endziel in einem anderen Mitgliedstaat auf Verspätungsentschädigung verklagt werden. Das hat der EuGH entschieden. Dies gilt nach dem EuGH bei einer einheitlichen Buchung verschiedener Flüge, wenn die Verspätung auf den ersten Flug zurückgeht.

Darum geht es

Fluggäste buchten bei Air Berlin bzw. bei Iberia Flugreisen von Spanien nach Deutschland, die jeweils aus zwei Flügen bestanden (nämlich Ibiza - Palma de Mallorca - Düsseldorf im Fall von Air Berlin und Melilla – Madrid – Frankfurt am Main im Fall von Iberia), wobei die Buchungen jeweils die gesamte Reise umfassten. Die ersten, innerspanischen Flüge wurden für Air Berlin und für Iberia von der spanischen Fluggesellschaft Air Nostrum durchgeführt.

In beiden Fällen verspäteten sich diese Flüge (um 45 bzw. 20 Minuten), was zur Folge hatte, dass die Fluggäste ihren Anschlussflug nach Deutschland verpassten. Die Fluggäste erreichten ihr Endziel letztlich mit einer Verspätung von mehr als 3 Stunden (etwa 4 Stunden im Fall des bei Air Berlin gebuchten Flugs und 13 Stunden im Fall des bei Iberia gebuchten Flugs).

Wegen dieser großen Verspätungen erhoben die betroffenen Fluggäste (bzw. an ihrer Stelle das  deutsche Unternehmen flightright) bei deutschen Gerichten Klagen gegen Air Nostrum auf Ausgleichszahlung gemäß der Verordnung der Union über die Rechte von Fluggästen.

Das Amtsgericht Düsseldorf und der BGH haben Zweifel, ob deutsche Gerichte international zuständig sind für Klagen von Fluggästen gegen eine Fluggesellschaft, die (1) ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, (2) im Rahmen von aus mehreren Teilstrecken bestehenden Flugreisen mit Endziel in Deutschland nur die Flüge auf der jeweils ersten Teilstrecke innerhalb des anderen Mitgliedstaats durchgeführt hat und (3) nicht der Vertragspartner der betreffenden Fluggäste ist.

Diese beiden Gerichte haben den Gerichtshof gebeten, zu klären, ob in einem solchen Fall die Bestimmungen der Brüssel I-Verordnung anzuwenden sind, nach denen eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Person vor dem Gericht des Erfüllungsorts verklagt werden kann, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Für die Erbringung von Dienstleistungen ist nach dieser Verordnung Erfüllungsort - sofern nichts anderes vereinbart worden ist – der Ort, an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.

Wesentliche Entscheidungsgründe                                               

Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das Endziel in Deutschland nicht nur für den zweiten Flug, sondern auch für den ersten, innerspanischen Flug als Erfüllungsort der zu erbringenden Dienstleistungen angesehen werden kann. Daraus folgt, dass die deutschen Gerichte grundsätzlich für die Entscheidung über Klagen auf Ausgleichszahlungen, die gegen eine ausländische Fluggesellschaft wie Air Nostrum erhoben werden, zuständig sind.

Erstens deckt die Wendung „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne der Brüssel I-Verordnung eine Klage auf Ausgleichszahlung, die Fluggäste, die von einer großen Verspätung auf einer aus mehreren Teilstrecken bestehenden Flugreise betroffen sind, gemäß der Verordnung über Fluggastrechte gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen erheben, das nicht ihr Vertragspartner ist.

Hierzu weist der Gerichtshof u. a. darauf hin, dass, wenn ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung erfüllt, davon ausgegangen wird, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht. Somit ist davon auszugehen, dass dieses Luftfahrtunternehmen (hier: Air Nostrum) Verpflichtungen erfüllt, die es gegenüber dem Vertragspartner der betreffenden Fluggäste (hier: Air Berlin bzw. Iberia) freiwillig eingegangen ist. Diese Verpflichtungen finden ihren Ursprung in dem Vertrag über eine Beförderung im Luftverkehr.

Zweitens ist bei einer aus zwei Teilstrecken bestehenden Flugreise „Erfüllungsort“ im Sinne der Brüssel I-Verordnung der Ankunftsort der zweiten Teilstrecke, wenn die Beförderungen auf den beiden Teilstrecken von zwei verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden und die Klage auf Ausgleichszahlung wegen einer großen Verspätung am Ankunftsort auf eine Störung gestützt wird, die auf dem ersten Flug eingetreten ist, der von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wurde, das nicht Vertragspartner der betreffenden Fluggäste ist.

Die fraglichen Verträge, die durch eine einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet sind, begründen die Verpflichtung eines Luftfahrtunternehmens, einen Fluggast von A nach C zu befördern. Eine derartige Beförderung stellt eine Dienstleistung dar, bei der einer der Orte, an denen sie hauptsächlich erbracht wird, C ist. Für eine Fluggesellschaft, die – wie Air Nostrum – nur den ersten Flug von A nach B durchführt, ist es hinreichend vorhersehbar, dass die Fluggäste vor den Gerichten in C gegen sie vorgehen können.

In einer anderen Rechtssache hat ein Fluggast eine chinesische Fluggesellschaft, Hainan Airlines, vor den deutschen Gerichten auf Ausgleichszahlung verklagt, weil ihm die Beförderung auf der zweiten Teilstrecke einer aus zwei Teilstrecken bestehenden Flugreise (Berlin – Brüssel – Peking) verweigert worden sei. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen und nicht nach der Brüssel I-Verordnung bestimmt, wenn der Beklagte (hier: Hainan Airlines) keinen (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat.

In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Fluggast seine Klage auch bei dem Gericht erheben kann, in dessen örtliche Zuständigkeit der Abflugort des Fluges fällt (Urt. v. 09.07.2009 - C-204/08).

EuGH, Urt. v. 07.03.2018 - C-274/16, C-447/16 und C-448/16

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 07.03.2018