Baurecht -

Klage gegen Grenzgaragen in Bayern erfolglos

Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung v. 15.12.2009 - Vf. 6-VII-09 

Erfolglos rügte der Antragsteller die abstandsflächenrechtliche Sonderregelungen für den Bau von Grenzgaragen in der Bayerischen Bauordnung.

Darum geht es:

Gegenstand der Popularklage sind abstandsflächenrechtliche und verfahrensrechtliche Sonderregelungen für den Bau von Grenzgaragen in der Bayerischen Bauordnung. Nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO 2008 brauchen Garagen bis zu einer bestimmten Größe keine Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze einzuhalten. Haben solche Garagen eine Fläche bis zu 50 m² und liegen sich nicht im Außenbereich, wird gemäß Art. 57 Abs. 1  Nr. 1 BayBO 2008 kein baurechtliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren durchgeführt.

Der Antragsteller rügt aus der Sicht des Nachbarschutzes eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts (Art. 103 Abs. 1 BV), des Gleichheitsgrundrechts (Art. 118 Abs. 1 BV) sowie des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Er ist der Auffassung, Nachbarn würden regelrecht „eingemauert“, wenn an ihrer Grundstücksgrenze bis zu 9 m lange und 3 m hohe Garagen errichtet werden. Dies führe in der Regel zu einem unzumutbaren Wertverlust des Nachbargrundstücks, praktisch zu einer Teilenteignung. Die abstandsflächenrechtliche Sonderregelung stehe in Widerspruch zu Art. 47 AGBGB, der den Grenzabstand von Gewächsen auf mindestens 0,50 m festlege, bei einer Höhe von über 2 m auf mindestens 2 m. Durch die Verfahrensfreistellung werde dem Nachbarn jedes Informations- und Anhörungsrecht verweigert. Innerhalb kurzer Zeit könnten vollendete Tatsachen geschaffen werden. Ein gerichtlich zu erreichender Nachbarschutz werde für den Zeitraum von der Planung bis zur vollständigen Herstellung des Gebäudes abgeschafft. Diese bedeutsame Lücke im Rechtsschutz verletze die Justizgewährungspflicht.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregierung halten die Popularklage für unbegründet.

Zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung
Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO 2008, wonach u. a. Garagen ohne Einhaltung von Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze errichtet werden dürfen, verletzt den Nachbarn nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art. 103 Abs. 1 BV). Es handelt sich um eine dem Gemeinwohl dienende, zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung.

In der Regel keine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Nachbargrundstücks
Zweck der Regelung ist es, die bessere Ausnutzung des nicht beliebig vermehrbaren Baugrunds zu fördern und parkende Kraftfahrzeuge im Interesse des fließenden Verkehrs von den öffentlichen Verkehrsflächen fernzuhalten. Die Errichtung einer Grenzgarage mit einer mittleren Wandhöhe von 3 m und einer Länge von 9 m wird in der Regel – nur darauf kann bei der Überprüfung einer notwendigerweise generalisierenden Regelung abgestellt werden – nicht dazu führen, dass die Nutzungsmöglichkeit des Nachbargrundstücks ausgeschlossen bzw. wesentlich eingeschränkt würde. Ein Wertungswiderspruch zu den bürgerlich-rechtlichen Regelungen über Abstandsflächen von Gewächsen in Art. 47 Abs. 1 AGBGB ist nicht gegeben.

Verfahrensfreistellung ist kein "Freifahrtschein" für materiell rechtswidrige Bauvorhaben
Die in Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO 2008 für bestimmte Grenzgaragen vorgesehene Verfahrensfreistellung ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, zum Schutz von Grundstücksnachbarn stets ein präventives Baugenehmigungsverfahren vorzuschreiben oder vom Bauherrn vor Ausführung des Vorhabens eine Benachrichtigung der Nachbarn zu verlangen. Von einem gänzlich ungeeigneten oder völlig unzureichenden Schutz der Nachbarn kann keine Rede sein. Nach wie vor bestehen die gesetzlichen Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden zum Einschreiten bei materiell rechtswidrigen Bauvorhaben. Auch stellen das Zivilrecht und das Zivilprozessrecht vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit durchsetzbare Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zur Verfügung, die den Nachbarn vor einer irreparablen Beeinträchtigung seines Eigentumsgrundrechts schützen.

Quelle: BayVerfGH - Pressemitteilung vom 18.12.09