Die Bewertung bei nicht verbrauchbaren Schenksachen im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist kompliziert! § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB sieht für die Bewertung das Niederstwertprinzip vor. Danach ist der Wert zum Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs (inflationsbereinigt) und der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls festzustellen und zu vergleichen. Bei divergierenden Werten ist der niedrigere anzusetzen (BGH, ZEV 2003, 416). Zielrichtung des Niederstwertprinzips ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht an den Wertsteigerungen der verschenkten Sache partizipiert. Hat die verschenkte Sache an Wert verloren, muss er dies durch die Reduzierung seiner tatsächlichen Pflichtteilsquote hinnehmen.
Besondere Probleme stellen sich, wenn Nutzungsrechte vorbehalten wurden - wie der BGH zur Bewertung vorgeht, erklärt unsere Falllösung - Schritt für Schritt!
Die verwitwete Erblasserin hat ihre beiden Kinder enterbt und ihre Enkeltochter zur Alleinerbin eingesetzt. Die Alleinerbin hat ein notarielles Nachlassverzeichnis überreicht. Aus diesem geht hervor, dass die Erblasserin der Alleinerbin im April 2010 eine Eigentumswohnung überschrieben hat. Die Erblasserin behielt sich an dieser Wohnung ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht vor. Sie war zum Zeitpunkt der Übertragung 77 Jahre alt. In dem notariellen Übertragungsvertrag wird der Wert des Nießbrauchs mit 8.000 Euro (jährlich) angegeben. Der Wert der Eigentumswohnung betrug zu diesem Zeitpunkt unstreitig 100.000 Euro. Die Erblasserin verstarb am 14.04.2013. Der Wert der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls betrug 150.000 Euro.Der Sohn der Erblasserin beauftragt Sie mit der Durchsetzung seiner Pflichtteilsansprüche, dabei besteht kein Handlungsbedarf hinsichtlich des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs. Es bestehtabei besteht Streit über die Frage, ob die Übertragung der Eigentumswohnung Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst.
Zu den Kernproblemen dieses Falles zählt die Wertberechnung nach dem Niederstwertprinzip gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB. Neben einer hilfreichen Erklärung finden Sie hier eine Beispielsrechnung und ein Muster für die Pflichtteilsergänzungsklage.
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. Der Sachverständige hat erstinstanzlich eine Berechnung zum Wert des fortbestehenden Nießbrauchs (Anlage zum Protokoll des Termins vom 7.12.2012) vorgelegt. Die BGH-Rechtsprechung zum Niederstwertprinzip kann für eine solche, vom Regelfall abweichende Konstellation jedoch nur dahin verstanden werden, dass der Wertvergleich zwischen Schenkungs- und Erbfallwert auch in diesem Fall "brutto", d.h. vor Abzug sämtlicher Nießbrauchswerte durchzuführen ist.
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Der Beklagte macht zur Höhe des Anspruchs wegen der Übertragung und des späteren Weiterverkaufs des Grundstücks geltend, nach dem Niederstwertprinzip sei auf den Wert im Zeitpunkt der Übertragung (Grundbucheintragung) abzustellen (§ 2325 Abs. 2 S. 2 BGB ). Für diesen Zeitpunkt habe er erstinstanzlich vorgetragen, dass der Wert nur 70.000,00 € betragen habe, der später erzielte höhere Kaufpreis dagegen durch seine werterhöhenden Sanierungsarbeiten begründet gewesen sei.
Mit diesem Argument kann der Beklagte bereits vor dem Hintergrund nicht gehört werden, dass Anspruchsgrundlage insoweit die §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB sind. Aber selbst wenn auf § 2325 BGB abgestellt wird, bleibt es dabei, dass das Landgericht fehlerfrei einen anzusetzenden Wert von 100.000,00 € festgestellt hat. Denn zu bedenken ist, dass hier der von dem Beklagten geltend gemachte, aus seiner Sicht niedrigere Wert bei der Übertragung an ihn in zeitlicher Hinsicht ganz nah bei dem Termin liegt, zu dem er seinerseits die Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 105.000,00 € an einen Dritten veräußern konnte.
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