Miet- und WEG-Recht -

Betriebskosten-Vorschuss bei dinglichem Wohnungsrecht

BGH, Urteil vom 18.06.2010 – V ZR 196/09

Der Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechtes braucht normalerweise keine Vorschüsse hinsichtlich der angefallenen Betriebskosten zu zahlen. Etwas anderes gilt, soweit die Entrichtung von Vorauszahlungen vertraglich vereinbart wurde. Unter Umständen kann sich eine Verpflichtung zur Zahlung von Vorschüssen aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben.

Darum geht es:
Der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses hatte mit drei verschiedenen Parteien jeweils ein dingliches Wohnungsrecht vereinbart und ins Grundbuch eintragen lassen. Ebenfalls vereinbart worden war, dass die Inhaber des dinglichen Wohnungsrechtes die anfallenden Betriebskosten zu erstatten hätten. Nach Erstellung einer Betriebskostenabrechnung verlangte der Eigentümer von ihnen die Entrichtung von Betriebskosten-Vorschüssen. Er begründete das damit, dass auch Mieter Vorauszahlungen leisten müssten. Die Inhaber des dinglichen Wohnungsrechtes seien demgegenüber nicht besser gestellt. Die Betroffenen beurteilten dies anders und weigerten sich zu zahlen. Der Eigentümer reichte daraufhin Klage ein mit der Begründung, dass das Verhalten der Wohnungsberechtigten zumindest treuwidrig sei.

Wesentliche Entscheidungsgründe:
Der BGH entschied in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, dass die Wohnungsberechtigten keine Vorauszahlungen hinsichtlich der anfallenden Betriebskosten zu leisten brauchen.

Keine Verpflichtung aus dinglichem Wohnungsrecht
Aus der Stellung als Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechtes gem. § 1093 BGB ergibt sich keine Verpflichtung zur Entrichtung von Vorauszahlungen.

Auch keine Verpflichtung aus Mietervorschriften
Auch die entsprechende Anwendung der für Mieter geltenden Vorschrift des § 556 Abs. 2 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch ein Mieter braucht nach dem Wortlaut dieser Norm nur dann Vorauszahlungen leisten, wenn er dies mit seinem Vermieter entsprechend vereinbart hat.

Keine ergänzende Vertragsauslegung
Im Folgenden prüft das Gericht, ob sich eine Verpflichtung zu Vorauszahlungen aus einer ergänzenden Auslegung des Vertrages mit dem Eigentümer ergibt. Dies setzt jedoch das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraus. Hierfür gibt es jedoch weder seitens des Gesetzgebers, noch hinsichtlich der Vertragsparteien irgendwelche konkreten Anhaltspunkte. Zunächst einmal ist es bei einer fehlenden Regelung beziehungsweise Vereinbarung nicht treuwidrig, wenn keine Vorschüsse geleistet werden.

Darüber hinaus ist im Wohnungsrechtsbestellungsvertrag lediglich davon die Rede, dass die dinglich Wohnungsberechtigten der Eigentümerin des Grundstücks die Nebenkosten zu erstatten haben, „soweit diese im Einzelfall von ihr persönlich verauslagt werden“. Eine solche Regelung ist als abschließend anzusehen. Aus ihrer Formulierung ergibt sich nicht, dass die Eigentümerin die Aufnahme einer Verpflichtung zur Entrichtung von Betriebskosten-Vorauszahlungen in den Vertragstext vergessen hat.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Eigentümerin zunächst einmal nicht die Zahlung von Vorschüssen verlangt hat.

Keine Verpflichtung aufgrund von Auftrag
Es besteht mangels Bestehen eines Auftragsverhältnisses kein Anspruch auf Entrichtung eines Vorschusses aus § 669 BGB.

Praxistipp:
Weder ein Mieter, noch ein dinglich Wohnungsberechtiger braucht normalerweise einen Vorschuss hinsichtlich der Betriebskosten zu leisten. Anders ist das nur, soweit eine Verpflichtung zur Entrichtung eines Vorschusses ausdrücklich im Vertrag vereinbart worden ist. Hierauf sollten Sie Ihren Mandanten als Vermieter beziehungsweise Grundstückseigentümer unbedingt aufmerksam machen. Ansonsten könnte er leicht in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Das gilt vor allem dann, wenn er an mehrere Parteien vermietet oder eine Vielzahl dinglicher Wohnungsrechte einräumt.

Falls dies versäumt wurde, kann sich eine Verpflichtung zur Entrichtung eines Vorschusses unter Umständen aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Hierzu müssen der Wortlaut des Vertrages sowie die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls sehr sorgfältig untersucht werden. Dazu reicht es nicht allein aus, dass der Mieter oder dinglich Wohnungsberechtigte aufgrund der getroffenen Vereinbarung grundsätzlich zu der Entrichtung der anfallenden Betriebskosten für die Wohnung verpflichtet worden ist.

Soweit Ihr Mandant als Vermieter oder Eigentümer die Zahlung eines Vorschusses fordern darf, sollten Sie diese Zahlungen so bald wie möglich einfordern. Ein längeres Zögern könnte vom Gericht als Indiz dafür gewertet werden, dass Ihr Mandant zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses gar keine vorzeitige Zahlung der Betriebskosten vereinbaren wollte.

Quelle: Besprechung von Ass. jur. Harald Büring - BGH, Urteil (V ZR 196/09) vom 18.06.10