Das sogenannte „Inwiekenrecht“ in Rhauderfehn in Ostfriesland hat als altes Gewohnheitsrecht weiterhin Gültigkeit.
Bei dem Inwiekenrecht handelt es sich um das Recht auf Benutzung eines Randstreifens der Anliegergrundstücke einer Inwieke (Nebenkanal) auf dem Landweg von der Hauptwieke (Hauptkanal) aus.
Der Entscheidung lag die Klage von zwei Grundstückseigentümern zugrunde, die die benachbarten Grundstückseigentümer auf Benutzung einer an einer Inwieke angrenzenden Grundstücksfläche als Weg verklagt hatten. Die Ostgrenze des Grundstücks der Beklagten verläuft in der Mitte einer heute teilweise zugeschütteten Inwieke. Entlang der Inwieke befindet sich ein Weg. Die Beklagten hatten auf ihrem Grundstück einen Metallzaun errichtet und damit die Wegenutzung entlang der Inwieke durch die Kläger verhindert. Sie beriefen sich u.a. darauf, das Inwiekenrecht habe seine Geltung wegen des Strukturwandels in den Fehnsiedlungen verloren.
Das Landgericht Aurich hatte der Klage stattgegeben und die Beklagten auf Duldung der Benutzung des Weges auf einer Breite von 3 Metern verurteilt. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Oldenburg bestätigt. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts habe sich im ostfriesischen Fehngebiet die allgemein befolgte Regel gebildet, dass jeder Anlieger einer Inwieke berechtigt ist, von der Hauptwieke aus entlang der Inwieke den über die Grundstücke anderer Anlieger führenden Weg zu benutzen, um zum eigenen Grundstück zu gelangen. Diese Regel sei weiterhin bindendes Gewohnheitsrecht, und zwar auch für den Fall, dass inzwischen noch andere Zugänge zu den hinterliegenden Parzellen bestünden. Da das Inwiekenrecht von den betroffenen Kreisen der Bevölkerung nahezu ausnahmslos nach wie vor als allgemein verbindliches Recht angesehen und beachtet werde, sei es ein auch heute noch geltendes Gewohnheitsrecht .
Die Revision der Beklagten vor dem Bundesgerichtshof (BGH) blieb ohne Erfolg. Der 5. Zivilsenat des BGH hat ausgeführt, das Oberlandesgericht habe den Begriff des Gewohnheitsrechts sowie die Voraussetzungen für sein Entstehen und seine Weitergeltung nicht verkannt. Das Inwiekenrecht sei als gebietsspezifische Wegerechtsregelung eigener Art insbesondere auch nicht durch das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1.1.1900 erloschen.
Quelle: OLG Oldenburg - Pressemitteilung vom 21.01.09