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Aktivlegitimation einer Verbraucherzentrale aus abgetretenem Recht

Der Bundesgerichtshof hatdie Aktivlegitimation einer Verbraucherzentrale aus abgetretenem Recht bei missbräuchlicher Verwendung abhanden gekommener ec-Karten bejaht.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., machte mit einer Sammelklage an ihn abgetretene Ansprüche von Kunden der beklagten Sparkasse geltend. Er begehrt die Auszahlung, hilfsweise die Wiedergutschrift von Beträgen in Höhe von insgesamt 13.543,58 €, die die Beklagte Konten ihrer Kunden belastet hat, nachdem entsprechende Abhebungen an Geldautomaten mit den Kunden zuvor entwendeten ecKarten, s-Cards oder Sparkassenkarten unter Verwendung der korrekten PIN-Nummer getätigt worden waren.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger, der über keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) verfügt, aufgrund von Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG berechtigt ist, die an ihn abgetretenen Kundenansprüche geltend zu machen. In der Sache zieht der Kläger die Sicherheit des ec-Kartensystems in Zweifel und macht insbesondere Mängel des von der Beklagten verwendeten Systems zur Verschlüsselung der PIN-Nummern geltend. Er wendet sich deshalb gegen die Annahme, angesichts der kurzen Zeiträume zwischen dem Verlust der Karten und ihrem erfolgreichen Einsatz an Geldautomaten spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kunden ihre Sorgfaltspflichten im Umgang mit der Karte und der PIN-Nummer grob fahrlässig verletzt hätten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG nicht vorlägen, die Abtretungen somit nichtig seien und der Kläger daher nicht zur klageweisen Geltendmachung etwaiger Kundenforderungen berechtigt sei. Da zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen in der Instanzrechtsprechung vertreten werden, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Abtretungen der Kundenforderungen sind wirksam, weil die gerichtliche Einziehung der Forderungen durch eine Verbraucherorganisation im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich (Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG) ist.

Die gerichtliche Einziehung fremder und zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen von Verbrauchern durch Verbraucherzentralen oder -verbände ist gemäß Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich, wenn die Einschaltung einer Verbraucherorganisation einem kollektiven Verbraucherinteresse dient und eine effektivere Verfolgung dieses Interesses ermöglicht als eine Individualklage. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn Umstände vorliegen, die den einzelnen Verbraucher von einer Individualklage abhalten können, wie etwa eine geringe Anspruchshöhe, unverhältnismäßig hohe Prozesskosten, ein besonderes Prozessrisiko oder erhebliche praktische Schwierigkeiten, den Anspruch durchzusetzen. Diese können sich z.B. aus der Person des Prozessgegners oder im Hinblick auf die Beschaffung der erforderlichen Informationen und Beweismittel ergeben.

Gemessen hieran ist die Aktivlegitimation des Klägers im vorliegenden Fall zu bejahen. Die Frage nach der Sicherheit des Verschlüsselungssystems der Beklagten als Grundlage für die Beweislastverteilung beim Missbrauch entwendeter Kreditkarten betrifft nicht nur Belange des einzelnen Verbrauchers, sondern auch kollektive Verbraucherinteressen. Es liegen auch Umstände vor, die den einzelnen Verbraucher von der gerichtlichen Geltendmachung und der Herbeiführung einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage abhalten können. Die abgetretenen Einzelforderungen, die überwiegend in der Größenordnung von 500 € - 1.000 € liegen, sind zwar nicht besonders geringfügig. Sie stehen aber in einem Missverhältnis zu den voraussichtlichen Prozesskosten, insbesondere zu den Kosten eines wahrscheinlich erforderlichen Sachverständigengutachtens über die Sicherheit des Verschlüsselungssystems der Beklagten. Außerdem hat der Kläger eine bessere Marktübersicht und einen breiteren Zugang zu fachkundigen Informationen als der einzelne Sparkassenkunde und kann deshalb zu den technischen Einzelheiten der von ihm behaupteten Sicherheitslücken und zu parallel verlaufenden Schadensfällen besser vortragen.

Das Oberlandesgericht wird nunmehr festzustellen haben, ob das von der beklagten Sparkasse verwendete Verschlüsselungssystem ein ausreichendes Sicherheitsniveau für die Anwendung des Anscheinsbeweises hat.

Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 14.11.06