Miet- und WEG-Recht -

Keine Kündigung trotz vorenthaltener Kaution

OLG Stuttgart, Urteil v. 30.11.2009 — 5 U 86/05, Deubner Link 2010/1143

Leitsatz

  1. Eine Mietbürgschaft sichert den Vermieter bis zum vereinbarten Vertragsende auch dann, wenn dem Mietvertrag nachträglich ein 2. Mieter beigetreten ist, für den sich der Bürge nicht verbürgt hat. Dies gilt auch dann, wenn über das Vermögen des 1. Mieters — einer GmbH — das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dieses abgeschlossen ist und die GmbH im Handelsregister gelöscht wurde.
  2. Ist in einem solchen Fall zwischen den Parteien des Mietvertrags vereinbart, dass dann, wenn der 1. Mieter aus dem Mietvertrag ausscheiden sollte, der 2. Mieter an Stelle des 1. Mieters eine Mietsicherheit zu stellen hat, so ist dies dahin auszulegen, dass diese Sicherheit nur dann zu stellen ist, wenn damit der Verlust der vom 1. Mieter gestellten Sicherheit verbunden ist oder eine Lücke in der Absicherung besteht. Ist dies nicht der Fall, berechtigt die Weigerung des 2. Mieters, eine — zusätzliche — Sicherheit zu stellen, nicht die Kündigung des Mietvertrags.

Darum geht es
Ein Vermieter schloss mit einer GmbH einen Mietvertrag über ein Ladenlokal. Dabei stellte sie ihm eine Mietkaution. Etwa zwei Jahre später trat eine weitere Mieterin in den Mietvertrag ein. Sie verpflichtete sich gegenüber dem Vermieter dazu, sämtliche Zahlungsverpflichtungen sowie sonstige Zahlungsverpflichtungen neben der GmbH als Gesamtschuldner zu erfüllen. Soweit diese vorzeitig aus dem Mietvertrag ausscheidet, leiste sie anstelle dieser Firma eine Mietkaution in Form einer Bankbürgschaft. Als nachfolgend die GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurde, forderte der Vermieter von der beigetretenen Mieterin die Stellung einer Kaution. Weil diese sich weigerte, kündigte er sie fristlos.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Der Vermieter kann nur dann vom beigetretenen Mieter die Räumung des Ladenlokals verlangen, wenn er wegen der nicht entrichteten Kaution gem. § 543 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt ist. Dies ist nur zu bejahen, wenn der Mieter dadurch seine vertraglichen Pflichten auf erhebliche Weise verletzt hat.

Erhebliche Pflichtverletzung
Hierzu müssen die beiden folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • Vom Mieter darf vertragswidrig überhaupt noch keine Sicherheit geleistet worden sein.
  • Der Vermieter muss gegenüber dem Mieter ein besonderes Sicherungsbedürfnis wegen Gefährdung seiner Ansprüche aus dem Mietverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung besitzen.

Beides ist fragwürdig, wenn der Vermieter bereits über eine Bürgschaft verfügt und diese noch wirksam ist. Hier kommt eine Kündigung des nachträglich beigetretenen Mieters wegen vertragswidrigen Verhaltens nur dann in Betracht, soweit dieser sich gleichwohl zur Stellung einer Bürgschaft verpflichtet hat. Eine solche Absprache ist jedoch im zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ersichtlich.

Fortbestehen der Bürgschaft

Das die Bürgschaft trotz Erlöschen der GmbH fortbesteht ergibt sich zunächst einmal daraus, dass in der Bürgschaftserklärung Bezug genommen wird auf die Bestimmungen im Mietvertrag, wonach die Bürgschaft umfassend zur Sicherung der Ansprüche aus dem Mietvertrag geleistet wird und auch solche Ansprüche abgesichert werden sollen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehen.

Abgrenzung zwischen Vertragsübernahme und Schuldbeitritt
Ein Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung durch den Beitritt zum Mietvertrag kommt nur dann infrage, soweit hierin eine Vertragsübernahme liegt. Soweit der neu eingetretene Mieter lediglich zusätzlich zur GmbH gesamtschuldnerisch haftet, liegt keine Vertragsübernahme sondern vielmehr nur ein Schuldbeitritt vor. Dies hat zur Folge, dass der Vermieter durch die fortbestehende Bürgschaft hinreichend abgesichert ist. Vorliegend bestand die Bürgschaft trotz Löschung der GmbH aus dem Handelsregister weiter. Sie ging nicht unter, weil sie sich von einem unselbstständigen Nebenrecht in einen selbstständigen Anspruch gegenüber der Bank verwandelt hat.

Soweit die Bank unberechtigterweise vom Vermieter die Bürgschaftsurkunde heraus verlangt, kann der Vermieter trotzdem nicht vom beigetretenen Mieter die Stellung einer neuen Kaution verlangen. Denn der Vermieter darf hier die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde gegenüber der Bank verweigern. Und von diesem Recht muss er Gebrauch machen. Er darf das Risiko nicht auf den beigetretenen Mieter verlagern. Von daher ist die Klage des Vermieters nach Ansicht des OLG Stuttgart unbegründet. Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen.

Praxishinweis
Ihr Mandant sollte als Vermieter in derartigen Fallkonstellationen nicht leichtfertig seinem Mieter kündigen, wenn er die erwartete Kaution nicht stellt. Es sollte umfassend geprüft werden, ob er diese von einem dem Mietvertrag nachträglich beigetretenen Mieter überhaupt verlangen darf. Maßgeblich sind dafür erste einmal, was die Mietparteien genau vereinbart haben. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der zweite Mieter bei dem Wegfall des früheren Mieters nur dann eine Kaution zu stellen braucht, wenn der Vermieter sonst nicht hinreichend abgesichert ist. Davon ist nur auszugehen, wenn die Bürgschaft ebenfalls erloschen ist. Allein die materielle Rechtslage - und nicht das Verhalten der Bank - ist hier entscheidend.

Soweit Ihr Mandant als Vermieter Wert darauf legt, muss ausdrücklich vereinbart werden, dass der hinzutretende Mieter die ursprünglich abgegebene Kaution durch eine eigene ersetzen muss. Allerdings besteht hier unter Umständen die Möglichkeit, dass diese Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt und daher unwirksam ist. Hiervon ist auszugehen, soweit der Vermieter als übersichert anzusehen ist.

Ausblick
Abzuwarten ist aufgrund der zugelassenen Revision, wie der BGH abschließend entscheiden wird. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde bislang noch nicht entschieden, ob eine Verselbstständigung der Bürgschaft nach den in BGHZ 82,33 aufgezeigten Grundsätzen dann ebenfalls eintritt, wenn von den beiden Mietern derjenige weg fällt, für den die Bürgschaft übernommen wurde und der andere dabei das Mietverhältnis unverändert fortführt.

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Quelle: Harald Büring, Assessor jur., Düsseldorf - Entscheidungsbesprechung vom 08.03.10