1,5 Jahre verkürzte Restschuldbefreiung – doch wo bleibt der Tsunami?

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Nach langem Ringen ist im Dezember 2020 das lang angekündigte Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung im Bundestag beschlossen und noch am 30.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet worden.

War eine Umsetzung zunächst „langfristig“ angedacht, nämlich eine sukzessive Verkürzung beginnend ab 17.12.2019 (rückwirkend) um Monatsschritte – ausgehend von den damals gültigen sechs Jahren einer Abtretungsfrist –, sah man durch die SARS-CoV 2-Pandemie eine Notwendigkeit, die Entschuldung zügiger umzusetzen.

Folglich ist seit dem 01.10.2020 (ebenfalls rückwirkend) für alle seither beantragten Verfahren eine einheitliche, nicht an Mindeststandards geknüpfte Entschuldung bereits binnen drei Jahren möglich.

Die Verkürzung bietet nahezu 7 Mio. überschuldeten Bürgern einen Weg zu einem wirtschaftlichen Neustart (nach den Feststellungen der Creditreform Wirtschaftsforschung in ihrer Presseerklärung v. 10.11.2020 sind in Deutschland aktuell 6,85 Mio. Privatpersonen überschuldet, https://www.creditreform.de/fileadmin/user_upload/central_files/News/News_Wirtschaftsforschung/2020/SchuldnerAtlas_Deutschland/Presseinfo_SchuldnerAtlas_2020.pdf ).

Hinzu kommt, dass das Recht neben den Verbrauchern auch für alle natürliche Personen die nicht Verbraucher sind Anwendung findet, mithin also auch für Soloselbständige. Es folgt damit dem Regelwerk der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (Richtlinie (EU) 2019/1023) der Europäischen Union (ausführlich zur Diskussion im Gesetzgebungsverfahren Pape/Laroche/Grote, ZInsO 2020, 1805).

In Erwartung dieser Zahl und angesichts der befürchteten wirtschaftlichen Verschlechterung durch die Pandemie wird seither mit einem Tsunami an Insolvenzverfahren natürlicher Personen gerechnet. Doch ein solcher ist bislang ausgeblieben. Selbstverständlich „steigen“ die Zahlen gegenüber dem Vorjahr.

Wenn jedoch bisweilen interimsweise keine Insolvenzanträge gestellt werden mussten oder Verbraucher in freudiger Erwartung einer Verkürzung der Verfahrensdauer ihre Anträge zurückhielten, ist der Zuwachs „enorm“. Betrachtet am früheren Niveau ist und bleibt es aber ruhig an der Insolvenzfront.

Doch was hat sich durch die Reform des Verbraucherrechts geändert? Das Gesetz sieht vor, dass für alle Verfahren, die ab dem 01.10.2020 beantragt wurden, eine einheitliche Frist von drei Jahren gilt.

Gemäß § 300 Abs. 1, § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO entscheidet das Insolvenzgericht dann nach einem Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten über die Erteilung der Restschuldbefreiung.

Mindestquoten oder die bisherigen, bis zum 30.09.2020 gültigen Optionen der vorzeitigen Verkürzung (3,5 Jahre) sind für diese Verfahren nicht mehr existent. Für alle Verfahren, die ab dem 17.12.2019 beantragt wurden, gilt folgende Verfahrensverkürzung:

Datum der Antragstellung Regelende
vor dem 17.12.2019 6 Jahre
Antrag ab 17.12.2019 5 Jahre 7 Monate
Antrag ab 17.01.2020 5 Jahre 6 Monate
Antrag ab 17.02.2020 5 Jahre 5 Monate
Antrag ab 17.03.2020 5 Jahre 4 Monate
Antrag ab 17.04.2020 5 Jahre 3 Monate
Antrag ab 17.05.2020 5 Jahre 2 Monate
Antrag ab 17.06.2020 5 Jahre 1 Monat
Antrag ab 17.07.2020 5 Jahre
Antrag ab 17.08.2020 4 Jahre 11 Monate
Antrag ab 17.09.2020 bis 30.09.2020 4 Jahre 10 Monate
Ab dem 01.10.2020 3 Jahre

 

Zu den bisherigen bekannten Versagungsgründen gesellt sich nunmehr seit 01.10.2020 nun ein neuer Versagungsgrund bei Verletzung einer neuen Obliegenheit hinzu. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 5 InsO kann es nun zu einer Versagung kommen, wenn der Schuldner unangemessene neue Verbindlichkeiten während der Wohlverhaltensphase begründet.

Die Vorschrift ist dem § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO nachempfunden. Mit „unangemessenen Verbindlichkeiten“ sind analog der Kommentierung zu § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO z.B. Luxusaufwendungen, die Reise zur Unzeit, der Gang in das Spielcasino usw. gemeint.

Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz InsO ist eine Versagung allerdings ausgeschlossen, wenn der Schuldner einfach fahrlässig gehandelt hat. Folglich besteht der Grund nur bei nur bei grober Fahrlässigkeit!

Hinzu kommt wie immer in der Wohlverhaltensperiode die stets notwendige Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die neuen Verbindlichkeiten. Ebenfalls wurde in § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO eine neue Obliegenheit geschaffen.

Zu den bisherigen Tatbeständen kommt die Herausgabe einer hälftigen Schenkung sowie von Gewinnen aus Lotterien, Ausspielungen oder anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeiten hinzu.

Nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz InsO sind von der Herausgabepflicht gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen. Wer wiederholt in Insolvenz gerät, soll von der Verkürzung der Verfahrensdauer übrigens nur einmal profitieren.

Daher beträgt die Sperrfrist für einen neuen Antrag gem. § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO dann nicht mehr zehn, sondern für das Zweitverfahren zum einen grundsätzlich elf Jahre, zum anderen wird für ein solches Zweitverfahren die Abtretungsfrist zudem gem. § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO von drei Jahren auf dann fünf Jahre verlängert.

Spezialreport Insolvenzrecht 2022

Die Auswirkungen in der Praxis im Fokus: Reform des § 64 InsO, Verkürzte Restschuldbefreiung, SanInsFoG, Rechtsprechung 2021/2022 uvm.

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