Familienrecht, Arbeitsrecht -

Diskriminierung am Arbeitsplatz von Eltern behinderter Kinder

Der Schutz der Rechte behinderter Personen vor indirekter Diskriminierung erstreckt sich auch auf Eltern behinderter Kinder. Das hat der EuGH entschieden. Die Beschäftigungsbedingungen sind demnach so anzupassen, dass Eltern sich ohne die Gefahr einer mittelbaren Diskriminierung um ihr Kind kümmern können. Arbeitgeber sollen dabei aber nicht unverhältnismäßig belastet werden.

Darum geht es

Eine Stationsaufsicht ersuchte ihren Arbeitgeber mehrmals, sie an einem Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten einzusetzen. Dies begründete sie damit, dass sie sich um ihren schwerbehinderten, vollinvaliden Sohn kümmern müsse. 

Der Arbeitgeber gewährte ihr vorläufig bestimmte Anpassungen. Er lehnte es jedoch ab, diese Anpassungen auf Dauer zu gewähren. 

Die Stationsaufsicht focht diese Ablehnung vor den italienischen Gerichten an, bis die Rechtssache schließlich dem italienischen Kassationsgerichtshof vorgelegt wurde.

Der italienische Kassationsgerichtshof hat sich an den EuGH gewandt, denn er hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung des Unionsrechts zum Schutz vor mittelbarer Diskriminierung eines Arbeitnehmers, der sich, ohne selbst behindert zu sein, um sein schwerbehindertes minderjähriges Kind kümmert.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der EuGH antwortet, dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung nach der Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG v. 27.11.2000) auch für einen Arbeitnehmer gilt, der wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird.

Ausweislich des Urteils Coleman (EuGH, Urt. v. 17.07.2008 - C-303/06), in dem der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass nach dieser Richtlinie eine unmittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung verboten ist, zielt diese Richtlinie darauf ab, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen. 

Außerdem ist diese Richtlinie im Licht des Diskriminierungsverbots, der Wahrung der Rechte der Kinder und des Rechts behinderter Personen auf Eingliederung - jeweils in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehen - in Verbindung mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu sehen. 

Aus diesen Rechtsakten geht hervor, dass zur Wahrung der Rechte von behinderten Menschen, insbesondere Kindern, das allgemeine Diskriminierungsverbot auch die mittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung erfasst, damit auch die Eltern behinderter Kinder in Beschäftigung und Beruf gleichbehandelt und nicht aufgrund der Lage ihrer Kinder benachteiligt werden.

Dem EuGH zufolge ist ein Arbeitgeber, um die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer zu gewährleisten, verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Arbeitnehmer ihren behinderten Kindern die erforderliche Unterstützung zukommen lassen können, sofern dadurch der Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet wird. 

Das nationale Gericht wird daher zu prüfen haben, ob in dieser Rechtssache das Ersuchen des
Arbeitnehmers den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastet hätte.

EuGH, Urt. v. 11.09.2025 - C-38/24  

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 11.09.2025

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