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Neuerungen bei Führungsaufsicht und Sicherungsverwahrung

Der Bundestag hateine Reform der Führungsaufsicht und eine Ergänzung der Regelungen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung beschlossen.

Die Reform der Führungsaufsicht soll eine straffere und effizientere Kontrolle der Lebensführung von Straftätern - vor allem in den ersten Jahren nach ihrer Entlassung in Freiheit - ermöglichen. Die rechtlichen Regelungen sollen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Zusammen mit einer Ergänzung der Regelungen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die vor allem sogenannte DDR-Altfälle betrifft, soll möglicher Rückfallkriminalität vorgebeugt werden.

Reform der Führungsaufsicht

Im Bereich der Führungsaufsicht soll künftig ein mit Strafe bewehrtes Kontaktverbot ausgesprochen werden können.

Darüber hinaus werden weitere strafbewehrte Weisungen zugelassen:

  • Bestehen Hinweise darauf, dass ein Verurteilter unter Alkoholeinfluss wieder gefährlich werden kann, so kann das Gericht ihm verbieten Alkohol zu trinken. Die Einhaltung dieses Verbots kann z.B. mit Atemalkoholkontrollen überwacht werden.
  • Ein Entlassener kann angewiesen werden, sich in bestimmten Abständen bei einer Ärztin/einem Arzt, einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen.

Verstößt der Verurteilte gegen diese oder andere Weisungen, so soll dies künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren (bisher: bis zu einem Jahr) geahndet werden können. Im Vorfeld sollen die Befugnisse der Vollstreckungsgerichte und Führungsaufsichtsstellen erweitert werden. Die Gerichte dürfen künftig Vorführungsbefehle gegen Verurteilte erlassen, die keinen ausreichenden Kontakt zu ihren Bewährungshelferinnen und -helfern und zur Führungsaufsichtsstelle halten oder sich nicht – wie angeordnet – bei einem Arzt oder Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorstellen. Den Führungsaufsichtsstellen wird es ermöglicht, die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung von Verurteilten anzuordnen, deren Aufenthalt nicht bekannt ist. Beide Maßnahmen haben das Ziel, einen abgerissenen Kontakt zu dem Probanden wieder herzustellen.

Für Personen, die nach ihrer Entlassung aus einer Klinik für psychisch oder suchtkranke Straftäter in eine krisenhafte Entwicklung geraten (z. B. unkontrolliert in großen Mengen Alkohol konsumieren oder wahnhafte Ideen äußern), wird die Möglichkeit einer „stationären Krisenintervention“ geschaffen. Bisher gibt es keine adäquaten rechtlichen Mittel, um auf seelische Bedrängnisse zu reagieren, die zu einem Rückfall in die Kriminalität führen können. In der Praxis besteht aber in akuten Krisen ein Bedürfnis, gefährdete ehemalige Patienten des Maßregelvollzugs vorübergehend wieder im psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen und zu behandeln. Dies ist künftig möglich.

Nicht selten müssen psychisch kranke Täter auch nach ihrer erfolgreichen Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus weiterhin Medikamente einnehmen, damit die Erkrankung (z. B. Schizophrenie) nicht wieder ausbricht. Während der Dauer der Führungsaufsicht, die gegenwärtig regelmäßig auf höchstens fünf Jahre begrenzt ist, kann diese Medikamenteneinnahme überwacht werden. In der Praxis kommt es vor, dass Straftäterinnen oder Straftätern die Einsicht fehlt, dass sie auch nach Ablauf der Führungsaufsicht weiterhin Medikamente einnehmen oder andere Verhaltenseinschränkungen (z. B. Verzicht auf Alkoholkonsum) beachten müssen. In diesen Fällen kann künftig die Führungsaufsicht auf unbefristete Zeit verlängert werden.

Ergänzung der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung

Nach geltendem Recht kann – unter unterschiedlichen Voraussetzungen – das Gericht gegenüber einem gefährlichen Straftäter

  1. bereits im Strafurteil die Sicherungsverwahrung verhängen
  2. in das Strafurteil einen Vorbehalt aufnehmen, der dem Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Ablauf der Haft ermöglicht,
  3. seit 2004 auch ohne Vorbehalt im Strafurteil zum Haftende nachträglich Sicherungsverwahrung anordnen, wenn während der Haft Tatsachen erkennbar werden, die die besondere Gefährlichkeit des Täters belegen.

Die beschlossene Ergänzung zur nachträglichen Sicherungsverwahrung betrifft die letztgenannte Konstellation und ermöglicht künftig eine bessere Erfassung sog. „Altfälle“, in denen das Gericht wegen der im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Rechtslage gegen gefährliche Straftäter nicht schon sofort im Strafurteil Sicherungsverwahrung anordnen konnte. Zwischenzeitlich wurde die Rechtslage verschärft, die Möglichkeiten zur Anordnung der Sicherungsverwahrung erweitert.

Betroffen von der Neuerung sind Verurteilte, deren Gefährlichkeit bereits zur Zeit ihrer Aburteilung bekannt war und gegen die nach heutigen Maßstäben deshalb die Sicherungsverwahrung zugleich mit der Aburteilung angeordnet werden könnte, während das seinerzeitige Gesetz diese Möglichkeit noch nicht zuließ. Diese Konstellation betrifft vor allem die neuen Bundesländer, weil sich die DDR bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag zunächst gegen die Einführung der Sicherungsverwahrung entschieden hatte. Erst ab 1995 konnte nach einer Gesetzesänderung die Sicherungsverwahrung auch in den neuen Bundesländern angewendet werden, allerdings zunächst nur für Taten ab Inkrafttreten dieser Änderung.

Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2004, auch diese sog. Altfälle zu erfassen. Die Gerichte legten die Möglichkeit zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung allerdings einschränkend aus. Sie forderten in jedem Fall den Eintritt neuer gefährlichkeitsbegründender Tatsachen während der Haft, gefährlichkeitsbegründende Tatsachen, die schon bei der Aburteilung bekannt waren, reichten nicht aus.

Dies hat zur Konsequenz, dass Verurteilte aus der Strafhaft entlassen würden, gegen die das Gesetz bei Aburteilung ihrer Taten die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht zuließ, obwohl sie unverändert gefährlich sind. Dienun beschlossene Regelung ermöglicht nun auch für solche „Altfälle“ künftig die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung.

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 22.03.07