Familienrecht, Sozialrecht -

Grenzbetrag beim Kindergeld verfassungsgemäß

BVerfG, Beschl. v. 27.07.2010 - 2 BvR 2122/09

Die Regelung des Grenzbetrags für die Bewilligung von Kindergeld ist nicht verfassungswidrig.

Darum geht es:

Der Beschwerdeführer bezog für seinen Sohn, der sich in den Jahren 2002 bis 2006 in Berufsausbildung befand, Kindergeld. Die Familienkasse bewilligte für das Jahr 2005 kein Kindergeld, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.680 Euro um 4,34 Euro überschritten.

Die dagegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers blieb vor den Finanzgerichten ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor, insbesondere wird der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung sowie die gesetzliche Festlegung des Grenzbetrags in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG verletzt.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Der durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierte staatliche Schutz von Ehe und Familie gebietet, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muss. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muss er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen.

Kindergeld nur, wenn eigene Einkünfte des Kindes unter Existenzminimum liegen

Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Gewährung des Kinderfreibetrags beziehungsweise des Kindergelds davon abhängig macht, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist.

Steuerlicher Grundfreibetrag mit Existenzminimum vergleichbar

Typisierend darf der Gesetzgeber hierbei von dem für erwachsene Steuerpflichtige geltenden Grundfreibetrag ausgehen. Dieserwar  im Streitjahr höher als der Kinderfreibetrags beziehungsweise das Kindergeld. Er lag auch über den vom Bundesverfassungsgericht als nicht evident unzureichend angesehenen staatlichen Sozialhilfeleistungen.

Damit wird das Kinderexistenzminimum in jedem Fall vor dem steuerlichen Zugriff verschont.

Regelung mit Sozailstaatsprinzip vereinbar

Mehr gebietet das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht. Insbesondere gebietet es keine mehrfache Freistellung des Existenzminimums. Letztere werde hingegen vom Beschwerdeführer dadurch angestrebt, dass neben dem Existenzminimum seines Kindes durch den Grundfreibetrag zusätzlich noch der Kinderfreibetrag beziehungsweise Kindergeld gewährt werden soll, obwohl das Kind mit seinen Einkünften selbst in Höhe des Grundfreibetrags verschont bleibt.

Ausgestaltung als Freigrenze nicht zu beanstanden; kein Freibertrag erforderlich

Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Grenzbetragsregelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gesetzestechnisch als Freigrenze und nicht als Freibetragsregelung auszugestalten, liegt im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Diese Regelung vereinfacht den Vollzug der betroffenen Norm durch die Finanzverwaltung erheblich. Denn bei einer gleitenden Übergangsregelung durch einen Freibetrag ergäbe sich ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand, da bei Einkünften und Bezügen des Kindes über dem Grenzbetrag jeweils deren genaue Höhe festgestellt und bei der Berechnung des verbleibenden Kindergeldanspruchs der Eltern mit deren individuellem Steuersatz umgerechnet werden müsste.

Quelle: BVerfG - Pressemitteilung vom 12.08.10