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Begrenzung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung

Die Begrenzung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung bei besonders hohen Streitwerten ist verfassungsgemäß.

Nach den früheren Bestimmungen war die Höhe des Gegenstandswerts – und damit die Höhe der gesetzlichen Vergütung – nach oben nicht begrenzt, während das nunmehr geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eine Begrenzung vorsieht.

Nach § 22 Abs. 2 RVG beträgt der Gegenstandswert höchstens 30 Millionen Euro, bei mehreren Auftraggebern insgesamt höchstens 100 Millionen Euro. Damit beläuft sich bei einem Auftraggeber eine Gebühr auf maximal 91.496 €. Kommt es zum Rechtsstreit vor den Zivilgerichten, fallen im ersten Rechtszug bei einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,2-Terminsgebühr also maximal netto 228.740 € an. Demgegenüber betrug nach früherem Recht bei einem Rechtsstreit vor den Zivilgerichten mit einem Streitwert beispielsweise von 50 Millionen Euro die Vergütung netto 302.992 €, bei 200 Millionen Euro Streitwert netto 1.202.992 €.

Die Verfassungsbeschwerden einer aus Rechtsanwälten bestehenden Partnergesellschaft und einer Rechtsanwaltssozietät gegen die gesetzliche Kappungsgrenze waren ohne Erfolg. Die Begrenzung der gesetzlichen Gebühren für Rechtsanwälte bei Streitigkeiten mit besonders hohen Gegenstandswerten ist mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht verletzt.

Die Bundesrechtsanwaltskammer hält jede Begrenzung des bestehenden Systems durch eine Deckelung der Anwaltsvergütung für verfehlt. Hierdurch würde das durch das Gesetz geschaffene ausgewogene Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant zu Lasten der Anwaltschaft verschoben, wenn diese das Risiko eines kostendeckenden Honorars bei aufwändigen und umfangreichen Verfahren mit sehr hohen Gegenstandswerten trägt. Letztendlich subventioniere die Anwaltschaft damit die Rechtsverfolgung gerade leistungsstarker Mandanten, so Dr. Bernhard Dombek, Präsident der BRAK. Allerdings seien derart extrem hohe Streitwerte nicht das Tagesgeschäft der Anwaltschaft. Die BRAK begrüßt deshalb das grundsätzliche Festhalten des Bundesverfassungsgerichts am bestehenden Gebührensystem von Anwaltshonoraren in gerichtlichen Verfahren.

Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen. Richter Gaier hat der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. In der angegriffenen Änderung des bestehenden Systems der Anwaltshonorierung durch die Einführung von Wertgrenzen für die Bestimmung der gesetzlichen Vergütung liegt weder ein Eingriff in die Berufsfreiheit noch eine Maßnahme mit eingriffsgleicher Wirkung.

Die gesetzliche Vergütungsregelung dient dem Schutz der Rechtsuchenden, indem in generalisierender Form für alle anwaltlichen Leistungen Pauschalvergütungssätze vorgesehen sind. Die gesetzlichen Gebühren geben dem Rechtsuchenden Rechtssicherheit bei der Kalkulation der möglichen Kosten. Die gesetzliche Regelung geht typisierend vor und sichert daher nicht in jedem Einzelfall, dass die Gebühr genau dem Wert und dem Umfang der anwaltlichen Leistung entspricht. Bestimmend ist insofern das gesetzgeberische Ziel, den Anwälten für ihre Tätigkeit insgesamt eine angemessene Vergütung zu ermöglichen. Darüber hinaus steht dem Rechtsanwalt der Weg einer Honorarvereinbarung offen. Der gesetzlichen Gebührenregelung kommt daher insoweit nur dispositive Wirkung zu.

An dieser Rechtslage hat sich durch die Neuregelung im Grundsatz nichts geändert. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit bleibt unberührt. Dass potentielle Mandanten möglicherweise eine anwaltliche Betreuung unter Anwendung der gesetzlichen Gebühr bevorzugen, widerspricht dem Gedanken der Vertragsfreiheit nicht. Gelingt es dem Anwalt nicht, ein höheres Honorar zu vereinbaren, realisiert sich das allgemeine Risiko, das mit der wirtschaftlichen Verwertung einer beruflich erbrachten Leistung am Markt verbunden ist. Die frühere Gebührenregelung, die jenseits der Wertgrenze höhere Gebühren vorsah und daher für die Rechtsanwälte einen geringeren Anreiz für Honorarvereinbarungen enthielt, hat keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen und den Rechtsanwälten das Risiko eines Misslingens von Honorarverhandlungen nicht mit der Wirkung abgenommen, dass eine Veränderung der gesetzlich geschaffenen Anreizstruktur als Grundrechtseingriff oder Maßnahme mit eingriffsgleicher Wirkung anzusehen wäre.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch die dispositive Gebührenfestlegung für Großverfahren jenseits der Wertgrenze eine Gebührenvereinbarung so stark erschwert wird, dass darin eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit liegt. In den vorliegend maßgebenden Großverfahren ist aus Sicht der am Streit Beteiligten die absolute Summe des Anwaltshonorars im Verhältnis zu dem absoluten Wert der im Streit befindlichen Angelegenheit regelmäßig nicht von maßgebender Bedeutung für die Bereitschaft zur Führung eines Prozesses. Dementsprechend wird das Interesse der Beteiligten an einem kompetenten, gegebenenfalls durch eine Mehrzahl spezialisierter Anwälte geleisteten rechtlichen Beistand in vielen Fällen so groß sein, dass sie bereit sein werden, dafür auch ein ausgehandeltes Honorar zu zahlen.

2. Selbst wenn ein Eingriff oder – wie Richter Gaier in seinem Sondervotum meint – eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit anzunehmen wäre, ist die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die angegriffenen Bestimmungen werden dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Ziel der angegriffenen auf die Sicherung einer ordnungsgemäß funktionierenden Rechtspflege ausgerichteten Regelung ist es, im Interesse effektiver Justizgewähr bei hohen Streitwerten das Entstehen unverhältnismäßig hoher Gebühren zu vermeiden. Darüber hinaus dient die Regelung gesetzlicher Gebühren für anwaltliche Tätigkeiten, insbesondere die Festlegung der Mindestgebühr, die im Falle einer Honorarvereinbarung nicht unterschritten werden darf, auch dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft. Bei Abwägung der Vor- und Nachteile für die jeweils betroffenen Rechtsgüter der Rechtsanwälte einerseits und der Rechtsuchenden andererseits begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber durch die veränderte Gebührenregelung den Zugang zum Gericht erleichtert und dadurch den Schutz der rechtsuchenden Bürger verstärkt hat, ohne den Anwälten ein angemessenes Honorar zu verweigern. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass Anwälten mit der Begrenzung auf Gebühren, die bei einem Streitwert von 30 Millionen Euro entstehen, ein im Verhältnis zu ihrer Leistung angemessenes Honorar verweigert wird und es ihnen dann, wenn der Aufwand eine höhere Honorierung erfordert, grundsätzlich nicht möglich ist, dies durch Honorarvereinbarung zu sichern.

Sondervotum des Richters Gaier:

Nach Auffassung des Richters Gaier stellt die gesetzliche Regelung eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit dar. Sie hindere den Berufsträger an der privatautonomen Vereinbarung seines Honorars. Die Möglichkeit der Vereinbarung einer höheren als der gesetzlich geregelten Vergütung ändere hieran nichts Entscheidendes. Denn die Regelung der gesetzlichen Gebühren schwäche die Position der Rechtsanwälte bei Verhandlungen über Honorarvereinbarungen insbesondere deshalb, weil in Rechtsstreitigkeit nur die gesetzlichen Gebühren, nicht aber ein höheres vereinbartes Honorar zu erstatten sei. Darüber hinaus entspreche die Begrenzung der gesetzlichen Vergütung der Rechtsanwälte nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es fehle an einem angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Rechtsanwälten und Mandanten. Die Regelung belaste einseitig die betroffenen Rechtsanwälte, weil ein kostendeckendes Honorar insbesondere bei aufwändigen und langwierigen Verfahren mit extrem hohen Streitwerten nicht sichergestellt sei. Sie würden zur Subventionierung der Rechtsverfolgung leistungsstarker Mandanten und insbesondere großer Wirtschaftsunternehmen herangezogen, während die breite Masse der Rechtsuchenden mit einem vergleichsweise deutlich höheren Kostenrisiko belastet bleibe. Ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Rechtsuchenden und den Interessen der Rechtsanwälte könne nur durch eine Gebührenstruktur ohne Kappungsgrenze erfolgen, die jedoch bei hohen Streitwerten zu einem erheblich geringeren Honorar als nach früherem Recht führen müsse.

Quelle: BVerfG - Pressemitteilung vom 15.05.07