Miet- und WEG-Recht -

Eigentümerinsolvenz: Unterlassene Freigabe des Wohnungseigentums

Gibt der Insolvenzverwalter ein zur Masse gehörendes Wohnungseigentum nicht oder erst verspätet frei, steht der Wohnungseigentümergemeinschaft kein Schadensersatz wegen des entgangenen Hausgelds zu.

Die  Unterlassung der Freigabe der Eigentumswohnung aus der Masse ist keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters i.S.v. § 61 InsO, die Masseverbindlichkeiten begründen könnte. Die Freigabe selbst ist keine haftungsbewehrte Pflicht des Insolvenzverwalters i.S.v. § 60 InsO, deren Einhaltung von ihm eingefordert werden könnte.

Über das Vermögen eines Wohnungseigentümers wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kann mangels Masse die nach Verfahrenseröffnung anfallenden Hausgeldverbindlichkeiten nicht begleichen, gibt aber die zur Masse gehörende Eigentumswohnung auch nicht aus der Masse frei. Die Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt ihn hierauf persönlich auf Schadensersatz  gem. §§ 60, 61 InsO wegen der ausbleibenden  Hausgeldzahlungen in Anspruch.

Das zunächst angegangene Amtsgericht weist die Klage ab, das LG Stuttgart bestätigt auf die Berufung der Wohnungseigentümergemeinschaft hin die Entscheidung des Amtsgerichts. Das LG führt aus: Zwar ist anerkannt, dass Hausgeldverbindlichkeiten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO und für die Zeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Neumasseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO darstellen. Eine Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO für diese Verbindlichkeiten kommt aber nur dann in Betracht, wenn diese durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sind. Hierzu kann auch eine unterlassene Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses im Hinblick auf die weiter anfallenden Mieten gehören, die unterlassene Freigabe der Eigentumswohnung stellt aber keine Rechtshandlung i.S.d. § 61 InsO dar.  Die Leistung, die ein Vermieter gegenüber einem Mieter erbringt, istetwas vollkommen anderes, als die Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Zwischen dem Wohnungseigentümer und der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht kein Dauerschuldverhältnis im mietrechtlichen Sinne. Die Wohngeldzahlungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft sind vielmehr aufgrund der Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zu erbringen und haben nichts mit einer schuldrechtlichen Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses zu tun. 

Auch eine Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO wegen der Verletzung einer ihm nach der InsO obliegenden Pflicht  lehnt das Gericht unter Hinweis auf die einschlägige BGH-Rechtsprechung ( BGH, Urt. v. 21.04.2005 - IX ZR 281/03, NJW 2005, 2015; BGH, Urt. v. 01.02.2007 - IX ZR 178/05, NJW-RR 2007, 1205) Hiernach  handelt es sich bei der Freigabe im Insolvenzverfahren nicht um eine haftungsbewehrte Pflicht des Insolvenzverwalters, deren Erfüllung Dritte von ihm einfordern können und auf die sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch haben. Tatsächlich geht es bei der Freigabe nicht darum, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, einen Gegenstand aus der Insolvenzmasse zu entlassen. Vielmehr handelt es sich um eine freie und ungebundene Entscheidung des Insolvenzverwalters, der sich entschließen kann, einen unverwertbaren Gegenstand aus der Masse zu entlassen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Freigabe eines Gegenstandes gegen den Verwalter. Vielmehr ist es ausschließlich dessen Sache zu entscheiden, ob er einen Gegenstand wieder der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt. Wenn aber außenstehende Dritte keinen Anspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter auf Freigabe eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse haben, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft aus der Unterlassung der Freigabe auch keinen Schadensersatzanspruch ableiten, was sowohl für § 60 InsO als auch für § 61 InsO gilt.

Anmerkung:
Die Frage, ob der Wohnungseigentümergemeinschaft in dem beschriebenen Fall ein Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter zusteht, ist streitig. Selbst das LG Stuttgart  hat in einer Entscheidung vom 06.12.2005 - 21 O 473/05, RPfleger 2006, 222 noch eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters bejaht. Ebenso hat dies das OLG Düsseldorf in einem Beschluss vom 28.04.2006 - 3 Wx 299/05, NZM 2007, 47 gesehen.

Quelle: Rechtsanwalt Thomas Emmert - Urteilsanmerkung vom 08.05.08