6/3.11.10 Sterbehilfe und Strafrecht

Autor: Grziwotz

6/3.11.10.1 Suizid(-teilnahme)

Suizid

Die Strafbarkeit aufgrund eines Tötungsdelikts (§§ 211-216, 222 StGB) setzt die Tötung eines anderen Menschen voraus. Die Selbsttötung ist dagegen straflos (siehe nur Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, vor § 211 Rdnr. 19). Mangels einer tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Haupttat ist auch die Teilnahme an einem Selbstmord straflos (BGH, Urt. v. 07.02.2001 - 6 StR 474/00, BGHSt 46, 279 = NStZ 2001, 324; BGH, Urt. v. 03.07.2019 - 5 StR 393/18, BGHSt 64, 135 = NJW 2019, 3089; Kubiciel, NJW 2019, 3033, 3034; BGH, Beschl. v. 28.06.2022 - 6 StR 68/21, NJW 2022, 3021). Auch die fahrlässige Mitverursachung einer Selbsttötung oder eine sonstige fahrlässige Veranlassung des eigenverantwortlichen Handelns eines Selbstmörders ist straflos (BGH, Urt. v. 07.10.2010 - 3 StR 168/10, NStZ 2011, 341, 342). Es liegt auch keine unterlassene Hilfeleistung vor.

Abgrenzung

Die Straffreiheit der Suizidteilnahme muss im Einzelfall von der strafbaren Tötung auf Verlangen abgegrenzt werden. Die Strafbarkeit fängt dort an, wo der sich Beteiligende die Tatherrschaft innehat, insbesondere wenn er kraft überlegenen Sachwissens das vom Lebensmüden in Gang gesetzte Geschehen beherrscht. Anders ist dies, wenn er lediglich den freiwillig-ernsthaften Selbsttötungsentschluss des Schutzbefohlenen achten wollte und sich ihm untergeordnet hat (siehe BGH, Urt. v. 20.05.2003 - 5 StR 66/03, NStZ 2003, 537, 538; Klöpperpieper, FPR 2010, , 261).