Verkehrsrecht -

Tierhalterhaftung – Anscheinsbeweis für den Sturz eines Radfahrers

Stürzt eine Radfahrerin im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Begegnung eines unangeleinten Hundes, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die von dem Hund ausgehende Tiergefahr unfallursächlich war.

Eine kommunale Verordnung, aus der sich eine Pflicht zum Anleinen von Hunden ergibt, kann ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sein.
Die Geschädigte ist grundsätzlich in der Beweispflicht bezüglich der haftungsbegründenden Kausalität. Ihr kommt die Erleichterung des Anscheinsbeweises zu gute, wenn, wie hier, der Sturz in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Begegnung mit einem unangeleinten Hund erfolgt. 

Die Klägerin befuhr mit ihrem Fahrrad einen Wirtschaftsweg, als sie zwei Fußgängern begegnete. In einer Entfernung von etwa 10 bis 20 Metern lief unangeleint der von den Fußgängern ausgeführte Hund. Die Klägerin sprach den ihr bekannten Hund während der Begegnung an und kam in einem unmittelbaren Zusammenhang damit zu Fall, wobei sich die Klägerin einen Bruch eines Brustwirbels zuzog. Die Einzelheiten des Geschehens sind zwischen der Klägerin und dem Hundehalter streitig geblieben.

Außergerichtlich hat die Haftpflichtversicherung einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 1.000 € ausgeglichen. Weitere Zahlungen wurden abgelehnt. Die Klägerin hat weitergehende Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gerichtlich geltend gemacht. Diese wurden nach erfolgter Beweisaufnahme zurückgewiesen, da nach Ansicht des Landgerichts eine Verursachung durch den Hund nicht bewiesen werden konnte. Die hiergegen eingelegte Berufung war überwiegend erfolgreich.

Das Oberlandesgericht hat entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin nicht die Verursachung des Unfalls durch den Hund nachweisen müsse, für sie vielmehr der Beweis des ersten Anscheins spreche,  dass der Unfall durch den nicht angeleinten Hund verursacht wurde.

Der Umstand, dass der Hund nicht angeleint gewesen sei, stelle einen Verstoß gegen das LHundG NRW und die hierauf erlassene ordnungsbehördliche Verordnung dar. Die Verordnung sei ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (so auch OLG Hamm, NZV 2002, 461). Schutzgesetze seien die Folge bestimmter Gefahren und nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwartender Schadenereignisse, die durch das Schutzgesetz verhindert werden sollen. Aus diesem Grunde habe ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz auch beweisrechtliche Konsequenzen, wenn das Schutzgesetz das geforderte Verhalten derart konkret beschreibe, dass entsprechende Schlüsse aus der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gezogen werden können. Diesen Anforderungen wird die gegenständliche Verordnung gerecht, da in ihr konkret beschrieben ist, auf welche Weise die von Hunden ausgehende Gefährdung anderer Straßenbenutzer vermieden werden soll. Da der Hund sich entgegen der Verordnung frei bewegen konnte, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Unfall durch eben dieses Bewegungsverhalten verursacht worden ist. Der Beklagte, der den Anscheinsbeweis nicht erschüttern konnte, haftet daher nach § 833 BGB für die Folgen des von seinem Hund verursachten Unfalls.

Quelle: Hans-Helmut Schaefer - Beitrag vom 17.12.08