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Wann kann der Testamentsvollstrecker entlassen werden?

Auch wenn ein wichtiger Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB vorliegt, muss das Nachlassgericht umfassend zwischen Entlassungs- und Fortführungsinteresse abwägen. Das OLG Düsseldorf hat hierfür genauer die Voraussetzungen bestimmt. Tatsachen, die dem Erblasser bei der Berufung des Testamentsvollstreckers bekannt waren, reichen regelmäßig nicht.

Sachverhalt

Die Erblasserin war unverheiratet und kinderlos. Sämtliche Geschwister waren vorverstorben. In einem notariellen Testament aus dem Jahr 1980 setzte sie acht in nummerischer Reihenfolge genannte Nichten und Neffen zu gleichen Teilen als Erben ein. Weiter bestimmte sie u.a. wörtlich wie folgt:

„Zu meinem Testamentsvollstrecker berufe ich meinen in Artikel I genannten Neffen H. W.. Sollte dieser das Amt nicht annehmen können oder wollen, so soll Ersatztestamentsvollstrecker sein mein in Artikel I genannter Neffe P. W.. Der Testamentsvollstrecker soll von allen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit sein, von welchen das Gesetz die Befreiung gestattet. .... Der Testamentsvollstrecker ist insbesondere von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches befreit, soweit es gegebenenfalls um die Durchführung der Übertragung von Grundbesitz gemäss Artikel III. auf ihn selbst geht.“

Der Testamentsvollstrecker nahm sein Amt im Jahr 2002 an. Im August 2013 übersandt einer der erbenden Neffen ein weiteres Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1994 an das Nachlassgericht. In diesem wurden ihm „meine sämtlichen Effekten vom Depot … bei der Sparkasse …“ vermacht. Schon im Juli 2013 hatte dieser Neffe zudem beantragt, den Testamentsvollstrecker aus seinem Amt zu entlassen. Dieser Antrag wurde vom Nachlassgericht kostenpflichtig zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss legte der Neffe Rechtsmittel ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die zulässige befristete Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg. Zunächst stellte das OLG Düsseldorf klar, dass die anderen Nichten und Neffen nicht als Beteiligte hinzugezogen werden mussten. Dann führt es aus, warum der Testamentsvollstrecker nicht nach § 2227 BGB zu entlassen war.

Grundsätzlich müsse ein wichtiger Grund i.S.d. § 2227 BGB vorliegen. Wenn ein solcher vorliegt, müsse für eine Entlassung zudem das Entlassungsinteresse gegenüber den Fortführungsinteresse überwiegen. Vorliegend galt es lediglich noch „Restarbeiten“ wie die Verteilung des Hausrats durchzuführen. Dies lässt sich nach Ansicht des OLG durch einen Testamentsvollstrecker besser bewerkstelligen. Hinzu kommt nach objektiver Sachlage, dass der Ersatztestamentsvollstrecker vorverstorben ist und darüber hinaus keiner der Miterben dem Entlassungsantrag zugestimmt hatte. Schließlich ist der Testamentsvollstrecker aus der subjektiven Sicht der Erblasserin eine vertrauenswürdige Person. Schon zu Lebzeiten verwaltete dieser ihr Vermögen.

Aus Sicht des OLG überwiegt bei dieser objektiven bzw. subjektiven Sachlage das Fortführungsinteresse. Es bestehe keine Gefahr dafür, dass der Testamentsvollstrecker zukünftig den Interessen der Erblasserin und der Miterben zuwider selbstherrlich handeln wird.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Gerichte sind bei der Entlassung von Testamentsvollstrecker tendenziell eher zurückhaltend. Hier ist bei Bedarf große Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Wert eines Testamentsvollstreckerentlassungsverfahrens wird von den meisten Gerichten auf 10 % des Bruttonachlasses festgesetzt. Die Wertfestsetzung erfolgt nach §§ 61 Abs.1 S. 1 und § 65 GNotKG.

Praxishinweis

Im vorliegenden Beschluss führt das OLG Düsseldorf zusammenfassend zum Testamentsvollstreckerverfahren lehrbuchmäßig aus, wie die gerichtliche Überprüfung der Entlassung eines Testamentsvollstreckers zu erfolgen hat. Der Beschluss ist daher für den Berater von großer praktischer Bedeutung. Nach dem OLG Düsseldorf haben die Gerichte im Rahmen eines Verfahrens zur Entlassung des Testamentsvollstreckers, teilweise wörtlich zitiert, die folgende Prüfung vorzunehmen:

Das Gericht hat zunächst zu beurteilen, ob der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes i.S.d. § 2227 BGB erfüllt ist, und hat anschließend sein Versagungsermessen auszuüben. D.h., dass selbst beim Vorliegen eines wichtigen Grundes der Testamentsvollstrecker nicht zwingend zu entlassen ist. Das Gericht hat immer zu prüfen, ob nicht überwiegende Gründe für sein Verbleiben im Amt sprechen.

Nach einer anderen Auffassung ist schon bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zwischen dem Interesse an der Beibehaltung im Amt und dem entgegengesetzten Interesse an der Entlassung abzuwägen. In jedem Fall aber entscheidet damit letztlich das Ergebnis der Abwägung zwischen Entlassungs- und Fortführungsinteresse.

Damit rechtfertigen nur solche Gründe eine Entlassung, die ein Gewicht haben, das sich auch gegenüber den für eine Fortführung des Amtes sprechenden Umständen durchsetzt.

Im Einzelnen ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Testamentsvollstrecker um die nach dem Willen des Erblassers amtierende Vertrauensperson handelt. Zu beachten ist daher, ob bestimmte Umstände den Erblasser, wenn er noch lebte, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung des von ihm ausgewählten Testamentsvollstreckers veranlasst hätten. Dem Erblasser zum Zeitpunkt der Berufung des Testamentsvollstreckers bekannte Tatsachen rechtfertigen damit regelmäßig nicht dessen Entlassung.

Auf der anderen Seite bietet § 2227 BGB angesichts der beschränkten Funktionen des Nachlassgerichts bei einer Testamentsvollstreckung die einzige effektive Möglichkeit, nötigenfalls die Nachlassbeteiligten durch staatliche Gerichte zu schützen. Demnach bildet die ernstliche Gefährdung der Rechte oder Interessen der Erben, die diese nach ihrer eigenen Entschließung wahrnehmen bzw. verfolgen wollen, den Kern der zur Entlassung berechtigenden Gründe.

Das gilt vorrangig bei Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers. Zu einer groben Pflichtverletzung werden sie jedoch regelmäßig erst, wenn die vorbezeichnete ernstliche Gefährdung gegeben ist.

Das Gewicht einer Pflichtverletzung nimmt dagegen eher ab, wenn den Erben ihrerseits eine mangelnde Bereitschaft zur Kooperation mit dem Testamentsvollstrecker vorzuwerfen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sie diesem von vornherein keine effektive Chance gegeben haben, sein Amt unter vernünftigen Bedingungen anzutreten und es ordnungsgemäß auszuüben.

Der Berater ist nach all dem gehalten, im nachlassgerichtlichen Verfahren zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers sowohl zur groben Pflichtverletzung als auch ausführlich zum Entlassungs- bzw. Fortführungsinteresse vorzutragen.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.02.2017 -  I-3 Wx 20/16

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold