Das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot findet auf einen Alleinvertriebsvertrag über Kraftstoffezwischen einemLieferanten und einem Tankstellenbetreiber Anwendung, wenn letzterer Risiken des Absatzes an Dritte trägt.
Unter diesen Umständen würde die Festsetzung eines Endverkaufspreises für den Tankstellenbetreiber eine gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Wettbewerbsbeschränkung darstellen.
Sachverhalt:
Die Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio erhob Klage bei einem spanischen Gericht, weil sie der Auffassung war, dass die Ende 1992 zwischen CEPSA (einem Unternehmen des Mineralölsektors) und einigen Tankstellenbetreibern geschlossenen Verträge zu Wettbewerbsbeschränkungen führten. Diese Verträge sehen u. a. vor, dass sich der Tankstellenbetreiber verpflichtet, ausschließlich Kraft- und Treibstoffe des Lieferanten zu den Endverkaufspreisen und den Verkaufs- und Betriebsbedingungen und -verfahren zu verkaufen, die von diesem festgesetzt worden sind.
Das Tribunal Supremo hat den Gerichtshof nach der Auslegung des allgemeinen Kartellverbots gefragt, das im Vertrag und in der Verordnung über Alleinbezugsvereinbarungen, mit der eine Gruppenfreistellung für diesen Typ vertikaler Vereinbarungen eingeführt wird, vorgesehen ist.
Entscheidung:
Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass die Verträge zwischen CEPSA und den Tankstellenbetreibern vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen darstellen, wenn der Betreiber als unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer anzusehen ist. Hierzu ist die Prüfung des mit dem Lieferanten geschlossenen Vertrags und insbesondere der sich auf die Tragung finanzieller und kommerzieller Risiken des Absatzes an Dritte beziehenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Klauseln dieses Vertrags erforderlich.
Sodann erläutert er die Kriterien, die dem nationalen Gericht die Beurteilung der in den betreffenden Verträgen vorgenommenen tatsächlichen Verteilung der finanziellen und kommerziellen Risiken zwischen den Tankstellenbetreibern und dem Kraftstofflieferanten ermöglichen. Diese Verteilung ist anhand von Kriterien wie dem Eigentum an den Waren, dem Beitrag zu den mit ihrem Vertrieb verbundenen Kosten, ihrer Lagerung, der Haftung für eventuelle Schäden an den Waren oder für durch diese Dritten entstandenen Schäden und der Vornahme von für den Absatz dieser Waren spezifischen Investitionen zu untersuchen.
Sollten die den Tankstellenbetreibern im Rahmen des Absatzes der Waren an Dritte auferlegten Verpflichtungen nicht als vom Vertrag verbotene Vereinbarungen zwischen Unternehmen anzusehen sein, so wäre die Verpflichtung der Betreiber, den Kraftstoff zu einem festen Preis zu verkaufen, Teil der Befugnis von CEPSA, den Tätigkeitsbereich ihrer Handelsvertreter festzulegen. Diese Verpflichtung wäre somit nicht durch das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verboten.
Sollte das nationale Gericht dagegen zu dem Ergebnis gelangen, dass eine vom Vertrag verbotene Vereinbarung zwischen Unternehmen vorliegt, so gehörte die Beachtung des Endverkaufspreises nicht zu den Verpflichtungen, die dem Wiederverkäufer nach der Verordnung über Alleinbezugsvereinbarungen auferlegt werden dürfen. Die Festlegung dieses Preises durch CEPSA würde eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen, die von der in der Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung nicht erfasst wäre.
Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 19.12.06