Familienrecht -

Versorgungsausgleich verfassungswidrig

Das Oberlandesgericht Oldenburg hält einen Teil der Regeln zum Ausgleich von Renten und anderen Versorgungsrechten nach der Scheidung von Ehepartnern für verfassungswidrig.

Die betreffenden Vorschriften führen danach nicht zu einer gleichen Aufteilung der in der Ehe erworbenen Versorgungswerte im Versorgungsausgleich und sind durch andere Umrechnungskriterien zu ersetzen.

Der Versorgungsausgleich soll eine gleiche Teilhabe der geschiedenen Eheleute an den während der Ehe erworbenen Versorgungswerten bewirken. Hierzu müssen die beiderseitigen Versorgungsanrechte (z.B. aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Beamtenversorgung, der berufsständischen und der betrieblichen Altersversorgung) bilanziert und saldiert (verrechnet) werden. Dies setzt voraus, dass die jeweiligen Versorgungsanrechte von vornherein annähernd gleichwertig sind oder dass sie durch Umrechnung vergleichbar gemacht werden. Erst danach kann ermittelt werden, wer die höheren Versorgungswerte erworben hat und demgemäß die Hälfte des Wertunterschiedes auszugleichen hat.

Maßstab für den Vergleich der Versorgungsanrechte ist ihre künftige Wertentwicklung („Dynamik“) im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zur Beamtenversorgung, d.h. die Frage, ob der bei Ende der Ehezeit erworbene Wert (z.B. monatlich 100 €) in der Zukunft wie bei den genannten Versorgungen angepasst wird (etwa mit einem festen jährlichen Prozentsatz) oder ob der erreichte Wert unverändert bleibt.

In der Vergangenheit sind Versorgungsanrechte mit unterschiedlicher Dynamik vergleichbar gemacht worden durch Umrechnung mit Hilfe von Faktoren, die in der sogenannten Barwertverordnung (BarwertVO) verbindlich festgelegt wurden. Dieses Regelwerk ist vielfach kritisiert worden, weil die Faktoren zu niedrig seien und deshalb zu einer zum Teil krassen Unterbewertung der betreffenden Anrechte geführt haben. Folge davon war häufig eine Benachteiligung der ganz überwiegend ausgleichsberechtigten geschiedenen Ehefrau, weil sie deutlich weniger als die Hälfte der insgesamt in der Ehezeit erworbenen Versorgungswerte erhalten hat.

Die Bundesregierung hat durch mehrfache Änderungen der BarwertVO und der darin festgelegten Umrechnungsfaktoren auf die Kritik reagiert, zuletzt durch eine Neufassung vom 3. Mai 2006. Sie soll übergangsweise bis zu einer grundlegenden Lösung des Umrechnungsproblems gelten. Nach Ansicht verschiedener Familienrechtsexperten wird der Halbteilungsgrundsatz aber auch bei Anwendung der neuen Umrechnungsfaktoren in vielen Fällen gravierend verletzt. Die Umrechnung sei deshalb nach anderen Kriterien vorzunehmen.

Der 11. Zivilsenat – 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Oldenburg hat sich nun dieser Ansicht angeschlossen. Die Umrechnungsfaktoren der BarwertVO in der Fassung von Mai 2006 enthielten eine Fortschreibung der Verfassungswidrigkeit der früheren Fassungen auf reduziertem Niveau, aber mit immer noch unvertretbarer Verfehlung des Halbteilungsgrundsatzes. Die BarwertVO sei deshalb auch übergangsweise nicht anwendbar.

Als Ersatzlösung führt der Senat im Anschluss an Literaturmeinungen im konkreten Fall eine Umrechnung an Hand einer Dynamisierungstabelle durch, die für die Jahre bis 2019 die von der Bundesregierung geplante Entwicklung der aktuellen Rentenwerte berücksichtigt und für die Zeit danach von einem geschätzten Anstieg um jährlich 1 % ausgeht. In anderen Fällen, insbesondere nach Eintritt des Versorgungsfalls, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein.

Quelle: OLG Oldenburg - Pressemitteilung vom 25.08.06