Sonstige Themen -

Rahmenbeschluss über europäischen Haftbefehl gültig

Der Rahmenbeschluss über den europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten ist gültig.

Mit dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten wird ein System der Übergabe zwischen Justizbehörden von verurteilten oder verdächtigen Personen zur Vollstreckung strafrechtlicher Urteile oder zur Strafverfolgung eingeführt.

Bei bestimmten, im Rahmenbeschluss aufgezählten Straftaten, wie sie im Recht des Ausstellungsmitgliedstaats ausgestaltet sind, erfolgt eine Übergabe aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit, wenn diese Straftaten im Ausstellungsmitgliedstaat mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind.

Sachverhalt:

Im Jahr 2004 erhob die Vereinigung „Advocaten voor de Wereld" beim Arbitragehof (Belgien) eine Klage auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung des belgischen Gesetzes, durch das der Rahmenbeschluss in das belgische innerstaatliche Recht umgesetzt wird. Der Arbitragehof hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Fragen betreffend die Gültigkeit des Rahmenbeschlusses zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Erstens trägt „Advocaten voor de Wereld" vor, dass die Materie des Europäischen Haftbefehls durch ein Übereinkommen hätte geregelt werden müssen. Der Gerichtshof räumt ein, dass der Europäische Haftbefehl zwar auch durch ein Übereinkommen hätte geregelt werden können, stellt jedoch fest, dass es im Ermessen des Rates steht, dem Rechtsinstrument des Rahmenbeschlusses den Vorzug zu geben, wenn, wie in der vorliegenden Rechtssache, die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Handlung vorliegen.

Zweitens behauptet „Advocaten voor de Wereld", dass die Abschaffung der Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit für bestimmte, im Rahmenbeschluss aufgeführte Straftaten gegen das Legalitätsprinzip in Strafsachen verstoße. Aus diesem Grundsatz folgt, dass das Gesetz klar die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen definieren muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen. Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass der Rahmenbeschluss nicht auf eine Angleichung der fraglichen Straftaten hinsichtlich ihrer Tatbestandsmerkmale oder der angedrohten Strafen gerichtet ist. Demnach schafft zwar der Rahmenbeschluss die Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit für bestimmte Arten von Straftaten ab, doch bleibt für die Definition dieser Straftaten und der für sie angedrohten Strafen weiterhin das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats maßgeblich, der die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gehört, zu achten hat. Folglich steht die Abschaffung der Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit für bestimmte Straftaten mit dem Legalitätsprinzip in Einklang.

Drittens sieht „Advocaten voor de Wereld" den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung durch den Rahmenbeschluss verletzt, soweit danach bei anderen Straftaten als den darin aufgeführten die Übergabe davon abhängig gemacht werden könne, dass die Handlungen, derentwegen der Europäische Haftbefehl ausgestellt worden sei, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats eine Straftat darstellten. Diese Unterscheidung sei nicht objektiv gerechtfertigt. Die Abschaffung der Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit sei umso anfechtbarer, als der Rahmenbeschluss keine substantiierte Definition der Tatbestände enthalte, für die die Übergabe verlangt werde.

Entscheidung:

Der Gerichtshof stellt, was zum einen die Auswahl der in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses aufgelisteten 32 Arten von Straftaten angeht, fest, dass der Rat auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung und angesichts des hohen Maßes an Vertrauen und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten davon ausgehen durfte, dass die betroffenen Arten von Straftaten entweder bereits aufgrund ihrer Natur oder aufgrund der angedrohten Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren zu den Straftaten gehören, bei denen es aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt ist, nicht auf der Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit zu bestehen.

Was zum anderen den Umstand angeht, dass die mangelnde Bestimmtheit in der Definition der fraglichen Arten von Straftaten zu einer unterschiedlichen Durchführung des Rahmenbeschlusses in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen führen könnte, genügt der Hinweis, dass der Rahmenbeschluss nicht die Angleichung des materiellen Strafrechts der Mitgliedstaaten zum Ziel hat.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten berühren könnte.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 03.05.07