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Miet- und WEG-Recht -

Verwertungskündigung des Vermieters: Abwägung der Interessen

Bei der Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Vermieters ist zu berücksichtigen, dass ein Objekt in Kenntnis eingeschränkter Möglichkeiten zur Änderung oder Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse erworben wurde. Das hat das Amtsgericht Berlin-Mitte entschieden und die Verwertungskündigung einer Vermieterin als unwirksam eingestuft.

Darum geht es

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2018 Eigentümerin und Vermieterin eines Wohngebäudekomplexes, der im Jahr 1984 errichtet wurde und zunächst als Schwesternwohnheim der Charité diente. 

Die Beklagte ist seit dem Jahr 1998 Mieterin einer in dem Gebäudekomplex gelegenen Zweizimmerwohnung.

Die Klägerin plant nach Abriss des Bestandsgebäudes die Neuerrichtung eines Wohngebäudes u.a. mit einer voraussichtlichen Anzahl von 111 Wohnungen, drei Ladeneinheiten und 45 Tiefgaragenplätzen. Die hierfür erforderliche Baugenehmigung ist der Klägerin erteilt worden. 

Die Klägerin verfügt ferner über eine zeitlich befristete Abrissgenehmigung u.a. für die von der Beklagten bewohnte Wohnung.

Nachdem eine frühere Räumungsklage der Klägerin gegen die Beklagte wegen einer im Jahr 2022 ausgesprochenen Verwertungskündigung in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben war, kündigte die Klägerin im Oktober 2024 das Mietverhältnis mit der Beklagten erneut. 

Zur Begründung führte die Klägerin aus, das Mietverhältnis stehe dem Abriss und Neubau nebst anschließendem Verkauf als einzig wirtschaftlich vertretbarer Möglichkeit der Verwertung des Grundstücks entgegen. Zugleich bot sie der Beklagten den Abschluss eines unbefristeten Wohnungsmietvertrages in einem anderen Objekt an.

Die von der Beklagten bewohnte Wohnung wurde bis Anfang November 2025 mit Fernwärme versorgt. Seitdem werden die in der Wohnung installierten Heizkörper bei geöffnetem Thermostatventil nicht mehr warm. 

Der Vertrag zwischen der Klägerin und dem bisherigen Fernwärmeversorger war zum 31.10.2025 ausgelaufen. Die Klägerin stellte der Beklagten als Ersatz für die Versorgung mit Fernwärme elektrische Heizradiatoren zur Verfügung.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des Amtsgerichts Berlin-Mitte ist die erneut ausgesprochene Verwertungskündigung nicht wirksam. Der Klägerin entstehe durch den Fortbestand des Mietverhältnisses kein erheblicher Nachteil. 

Bei der Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse der Beklagten und dem Verwertungsinteresse der Klägerin sei mit ganz erheblichem Gewicht zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Objekt in Kenntnis der Beklagten und der eingeschränkten Möglichkeiten zur Änderung oder gar Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse erworben habe. 

Die geplante Verwertung mit der weiterhin angestrebten Rendite sei von vorneherein ein hochriskantes und im Rahmen der Abwägung damit weniger schutzwürdiges Geschäfts gewesen. Der Klägerin hätte es oblegen, sich vor dem Erwerb - wie marktüblich - im Rahmen einer sachgerechten „Due Diligence“ ein hinreichendes Bild von den baulichen Verhältnissen zu machen. 

Auch hätte es ihr oblegen die nicht fernliegende Möglichkeit des Fortbestandes der Mietverhältnisse wirtschaftlich sinnvoll zu kalkulieren. Dass sich der Erwerb nunmehr als Fehlkalkulation herausstelle, könne nicht zu Lasten der Mieter gehen.

Ein den Abriss rechtfertigender Erneuerungsbedarf des Gebäudes insgesamt sei nicht dargetan. Es sei der Klägerin auch unter Erhalt der Bausubstanz mit vertretbarem Aufwand möglich, die Wohnung in einen Zustand zu versetzen, der einer angemessen Wohnraumversorgung entspreche. 

Eine angemessene Wohnraumversorgung sei nicht gleichzusetzen mit dem heutigem Komfort und Stand der (Neubau-)Technik. Vielmehr meine der Begriff die Versorgung mit nach Größe, Ausstattung und Miete für breite Schichten der Bevölkerung geeigneten Wohnraum. 

Ausreichend sei ein mangelfreier Durchschnittszustand. Soweit hierfür Modernisierungsmaßnahmen erforderlich seien, könnten die dabei entstehenden Kosten in den gesetzlichen Grenzen auf die Mieter umgelegt werden.

Die Funktionslosigkeit der Heizkörper in der Wohnung stelle einen Mangel der Wohnung dar, weil die Wohnung mit funktionierenden Heizkörpern vermietet worden sei. Dies stelle den von der Klägerin geschuldeten Soll-Zustand dar. 

Die gestellten Elektroheizkörper würden keinen geeigneten Ersatz für eine ordnungsgemäße Fernwärmeversorgung darstellen. Der Dauerbetrieb von Elektroheizkörpern führe zu unverhältnismäßig hohen Stromkosten und verbrauche zusätzlichen Platz in der Wohnung. 

Ein unbilliger Kontrahierungszwang mit dem bisherigen Fernwärmeversorger treffe die Klägerin nicht. Es bleibe ihr überlassen, wie sie den Betrieb der in der streitgegenständlichen Wohnung befindlichen Heizkörper sicherstelle.

Beim Amtsgericht Berlin-Mitte sind derzeit noch vier weitere Räumungsklagen anhängig, die denselben Gebäudekomplex betreffen und ebenfalls auf Verwertungskündigungen gestützt werden.

Das Urteil ist derzeit nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann hiergegen binnen eines Monats ab Zustellung des Urteils Berufung zum Landgericht Berlin II einlegen.

Amtsgericht Berlin-Mitte, Urt. v. 03.12.2025 - 9 C 5083/25

Quelle: Amtsgericht Berlin-Mitte, Pressemitteilung v. 03.12.2025

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