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Zulässigkeit von Inhouse-Geschäften

Der Europäische Gerichtshaof hat nach der Parking-Brixen-Entscheidung erneut ein Urteil zu den sog. Inhouse-Geschäften gefällt.

Eine Gemeinde kann demnach einen öffentlichen Auftrag direkt an ein Unternehmen vergeben, dessen Anteile sie innehat, wenn das Unternehmen hauptsächlich für diese Körperschaft tatig wird. Zu berücksichtigen sind dabei alle Tätigkeiten, die dieses Unternehmen aufgrund einer Vergabe durch den öffentlichen Auftraggeber verrichtet, unabhängig davon, wer diese Tätigkeit vergütet und wo sie ausgeübt wird.

Sachverhalt:

Am 18. Dezember 2003 vergab die Gemeinde Busto Arsizio (Italien) einen Auftrag im Umfang von 8 450 000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer über die Lieferung von Brennstoffen sowie die Wartung und den Betrieb der Heizungsanlagen in den Gemeindegebäuden direkt an das Unternehmen AGESP. Alleiniger Eigentümer von AGESP ist die AGESP Holding, deren Anteile wiederum zu 99,98 % von der Gemeinde Busto Arsizio gehalten werden, wobei die verbleibenden 0,02 % von anderen Gemeinden gehalten werden. Bei ihrer Entscheidung ging die Gemeinde Busto Arsizio davon aus, dass bei AGESP die beiden von der Gemeinschaftsrechtsprechung für die Vergabe öffentlicher Aufträge ohne Ausschreibung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien. Nach Ansicht dieser Gemeinde unterliegt AGESP nämlich einer Kontrolle, die der entspricht, die die Gemeinde über ihre eigenen Dienststellen ausübt, und verrichtet ihre Tätigkeit im Wesentlichen für diese Gemeinde.

Zwei Unternehmen, die Carbotermo SpA und das Consorzio Alisei, erhoben gegen diese Entscheidung Klage beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia, das dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen nach der Auslegung der Richtlinie über öffentliche Lieferaufträge1 zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.


Entscheidung:

Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen

Der Gerichtshof verweist darauf, dass die Gesellschaft, an die der Auftrag vergeben wird, einer Kontrolle unterliegen muss, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft einzuwirken. Es muss sich dabei um die Möglichkeit handeln, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen dieser Gesellschaft ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen. Der Verwaltungsrat von AGESP und der der AGESP Holding verfügen über weite Leitungsbefugnisse, die sie autonom ausüben können, und die Gemeinde Busto Arsizio hat keine besondere Kontrollbefugnis, um ihre Handlungsfreiheit zu beschränken.

Der Gerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass die Gemeinde Busto Arsizio über AGESP keine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübt, so dass die Richtlinie über öffentliche Lieferaufträge einer Direktvergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags entgegensteht.

Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft, die Anteile innehat

Der Gerichtshof verweist darauf, dass mit den von der Rechtsprechung für die Vergabe eines Auftrags ohne Ausschreibung aufgestellten Voraussetzungen das Ziel verfolgt wird, eine Verfälschung des Wettbewerbs zu vermeiden. Das Erfordernis, dass das betreffende Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft verrichtet, die seine Anteile innehat, soll sicherstellen, dass die Richtlinie immer dann anwendbar bleibt, wenn ein derartiges Unternehmen nicht nur für die Körperschaft oder die Körperschaften tätig wird, die seine Anteile innehaben, sondern auch auf dem Markt auftritt und daher mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Voraussetzung nur dann erfüllt ist, wenn das Unternehmen hauptsächlich für die Körperschaft oder die Körperschaften tätig wird, die seine Anteile innehaben, und jede andere Tätigkeit rein nebensächlich ist.

Dazu sind alle Tätigkeiten zu berücksichtigen, die das Unternehmen aufgrund einer Vergabe durch die entsprechende Körperschaft verrichtet, unabhängig davon, wer diese Tätigkeit vergütet – sei es die Körperschaft selbst oder der Nutzer der erbrachten Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, in welchem Gebiet die Tätigkeit ausgeübt wird.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 15.05.06