Miet- und WEG-Recht -

Regelung von Ruhezeiten und unzumutbare Lärmbeeinträchtigung

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweisen: Bestimmtheit einer Regelung über Ruhezeiten und (Un-)Zumutbarkeit einer Lärmbeeinträchtigung nach § 14 Nr. 1 WEG

Redaktioneller Leitsatz:

Eine Bestimmung der Gemeinschaftsordnung über einzuhaltende Ruhezeiten innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage ist nur dann wirksam, wenn die Regelungen hinreichend bestimmt formuliert sind. Bei Fehlen einer wirksamen Vereinbarung besteht ein Anspruch des Wohnungseigentümers gegen seinen Nachbarn auf Untersagung der Lärmbelästigung, soweit diese für ihn nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG als unzumutbar anzusehen ist. Dies gilt auch, soweit der Lärm von dessen Kindern ausgeht.

Darum geht es:

Eine Wohnungseigentümerin hatte ihre Wohnung im ersten Stock vermietet. Nachdem in die darüber befindliche Wohnung eine Familie mit zwei Kindern eingezogen war, beschwerten sich ihre Mieter über erheblichen Lärm und kürzten die Kaltmiete. Die Wohnungseigentümerin fordert, der Familie die Störung durch übermäßige Geräuschentwicklung insbesondere durch Geschrei, laute Musik, Springen und Trampeln auf der Treppe in der häuslichen Wohnung, Möbelrücken, Bohren, Türenknallen usw. zu untersagen. In der Gemeinschaftsordnung wurden Ruhezeiten festgelegt, in denen jedes unnötige und störende Geräusch zu vermeiden und die Ruhe beeinträchtigende Tätigkeiten zu unterlassen sind.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das OLG Düsseldorf entschied, dass die beklagten Sondereigentümer die Störung durch übermäßige Geräuscheinwirkung – in den genannten Formen - vor allem innerhalb der Ruhezeiten von 13.00 Uhr und 15.00 Uhr und 22.00 Uhr und 07.00 Uhr zu unterlassen haben.

Untersagung aufgrund der Gemeinschaftsordnung

Das Gericht kommt zunächst darauf zu sprechen, ob sich ein Anspruch auf Untersagung der Störungen durch übermäßige Geräuschentwicklung aus der Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG ergibt. Zwar kann nach § 15 Abs. 3 WEG jeder Wohnungseigentümer den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung eines anderen Sondereigentümers verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass die entsprechende Reglung in der Gemeinschaftsordnung wirksam vereinbart worden ist.

Bestimmtheit der Regelung

Die Regelung ist nur dann wirksam, wenn sie hinreichend bestimmt formuliert ist. Daran fehlt es vorliegend nach Ansicht der Richter. Es sei nicht ersichtlich, was unter einem „unnötigen“ oder „störenden“ Geräusch bzw. einer „die Ruhe beeinträchtigenden Tätigkeit“ zu verstehen ist. Die Begriffe seien nicht hinreichend objektivierbar.

Untersagung aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen

Der Untersagungsanspruch ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB, weil der klagende Eigentümer die Lärmeinwirkung nicht nach § 906 BGB zu dulden hat.

Duldungspflicht nach § 906 BGB

Eine Duldungspflicht besteht nur bei einer unerheblichen Beeinträchtigung des Eigentums. Dies richtet sich innerhalb der Sonderverbindung unter Gemeinschaftseigentümern nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG.

Zumutbarkeit nach § 14 Nr. 1 WEG

Gegenüber einem anderen Sondereigentümer ist eine Geräuschentfaltung zu unterlassen, soweit ihm dadurch ein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus geht. Auch wenn bei Lärm von Kindern nach § 14 Abs. 3 WEG eine gesteigerte Duldungspflicht besteht, darf der Lärm nicht die Grenze des § 14 Nr. 1 WEG überschreiten. Dafür müssen die Eltern sorgen.

Dies ist nicht bereits der Fall, soweit Stühle zu den Mahlzeiten oder anderen Gelegenheiten an den Esstisch herangeschoben werden, eine Tür einmal etwas unvorsichtig geschlossen wird oder einmal zwei Stufen der Treppe auf einmal genommen werden.

Die Zumutbarkeit ist aber überschritten, wenn es zu

  • wiederholten Vorgängen
  • von einigem Gewicht
  • nicht unerheblichen Ausmaßes
  • bzw. einiger Dauer kommt.

Das gilt insbesondere auch während der Nachstunden ab 22.00 Uhr. Im zugrundeliegenden Sachverhalt war es durch die im Tenor ersichtlichen lärmintensiven Verhaltensweisen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen gekommen.

Erschwerend wertet das Gericht, dass das Trampeln sowie das intensive Schreien vorliegend von den Eltern ausging. So etwas sei nicht als notwendige Maßnahme der Kindererziehung zu rechtfertigen.

Praxishinweis

In der Praxis kommt es in einer Wohnungseigentumsanlage häufig zu Auseinandersetzungen wegen Lärmbeeinträchtigungen. Das gilt gerade dann, wenn Familien mit Kindern einziehen.

Auf der einen Seite müssen Kinder die Möglichkeit haben, ihren natürlichen Bewegungsdrang auszuleben und mal über die Strenge zu schlagen. Auf der anderen Seite müssen sie auch auf das Ruhebedürfnis der anderen Hausbewohner Rücksicht nehmen. Es darf zu keiner unerträglichen Entfaltung von Lärm kommen. Das gilt gerade während der Nachtzeit oder anderer üblicher Ruhezeiten.

Da der hier anzulegende Maßstab der zumutbaren Lärmbelästigung nach § 14 Nr. 1 WEG vage und oftmals von der Würdigung der Richter im Einzelfall abhängig ist, ist eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung durch die Eigentümerversammlung zu empfehlen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Regelungen sich an der Zumutbarkeitsschwelle des § 14 Nr. 1 WEG orientieren. Dabei sollte insbesondere die Intensität der zumutbaren Lärmbeeinträchtigungen – vor allem während der Ruhezeiten - näher präzisiert werden.

Die Regelungen müssen sich dabei an objektiven Kriterien und nicht an subjektiven Wertungen orientieren. Wann z.B. ein Geräusch störend oder unnötig ist, empfindet jeder Mensch unterschiedlich und besagt nichts über die Stärke des Lärms und dessen Wahrnehmbarkeit. Es reicht nicht, wenn das Singen und Musizieren außerhalb von Ruhezeiten nur in „nicht belästigender Weise und Lautstärke“ gestattet wird (BGH, Beschl. v. 10.09.1998 – V ZB 11/98 DRsp Nr. 1999/10298). Dabei sollte angegeben werden, welche Art von Geräuschen zu unterlassen sind und wann die Geräuschentwicklung übermäßig ist (Zeitdauer/Intensität). Dies kann beispielhaft geschehen und braucht nicht abschließend zu sein.

Von Lärm betroffene Eigentümer sollten in jedem Fall ein Lärmtagebuch führen, in dem die Arten des auftretenden Lärms mit Datum und Uhrzeit genau festgehalten werden.

Quelle: Harald Büring, Assessor jur., Düsseldorf - Entscheidungsbesprechung vom 13.10.09