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Schadensersatzanspruch gegen Reiseveranstalter

Das OLG Köln hatte in zwei Fällen über die Verkehrssicherungspflicht von Reiseveranstaltern zu entscheiden.

Balkonsturz

Das Oberlandesgericht hat einen Reiseveranstalter zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 6.500,- Euro sowie von Beerdigungskosten an eine hinterbliebene Frau verurteilt, deren Ehemann während einer Türkeireise vom Balkon im dritten Stock des Hotels abgestürzt war. Nach einem gemeinsamen Besuch der Hotelbar hatte die Ehefrau sich bereits schlafen gelegt, während der Mann noch zum Rauchen auf den Balkon ging. Die Ehefrau wurde später durch ein Geräusch wach und stellte fest, dass ihr Mann vom Balkon gestürzt war. Er hatte das Gleichgewicht verloren und war über die nur 56 cm hohe Balkonbrüstung gestürzt, wodurch er tödliche Verletzungen erlitt und noch am Unfallort verstarb.

Die Witwe hatte im Prozess geltend gemacht, die Höhe der Balkonbrüstung von lediglich 56 cm stelle einen Sicherheitsmangel dar, für den der Reiseveranstalter einzustehen habe. Nach deutschen Bauvorschriften sei eine vergleichbare Balkonfläche mit einer Brüstung von mindestens 0,90 cm Höhe zu versehen. Der Reiseveranstalter hatte sich darauf berufen, die Hotelanlage habe nach den vom Hotelier vorgelegten Unterlagen allen im Urlaubsland geltenden Vorschriften entsprochen; außerdem sei der Verstorbene übermäßig alkoholisiert gewesen.

Der Senat hat in der Begründung des Urteils einen Reisemangel wegen der zu niedrigen Balkonbrüstung bejaht. Den Reiseveranstalter treffe bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reise eine Verkehrssicherungspflicht, die sich auch auf die Auswahl und Kontrolle des Vertragshotels erstrecke. Er müsse sich insbesondere vergewissern, dass die von ihm unter Vertrag genommenen Hotels einen ausreichenden Sicherheitsstandard bieten. Bei der gebotenen Überprüfung hätte es sich geradezu aufdrängen müssen, dass eine nur 56 cm hohe Balkonbrüstung im dritten Stock einen Sicherheitsmangel darstelle, da die Absturzgefahr bei Verlust des Gleichgewichts extrem hoch sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Hotelanlage den türkischen Bauvorschriften entsprochen habe; der Reiseveranstalter müsse sich immer selbst davon überzeugen, dass von sicherheitsrelevanten Anlagen und Einrichtungen keine Gefahren für die von ihm unterzubringenden Hotelgäste ausgehen.

Den Hinweis des Reiseveranstalters auf die Alkoholisierung des Unfallopfers hat der Senat nicht gelten lassen; damit könne der Ursachenzusammenhang nicht entkräftet werden. Es habe sich die typische Gefahr der zu niedrigen Balkonbrüstung verwirklicht. Eine ausreichend hohe Balkonbrüstung habe auch den Zweck, solche Gleichgewichtsstörungen aufzufangen, die aufgrund einer leichten bis mittleren Alkoholisierung entstehen. Dies gelte gerade im Urlaub, wo Alkoholkonsum zum normalen Verhalten der Reisenden gehöre, das durch Einrichtungen wie Hotelbars noch gefördert werde. Der Balkon eines Hotelzimmers müsse sich deshalb auch für einen alkoholisierten Gast in einem gefahrlosen Zustand befinden.

Sturz in Glastür

In einem am gleichen Tage verkündeten Urteil in anderer Sache wurde die Haftung des Reiseveranstalters allerdings verneint. Hier war ein Familienvater während des Bulgarienurlaub in eine Glastür des Hotels gestürzt und hatte sich durch das zersplitternde Glas eine lebensgefährliche Verletzung der Halsschlagader zugezogen, die zu seinem Glück von einem britischen Hotelgast sofort notfallmäßig versorgt werden konnte. Der Familienvater hatte Schmerzensgeld und Ersatz weiterer Schäden mit der Begründung verlangt, die Glastür hätte aus Sicherheitsglas sein müssen.

Dieser Argumentation ist der 16. Zivilsenat allerdings nicht gefolgt; selbst nach deutschen Sicherheitsstandards müssten Glastüren wie etwa typische Balkon- oder Terrassentüren nicht mit splitterfreiem Glas ausgestattet sein oder Warnaufkleber tragen. Dass in Bulgarien etwas anderes gelte, habe der Anspruchsteller nicht vorgetragen. Den Reiseveranstalter treffe auch keine besondere Pflicht, Glastüren in Hotelunterkünften zu überprüfen. Anders könnte es nur sein, wenn etwa mit einer besonderen "kindgerechten Ausstattung" geworben worden sei, was hier aber nicht der Fall war.

Quelle: OLG Köln - Pressemitteilung vom 20.12.06