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Neugestaltung eines Stadtviertels als öffentlicher Bauauftrag?

Eine Vereinbahrung mit dem Ziel der stadtplanerischen Neugestaltung eines Stadtviertels stellt einen öffentlichen Bauauftrag dar.

Sachverhalt:

Die französische Stadt Roanne beschloss im Jahr 2002, als Stadtentwicklungsmaßnahme im Bahnhofsviertel ein Freizeitzentrum mit einem Multiplex-Kino, Geschäftsräumen, einem öffentlichen Parkplatz, Zugangswegen und öffentlichen Plätzen zu schaffen. Die Errichtung weiterer Geschäftsräume und eines Hotels wurde für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen.

Zur Durchführung dieses Vorhabens beauftragte die Stadt Roanne eine gemischtwirtschaftliche Stadtentwicklungsgesellschaft, die Société d'équipement du département de la Loire (SEDL), Grundstückskäufe zu tätigen und Finanzmittel zu beschaffen, Planungen vornehmen zu lassen, ein Auswahlverfahren für Planungsbüros zu organisieren, die Bauarbeiten durchführen zu lassen sowie die Koordinierung des Vorhabens und die Unterrichtung der Stadt sicherzustellen.

Da einige Mitglieder des Stadtrats der Ansicht waren, dass dieser Vereinbarung eine öffentliche Bekanntmachung oder Ausschreibung hätte vorausgehen müssen, beantragten sie beim Tribunal administratif de Lyon die Nichtigerklärung des Beschlusses des Stadtrats, der zur Beauftragung der SEDL geführt hatte. Dieses Gericht fragte den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach der Auslegung der Richtlinie zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und insbesondere, ob es sich bei der Beauftragung der SEDL um die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags handelte, für den gemäß dieser Richtlinie eine Ausschreibung hätte erfolgen müssen.

Entscheidung:

Zur Frage, ob die Raumordnungsvereinbarung einen öffentlichen Bauauftrag darstellt, stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Richtlinie zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge einen öffentlichen Bauauftrag als schriftlichen entgeltlichen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem öffentlichen Auftraggeber (Staat, Gebietskörperschaften, juristische Personen des öffentlichen Rechts) über insbesondere die Planung und/oder die Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen definiert.

Die SEDL, Unternehmerin im Sinne der Richtlinie, wurde von der Stadt auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung beauftragt. Auch wenn der Vertrag mit der SEDL Teile enthält, die die Erbringung von Dienstleistungen vorsehen, nämlich die Verwaltung und die Organisation der Arbeiten, besteht der Hauptgegenstand dieses Vertrags in der Errichtung des Freizeitzentrums, eines Bauwerks im Sinne der Richtlinie. Es ist in dieser Hinsicht unwesentlich, dass die SEDL die Arbeiten nicht selbst ausführt, sondern durch Subunternehmer ausführen lässt.

Aus der Vereinbarung ergibt sich, dass das Freizeitzentrum zur Belebung eines Stadtteils wirtschaftlichen Tätigkeiten und Dienstleistungen offenstehen soll, so dass davon auszugehen ist, dass die Vereinbarung eine wirtschaftliche Funktion erfüllt. Dem steht nicht entgegen, dass bestimmte Bauten, die zu dem Bauwerk gehören, zur Veräußerung an Dritte bestimmt sind. Es wurde ein entgeltlicher Vertrag geschlossen, der zugleich Gegenleistungen der Stadt und von Dritten vorsieht, an die bestimmte Bauten veräußert werden sollen.

Unter diesen Umständen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass diese Vereinbarung als öffentlicher Bauauftrag im Sinne der Richtlinie einzuordnen ist.

Zur Berechnung des Wertes des öffentlichen Bauauftrags, um zu bestimmen, ob der Wert des Auftrags den Schwellenwert für die Anwendung der Richtlinie überschreitet, erläutert der Gerichtshof, dass der Gesamtwert des Bauauftrags aus der Perspektive eines potenziellen Bieters zu berücksichtigen ist, was nicht nur alle Beträge einschließt, die der öffentliche Auftraggeber zu zahlen hat, sondern auch alle Zahlungen von Dritten.

Zur Möglichkeit, auf ein Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge zu verzichten, stellt der Gerichtshof fest, dass ein öffentlicher Auftraggeber nach der Richtlinie nicht davon befreit werden kann, solche Verfahren einzuhalten, auch wenn diese Vereinbarungen nach nationalem Recht nur mit bestimmten juristischen Personen geschlossen werden können, die ihrerseits gehalten sind, diese Verfahren für die Vergabe eventueller nachfolgender Aufträge durchzuführen. Da es sich bei der SEDL um eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft mit privater Kapitalbeteiligung handelt, kann das Vorhaben nicht als internes Projekt („in house") angesehen werden.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 18.01.07