Sozialrecht, Arbeitsrecht -

Berufsferne kann geringeres Arbeitslosengeld rechtfertigen

Grundsätzlich ist bei der sog. Fiktiveinstufung nach § 152 SGB III von der höchsten erlangten Qualifikation auszugehen. Etwas anderes kann aber gelten, wenn zwischen Aufgabe der Tätigkeit im Ausbildungsberuf und dem Beginn der Arbeitslosigkeit ein längerer Zeitraum liegt und ein Vermittlungserfolg im Ausbildungsberuf unwahrscheinlich ist. Das hat das Landessozialgericht NRW entschieden.

Darum geht es

Der Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Informatikkaufmann und arbeitete anschließend bis Mitte 2006 etwa zwei Jahre in diesem Beruf. In der Folgezeit war er krankheitsbedingt nicht mehr berufstätig und bezog abwechselnd Erwerbsminderungsrente, Arbeitslosengeld und Krankengeld.

Auf seinen Mitte 2015 gestellten Antrag hin gewährte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld und ermittelte dessen Höhe anhand eines fiktiven Arbeitsentgeltes, da der Kläger in den letzten zwei Jahren vor der erneuten Arbeitslosigkeit nicht mindestens 150 Tage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. In der Annahme fehlender aktueller Berufserfahrung legte sie dabei Qualifikationsgruppe 4 (ungelernte Beschäftigung) zugrunde.

Der Kläger machte geltend, dass sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten hingegen an seinem Ausbildungsberuf zu orientieren hätten. Das Sozialgericht sprach ihm dementsprechend höheres Arbeitslosengeld nach Qualifikationsgruppe 3 zu.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Landessozialgericht schloss sich der Ansicht des Sozialgerichts nicht an.

Zwar sei grundsätzlich im Rahmen der Fiktiveinstufung von der höchsten erlangten Qualifikation auszugehen. Eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 sei aber jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn - wie im Fall des Klägers - zwischen Aufgabe der Tätigkeit im Ausbildungsberuf infolge des Bezugs von Entgeltersatzleistungen und dem Beginn der Arbeitslosigkeit ein Zeitraum von gut neun Jahren liege.

Dies gelte umso mehr angesichts der sich massiv verändernden Arbeitsbedingungen im IT-Sektor in den letzten zehn Jahren, die einen Vermittlungserfolg im Ausbildungsberuf nahezu undenkbar erscheinen ließen. Die Beklagte habe ihre Vermittlungsaktivitäten daher zu Recht auf Tätigkeiten erstreckt, die keinen Berufsabschluss erforderten.

LSG NRW, Urt. v. 17.01.2019 - L 9 AL 50/18

Quelle: LSG NRW, Pressemitteilung v. 01.03.2019