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Bekämpfung der Nachahmung und Produktpiraterie in der EU

Das EP unterstützt den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, mit der Nachahmung und Produktpiraterie in der EU wirksamer bekämpft werden sollen.

Die Angleichung der nationalen Gesetzgebung betrifft besonders die Höhe der Strafen. Die strafrechtlichen Maßnahmen dieser Richtlinie können gegebenenfalls auch auf EU-Ebene durchgesetzt werden.

Ziel der Richtlinie ist es, die verschiedenen Bestimmungen zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum in den Mitgliedstaaten aneinander anzugleichen. Zukünftig soll "jede vorsätzliche, in gewerbsmäßigem Umfang begangene Verletzung eines Rechts an geistigem Eigentum" sowie die Beihilfe oder Anstiftung dazu in allen Mitgliedstaaten als Straftat gelten. Das EP stimmte im Großen und Ganzen dem Vorschlag der Kommission zu, nimmt aber einige Änderungen am Entwurf vor.

Richtlinie gilt nicht für Patentrechte und Handlungen privater Nutzer

Die Abgeordneten legen den Schwerpunkt der Richtlinie auf strafrechtliche Maßnahmen gegen Nachahmung und Produktpiraterie, schließen jedoch Verletzungen von Patentrechten, Gebrauchsmustern und Sortenschutzrechten von ihrem Geltungsbereich aus. Laut Berichterstatter Nicola ZINGARETTI (SPE, IT) "besteht keine dringende Notwendigkeit, über strafrechtliche Sanktionen tätig zu werden, weil der Patentschutz bereits in vielen Mitgliedstaaten durch strafrechtliche Sanktionen (Geldstrafen und Freiheitsstrafen) gewährleistet ist". In Deutschland werden gewerbsmäßige Patentrechtsverletzungen mit bis zu fünf Jahren, in Österreich mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet.

Nach Ansicht der Parlamentarier umfassen Rechte an geistigem Eigentum u.a.:

  • Urheberrechte,
  • dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte,
  • Schutzrechte der Ersteller von Datenbanken,
  • Schutzrechte der Schöpfer der Topografien von Halbleitererzeugnissen,
  • Markenrechte (soweit die Ausdehnung des strafrechtlichen Schutzes auf sie nicht die Regeln des freien Marktes und Forschungstätigkeit behindert),
  • Rechte an Geschmacksmustern,
  • geographische Herkunftsangaben und
  • Handelsnamen (soweit es sich um ausschließliche Rechte handelt).

Das Plenum stellt klar, dass die Richtlinie nur für Verletzungen in gewerbsmäßigem Umfang zur Erzielung wirtschaftlicher Vorteile gelten sollte. Handlungen privater Nutzer für persönliche und nicht gewinnorientierte Zwecke schließt sie daher nicht ein. Auch "der faire Gebrauch eines geschützten Werkes" z.B. durch eine Vervielfältigung für Kritik, Kommentare, Zeitungsberichte, den Unterricht, Wissenschaft und Forschung stelle keine Straftat dar.

In schweren Fällen mindestens vier Jahre Freiheitsstrafe oder 300.000 Euro Geldstrafe

Die Richtlinie legt Mindeststandards für die Obergrenzen von Sanktionen fest, die nach nationalem Recht verhängt werden. In Fällen von schwerwiegenden Verbrechen, die von einer kriminellen Vereinigung begangen wurden oder die die Gesundheit und Sicherheit von Personen gefährden, soll das Höchstmaß in Zukunft bei mindestens vier Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von mindestens 300.000 Euro liegen. Weniger schwere Fälle sollen mit einer Höchststrafe von mindestens 100.000 Euro geahndet werden. Außerdem weist das EP darauf hin, dass wiederholt begangene Straftaten berücksichtigt werden sollten, wenn die Höhe des Strafrahmens festgesetzt wird. Auch die gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung von Urheberrechten wird in Deutschland gegenwärtig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, in Österreich mit einer von bis zu zwei Jahren geahndet.

Mitwirkung Geschädigter an Ermittlungsgruppen

Um die strafrechtlichen Ermittlungen zu erleichtern, sollen nach dem Richtlinienvorschlag die betroffenen Inhaber von Rechten an geistigem Eigentum mit den Ermittlungsgruppen zusammenarbeiten. Ihre Mitwirkung bestünde jedoch in einer Unterstützungsfunktion, die die Neutralität der staatlichen Ermittlungen nicht berühren dürfe. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten in Zukunft auch ohne eine Aussage oder Anzeige des Geschädigten strafrechtliche Ermittlungen oder eine Strafverfolgung einleiten, wenn die Tat in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde.

Durchsetzung der strafrechtlichen Maßnahmen gegebenenfalls auch auf EU-Ebene

Der Richtlinienvorschlag der Kommission beruht auf dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. September 2005 (Rechtssache C 176/03 Kommission gegen Rat). Laut dem Vorschlag der Kommission können mit dieser Richtlinie strafrechtliche Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden, sollten diese für eine wirksame Umsetzung der gemeinsamen Rechtsnormen nötig sein. Gegner dieser Sichtweise weisen daraufhin, dass Strafrecht keine Kompetenz der EU sein könne. Ein Änderungsantrag, der die Ablehnung des gesamten Vorschlages auf dieser Grundlage vorsah, fand jedoch keine Mehrheit im Plenum.

Der abgeänderte Vorschlag wurde vom Parlament mit 374 Ja-Stimmen gegenüber 278 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen angenommen. Der Text wird nun an den Rat weitergeleitet und von den nationalen Regierungen beraten.

Hintergrund:

Nachahmung und Produktpiraterie haben zunehmend an Bedeutung gewonnen und stellen inzwischen eine ernsthafte Bedrohung für die einzelnen Staaten und ihre Volkswirtschaft dar. Nach Angaben der Industrie gehen durch Nachahmung jährlich geschätzte 8 Milliarden Euro des Bruttoinlandsproduktes der EU verloren. Einige Unternehmen würden insgesamt zwischen 45 und 65 Milliarden Euro verlieren. Die Global Anti Counterfeiting Group schätzt die jährlichen Einnahmeverluste bei Parfüm und Körperpflegemitteln auf 7,2%, bei Arzneimitteln auf 5,8% und in der Spielzeug- und der Sportbranche auf 11,5%. Laut Business Software Alliance (BSA) sind weltweit 40% der benutzten Software ist wahrscheinlich gefälscht, in der EU sind es 37%, was zu Einnahmeverlusten von jährlich 2,9 Milliarden Euro führt. Weltweit seien außerdem 36% aller verkauften Musik-CDs und -Kassetten Raubkopien.

Die unterschiedlichen Sanktionsregelungen der einzelnen Mitgliedstaaten beeinträchtigten nicht nur das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, sie erschwerten auch die wirksame Bekämpfung von Nachahmung und Produktpiraterie, so die Kommission. Über die wirtschaftlichen Folgen hinaus führten Nachahmung und Produktpiraterie auch zu Problemen beim Verbraucherschutz, besonders wenn Gesundheit oder Sicherheit gefährdet sei.

Quelle: Europäisches Parlament - Pressemitteilung vom 24.04.07