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Berechnung des Unternehmenswerts in Spruchverfahren

Das Oberlandesgericht Stuttgart will neue Maßstäbe für die Berechnung des Unternehmenswerts in Spruchverfahren aufstellen.

Es widerspricht der Maßgabe, bei der Berechnung im Wesentlichen den Durchschnittskurs zugrunde zu legen, der sich in den drei Monaten vor der Beschlussfassung über die fragliche Maßnahme gebildet hatte und folgt an dieser Stelle einer weitverbreiteten Meinung der Literatur.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte in einem Spruchverfahren den Wert eines dem DaimlerChrysler-Konzern zugehörigen Unternehmens festzustellen, nachdem dort die Minderheitsaktionäre ausgeschlossen worden waren. Das von den ausgeschlossenen Aktionären angerufene Landgericht Stuttgart hatte die angebotene Abfindung als angemessen bezeichnet und eine Erhöhung abgelehnt. Dagegen ist Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt worden.

Das Oberlandesgericht hat den Fall dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es ist der Überzeugung, dass der bisherigen Rechtsprechung zur Feststellung des Unternehmenswerts in einem für die Entscheidung erheblichen Punkt nicht zu folgen sei.

Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 1999 im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht grundlegend entschieden, dass der Unternehmenswert in solchen Fällen nicht nur nach betriebswirtschaftlichen Methoden (z.B. nach der sog. Ertragswertmethode) zu berechnen sei. Untergrenze dessen, was einer Entschädigung zugrunde zu legen sei, sei vielmehr ein aus Börsenkursen abzuleitender Wert. Dies hat in der Rechtsprechung und Literatur breite Gefolgschaft gefunden und wird auch vom Oberlandesgericht Stuttgart nicht in Frage gestellt.

Der Bundesgerichtshof hatte allerdings auch im Einzelnen festgelegt, wie aus den Börsenkursen ein Wert abzuleiten sei. Nach seiner Vorstellung war dabei im Wesentlichen der Durchschnittskurs zugrunde zu legen, der sich in den drei Monaten vor der Beschlussfassung über die fragliche Maßnahme gebildet hatte. Während die seitdem veröffentlichten Entscheidungen der Instanzgerichte dem weitgehend folgten, erntete diese Rechtsprechung in der Literatur Widerspruch.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat diesen Widerspruch nunmehr aufgegriffen und sich zueigen gemacht. Zu den maßgeblichen Gründen dafür gehört, dass eine solche Wertfindung auf eine Art Zirkelschluss hinauslaufen kann. Denn lange vor dem Beschluss über die fragliche Maßnahme muss diese bereits angekündigt werden. Mit dem Bekanntwerden der Maßnahme, vor allem mit der Bekanntgabe der vorgesehenen Abfindung, beginnen aber unter anderem Abfindungsspekulationen den Kursverlauf zu bestimmen. Zudem müsste das Unternehmen einen Abfindungsbetrag bekanntgeben, dessen Angemessenheit erst später unter Berücksichtigung des nach der Bekanntgabe eingetretenen Börsengeschehens festgestellt werden kann.

Das Oberlandesgericht hält es aus solchen Gründen für notwendig, auf einen Kurs abzustellen, der sich vor der Bekanntgabe der Maßnahme gebildet hat. Dabei sei auch nicht der (ungewichtete) Durchschnitt der Tagesendkurse zu berechnen; die Kurse müssten vielmehr nach Maßgabe der Umsätze gewichtet werden.

Schließlich hat das Oberlandesgericht auch Fragen zur Berechnung des Ertragswerts aufgeworfen. Dazu gehört das Problem, ob weiterhin bei der Feststellung der angenommenen Jahresüberschüsse und bei einzelnen Faktoren des Kapitalisierungszinses auf eine Nachsteuerbetrachtung abzustellen sei. Dieser deutsche Sonderweg bereite in dem zunehmend globalisierten Wirtschaftsgeschehen Schwierigkeiten. Zudem könne für die Vielzahl in- und ausländischer, oft institutionalisierter Anleger kaum ein vernünftiger pauschaler Steuersatz gefunden werden.

Der Bundesgerichtshof wird den Fall voraussichtlich in allen Punkten abschließend zu entscheiden haben. Damit wird für viele gewichtige unternehmerische Maßnahmen und für entsprechende Gerichtsentscheidungen Klarheit geschaffen.

Quelle: OLG Stutgart - Pressemitteilung vom 16.02.07