Familienrecht -

Versorgungsausgleich – Volldynamik einer Betriebsrente

Entscheidungsanmerkung mit Praxishinweis: Zur Bewertung der Dynamik einer betrieblichen Versorgung, die § 16 Abs. 1 BetrAVG unterfällt.

BGH, Beschl. v. 04.03.2009 – XII ZB 117/07, DRsp-Nr. 2009/9106

Darum geht es
Versorgungsrechte können zum Ausgleich nicht ohne weiteres mit ihrem Nominalwert, also dem mitgeteilten Wert der Rentenanwartschaft (oder dem mitgeteilten Deckungskapital) herangezogen werden. Da es nur einen Ausgleichsberechtigten und nur einen Ausgleichspflichtigen gibt, muss eine Ausgleichsbilanz erstellt werden. Dafür müssen alle erworbenen Anrechte miteinander vergleichbar sein (auf einen Nenner gebracht werden).
Zu berücksichtigen ist dafür insbesondere die dynamische Entwicklung der Anrechte, die von dem Regelungswerk der jeweiligen Versorgung abhängt.

Welche Anforderungen muss ein dem Versorgungsausgleich unterfallendes Recht erfüllen, um als dynamisch (regeldynamisch, volldynamisch) zu gelten? Wie stellt sich dies bei betrieblichen Versorgungen dar, die gem. § 16 Abs. 1 BetrAVG angepasst werden?

Entscheidungsgründe
Erfolgt die Anpassung einer betrieblichen Altersversorgung im Rententeil nach § 16 Abs. 1 BetrAVG, hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Anpassung der Versorgung an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten genügt.

Werden Steigerungsraten von jahresdurchschnittlich 1% erreicht, kann eine solche Dynamik nach der Entscheidung des BGH als regeldynamisch i.S.d. Versorgungsausgleichs anzusehen sein (vgl. auch den Hinweis in BGH, Beschl. v. 20.09.2006 - XII ZB 248/03, DRsp Nr. 2006/29028 = FamRZ 2007, 23, 25 re. Sp.). Dafür bedarf es aber der Prognose, ob diese Steigerungsrate auch zukünftig erreicht werden wird. Dies muss durch Rückfrage beim betrieblichen Versorgungsträger geklärt werden.

Praxishinweis
Es ist zu beachten, dass die Beurteilung der Dynamik zu den anwaltlichen Prüfungspflichten gehört. Dies gilt auch dann, wenn die Einordnung noch nicht abschließend obergerichtlich geklärt ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.05.2006 - I-24 U 147/05, DRsp Nr. 2006/26237 = FamRZ 2007, 397, 399). Hier lauert (noch) ein hohes Haftungsrisiko.

Dynamisch ist eine Versorgung dann, wenn sie in der Entwicklung ihrer Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung zumindest nahezu entspricht (BGH, Beschl. v. 01.12.2004 - XII ZB 45/01, DRsp Nr. 2005/1978 = FamRZ 2005, 430).

Die Vorgehensweise der Prüfung ist folgende:

  • zunächst ermittelt man, welche Steigerungsraten das zu prüfende Recht in den letzten Jahren erfahren hat, wobei auf mindestens 10 Jahre zurückgegriffen werden sollte;dabei muss auch prognostiziert werden , ob diese Steigerungsraten auch zukünftig voraussichtlich erreicht werden
  • hieraus bildet man einen Mittelwert, wobei der lineare Mittelwert genügt;
  • anschließend vergleicht man diesen Mittelwert mit dem Mittelwert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung für den gleichen Zeitraum.

Anmerkung
Zur Freude aller Praktiker schafft die Reform des Versorgungsausgleichs zum 01.09.2009 für diese besonders schwierige Thematik weitgehend Abhilfe. Das VersAusglG ordnet die Realteilung jedes einzelnen Anrechts an. Der für die jeweilige Versorgung Ausgleichsberechtigte erhält die hälftige Versorgung in demjenigen (ggf. dynamischen) Zustand, in dem sie sich tatsächlich befindet. An spätere Veränderungen in der dynamischen Wertentwicklung nimmt er so automatisch teil. Die Notwendigkeit einer Umwertung zwecks Vergleichbarmachung der Anrechte entfällt damit. Die Dynamik des Anrechts spielt im VersAusglG für den Ausgleich praktisch keine Rolle mehr.

Weitere Informationen zu diesem Thema in rechtsportal.de:

  • Bibliothek, Kommentar zum Versorgungsausgleich, Fall 3: Dynamische und angleichungsdynamische Renten der gRV (Schnellsuche: D5721_51901106 )

  • Bibliothek, Familienrecht per Mausklick, Wissenskarte: Versorgungsausgleich - Bedeutung der Reform 2009 (Schnellsuche: VA09/5 )

  • Bibliothek, Familienrecht per Mausklick, Wissenskarte: Versorgungsausgleich - Neuverfahren ab 01.09.2009 (Schnellsuche: VA09/1 )

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Quelle: RiOLG Frank Götsche, Brandenburg a.d. Havel - Entscheidungsanmerkung vom 26.08.09