Bauprozesse dauern lange, sind kostenintensiv und nervenaufreibend. Aktuell wird im Bauwesen nach alternativen Streitbeilegungsverfahren gesucht.
In den Fokus ist das englische Adjudication-Verfahren gerückt. Die gesetzliche Implementierung dieses Schlichtungsverfahrens hat in England zu einem Rückgang der Bauprozesse um 98% geführt. In Deutschland könnten durch ein systematisches Konfliktmanagement Milliarden gespart werden.
I. Bauprozesse
Bauprozesse dauern im Schnitt 3 bis 6 Jahre (Vygen, Bauvertragsrecht, Rn. 519; Kraus, in: Festschr. Vygen, S. 404 (404 ff.). Nach einer jüngst erfolgten repräsentativen Umfrage des Deutschen Baugerichtstages e.V. in Zusammenarbeit mit der TU Dortmund nehmen die Baubeteiligten die Prozessdauer als „schlecht“ bis „sehr schlecht“ wahr (Gralla/Sundermeier, BauR 2007, 1961 (1965 f.). Die Kosten sind exorbitant hoch (Vygen, in: Festschr. Werner, S. 1 (1, 12 u. 16)); das Ergebnis unkalkulierbar (Adams, Ökonomische Analyse, S. 85; Kainz, BauSV 3/2008, 54 (55)). Baubetriebler haben errechnet, dass Bauprozesse in Deutschland jedes Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund € 40,0 Mrd. verursachen (Diederichs, in: Festschr. Franke (im Erscheinen)). „Wir können es uns in Deutschland nicht mehr leisten, Hunderte Millionen € in jahrelangen Bauprozessen zu vernichten“ (Wagner, BauR 2004, 222 (228)). Der Bauprozess ist „ineffektiv und unökonomisch“ (Kraus, in: Haft/Schlieffen, § 22 Rdn. 11). Die Weltbankengruppe fördert beispielsweise keine Bauvorhaben, deren Verträge kein systematisches Konfliktmanagement vorsehen. Auch die jüngst veröffentlichte Streitbeilegungs-Policy von Siemens sieht vornehmlich Instrumente außergerichtlicher Streitbeilegung zur Konfliktlösung vor (Hobeck/Mahnken/Koebke, SchiedsVZ 2007, 225 (230)). Auch der E.ON-Konzern und Bombardier haben ein systematisches Konfliktmanagement eingerichtet (Klowait, ZKM 6/2006, 172 (172 ff.)). Motorola ist es so gelungen, die Streitaustragungskosten um 75% zu senken (Gottwald, WM 1998, 1257 (1261); Risse/Wagner, in: Haft/Schlieffen, § 23 Rdn. 112).
II. Schlichtungsverfahren in Bausachen
Schlichtungsverfahren kommen im Bauwesen nur mäßig zur Anwendung (Gralla/Sundermeier, BauR 2007, 1961 (1964)), weil die Baubeteiligten noch nicht genügend über die Vorteile aufgeklärt sind. Zudem steht das Verhandlungsungleichgewicht zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer einer vertraglichen Vereinbarung oftmals entgegen. Auftraggeber befinden sich in dem Irrglauben, dass sie aus dem strukturellen Vorteil innerhalb des Gerichtsverfahrens (Vorleistungspflicht des Auftragnehmers, Beweislast des Auftragnehmers vor Abnahme) Wertschöpfung generieren können und sehen nicht, dass diese Nachteile von den Auftragnehmern bei den Angeboten eingepreist sind.
Die beratenden Rechtsanwälte klären meist nicht über den kostengünstigen Weg der Streitbeilegung durch Alternative Dispute Resolution (ADR) auf und handeln damit entgegen der Mandanteninteressen: „Würde der Rechtsanwalt nach Abschluss eines Bauprozesses eine Nachkalkulation durchführen, wäre häufig festzustellen, dass er bei der Beratung seines Mandanten gegen jegliche wirtschaftliche Vernunft gehandelt hat“ (Zerhusen, Außergerichtliche Streitbeilegung, Rdn. 13). Dabei bleibt von den Anwälten unberücksichtigt, dass ihnen eine Aufklärungspflicht zukommt, bei deren Verstoß sie gegenüber ihrem Mandanten haften (Lembcke, JurBüro 2009, 175 (175 ff.)).
III. Initiative des Deutschen Baugerichtstages e.V.
Bislang fehlen einheitliche Standards, weil viele Institutionen mit unterschiedlichen Verfahrensordnungen einen Markt erschließen wollen, den es noch gar nicht gibt. Vertrauen der potenziellen Anwender kann so nicht gewonnen werden. Der Deutsche Baugerichtstag e.V. als Dachverband der im Bauwesen aktiven Institutionen wird daher in seinem Arbeitskreis VII/2 vertragliche Regelungen für ein systematisches Konfliktmanagement entwickeln, die aus allen bestehenden Verfahrensordnungen die positiven Ansätze vereinen wird.
Das sog. Adjudication-Verfahren aus England ist bei der Arbeit des Arbeitskreises VII/2 als Ideenbaukasten in den Fokus gerückt, weil dieses die Konfliktstruktur des Bauvertrages in besonderer Weise berücksichtigt. Ein bausachverständiger Adjudicator trifft dort auf jederzeit möglichen Antrag einer Partei eine Entscheidung über alle Baukonflikte in kürzester Frist, die mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden kann. Diese Entscheidung ist solange bindend, bis innerhalb eines Gerichtsverfahrens der Konflikt endgültig beigelegt wird (two tier system). Innerhalb dieses Gerichtsverfahrens wird aber eine de novo Entscheidung getroffen, so dass die Adjudication-Entscheidung keinen Einfluss mehr hat. Dieses hat in England zu einem Rückgang der Bauprozesse um 98% geführt.
IV. Adjudikations-Ordnung für Baustreitigkeiten (AO-Bau)
Vor diesem Hintergrund ist jüngst die Adjudikations-Ordnung für Baustreitigkeiten (AO-Bau) als Diskussionsvorschlag veröffentlicht worden. Dieser Ansatz eines systematischen Konfliktmanagements beinhaltet ein maßgeschneidertes Streitbeilegungsverfahren für Baustreitigkeiten, das innerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden kann. Würde die AO-Bau in allen Bauverträgen eingesetzt werden, so könnten in Deutschland jährlich rund € 24,0 Mrd. gespart werden (Diederichs, in: Festschr. Franke (im Erscheinen)).
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Quelle: Moritz Lembcke, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator, Hamburg - Beitrag vom 12.05.09