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Nachbarstreit: Wann ist ein Schlichtungsverfahren notwendig?

Bei Streitigkeiten, die aus einem nachbarrechtlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden sind, ist vor Erhebung der Klage grundsätzlich immer ein Schlichtungsverfahren vor dem örtlichen Schiedsamt durchzuführen und zwar unabhängig von der konkreten rechtlichen Grundlage, auf die der geltend gemachte Anspruch gestützt wird. Das hat das Amtsgericht Bad Iburg entschieden.

Darum geht es

Die Parteien sind Nachbarn in Bad Iburg. Der Kläger ist Eigentümer eines noch unbebauten Grundstücks, die Beklagten sind Eigentümer des angrenzenden Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist.

Im Zuge der Baumaßnahmen legten die Beklagten im Bereich der Grundstücksgrenze eine Einfahrt an. Nachdem sie ihr Grundstück auf ein höheres Niveau aufgeschüttet hatten, errichteten sie zum ursprünglich höher gelegenen Grundstück des Klägers eine Betonmauer. 

Bei der Gründung der Mauer und den insoweit notwendigen Betonarbeiten wurden Betonteile unterhalb der Oberfläche in das Grundstück des Klägers hinein gebaut.

Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Beseitigung des Betonsockels. Er hatte direkt Klage beim Amtsgericht eingereicht und sich nicht vorher an das Schiedsamt gewandt. Dies war seiner Meinung nach nicht erforderlich: Er stütze seinen Anspruch auf § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches und nicht auf das Niedersächsische Nachbarrechtsgesetz.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Amtsgericht Bad Iburg hat die Klage als unzulässig abgewiesen.

§ 1 Abs. 2 Nr. 2 b) des Niedersächsischen Schlichtungsgesetzes (NSchlG), der die obligatorische Streitschlichtung für Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz geregelten Nachbarrechte vorschreibt, ist weit auszulegen und greift immer dann ein, wenn ein Rechtsstreit aus einem nachbarrechtlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden ist.

Vor Klageerhebung hätte auch in diesem Fall zwingend ein Streitschlichtungsverfahren gemäß § 1 NSchlG durchgeführt werden müssen, da der Rechtsstreit aus einem nachbarschaftlichen Konfliktverhältnis heraus entstanden ist. 

Ein solches liege auch dann vor, wenn Nachbarn zwar nicht direkt um Ansprüche aus dem Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz streiten, jedoch korrespondierende Beseitigungsansprüche aus § 1004 BGB oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht werden, die mit einer nachbarrechtlichen Streitigkeit in engem Zusammenhang stehen. 

Nur so könne der Zweck der Vorschrift, die Sozialbeziehung zwischen den streitenden Nachbarn in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen erreicht werden, da in einem Schlichtungsverfahren auch solche Tatsachen berücksichtigt werden können, die für die Lösung des Nachbarkonflikts von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung sind, rechtlich aber keine Relevanz haben.

Das Urteil ist rechtskräftig. Das Landgericht Osnabrück hat die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückgewiesen.

Amtsgericht Bad Iburg, Urt. v. 13.01.2021 - 4 C 465/20

Hinweis

Bestimmte zivilrechtliche Klagen vor dem Amtsgericht sind erst zulässig, nachdem die Parteien versucht haben, ihre Streitigkeit einvernehmlich beizulegen (obligatorische Streitschlichtung, § 1 NSchlG).

Die obligatorische Streitschlichtung findet statt bei:

  • Nachbarschaftskonflikten (z.B. Überwuchs von Ästen und Wurzeln, Lärm, Überfall von Laub und Früchten, Gerüche, Höhe von Pflanzen in Grenznähe).
  • Ansprüchen wegen Verletzung der persönlichen Ehre und
  • Ansprüchen wegen zivilrechtlicher Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

Zuständig für das obligatorische Streitschlichtungsverfahren sind in erster Linie die örtlichen Schiedsämter. Örtlich zuständig ist dabei das Schiedsamt, in dessen Bezirk die Antragsgegnerin oder der Antragsgegner wohnt.

Wenn sich die Parteien in einem Schlichtungsverfahren nicht einigen, erteilt die Schiedsperson ihnen eine Erfolglosigkeitsbescheinigung. Diese Bescheinigung ist Voraussetzung für die Erhebung einer Klage vor dem Amtsgericht.

Quelle: Amtsgericht Bad Iburg, Pressemitteilung v. 05.05.2021