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Ansprüche des Erben nach fehlerhafter Zwangsversteigerung

Das OLG Brandenburg hat nach einer fehlerhaften Zwangsversteigerung eine Familie dazu verurteilt, das Grundstück an den eigentlichen Eigentümer herauszugeben und das errichtete Haus abzureißen. Zudem sind eine Grundschuld zu löschen und Nutzungsersatz von gut 6.000 € zu zahlen. Zuvor war der Zuschlag aufgrund mangelnder Nachforschungen zum Aufenthaltsort des Grundstückserben aufgehoben worden.

Darum geht es

Der Kläger war seit 1993 aufgrund testamentarischer Erbfolge als Eigentümer eines ca. 1.000 qm großen Grundstücks in Rangsdorf eingetragen. 

In einem bei dem Amtsgericht Luckenwalde geführten Zwangsversteigerungsverfahren erhielt die Beklagte im Jahre 2010 den Zuschlag und wurde als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. 

Mit ihrem Ehemann, dem weiteren Beklagten, errichtete sie auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, in das die vierköpfige Familie im August 2012 einzog. 

Im März 2014 hob das Landgericht Potsdam den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren auf eine Beschwerde des Klägers aus dem Jahr 2013 auf, weil im Zwangsversteigerungsverfahren Fehler unterlaufen und Rechte des Klägers verletzt worden seien (Beschl. v. 11.03.2014 - 1 T 103/13). 

U.a. monierte das Landgericht Potsdam dabei unzureichende Nachforschungen des Amtsgerichts zum Aufenthaltsort des Klägers (sowie Schuldners im Zwangsvollstreckungsverfahren). 

Hiergegen gerichtete Rechtsbehelfe der Beklagten einschließlich einer Verfassungsbeschwerde blieben erfolglos.

Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kläger, wieder als Eigentümer eingetragen zu werden. Er verlangt von den Beklagten Räumung und Herausgabe des Grundstücks, die Beseitigung des Hauses, die Löschung einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld sowie Nutzungsentschädigung für die Zeit bis Ende 2014 in Höhe von 28.000 €.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Kläger hatte vor dem OLG Brandenburg überwiegend Erfolg. 

Der 5. Zivilsenat hat entschieden, dass die beklagten Grundstücksnutzer das Grundstück mit einer Räumungsfrist von einem Jahr an den Eigentümer herauszugeben haben. 

Die Beklagten haben außerdem das Haus auf dem Grundstück zu beseitigen, eine eingetragene Grundschuld über 280.000 € zur Löschung zu bringen sowie einen Nutzungsersatz von gut 6.000 € zu zahlen.

Das OLG stützt seine Entscheidung auf die Eigentümerstellung des Klägers. Diese ergebe sich aus der Grundbuchsituation vor dem Zuschlag im Jahre 2010. Die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts über die Aufhebung des Zuschlags binde den Senat. 

Die auch von den Beklagten vorgebrachten Einwände gegen die Erbenstellung des Klägers wies das OLG im Ergebnis zurück. Erhebliche Gesichtspunkte sprechen demnach dafür, dass die Erblasserin den Kläger in ihrem Testament als Erben einsetzen wollte. 

Zweifel, die sich aus einer Bezeichnung „Neffe“ (der Kläger ist unstreitig nicht der Neffe, sondern der Großneffe der Erblasserin) im Testament und einem abweichenden Geburtsdatum ergeben könnten, waren insbesondere aufgrund der namentlichen Bezeichnung des Klägers für das Gericht nicht durchschlagend.

Da der Kläger daher Erbe und (rückwirkend) der wahre Eigentümer des Grundstücks sei, stehe ihm das Recht zu, dessen Räumung und Herausgabe zu verlangen. Den Beklagten stünde demgegenüber kein Recht zum Besitz zu. 

Das Begehren des Klägers verstoße auch nicht ausnahmsweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Zwar seien die Auswirkungen für die Beklagten und ihre Familie gravierend. Ihre nunmehr vergeblichen Aufwendungen für das Haus könnten aber nicht losgelöst von möglichen Ersatzansprüchen aus Amts- oder Staatshaftung betrachtet werden. 

Zudem habe der Kläger bei den Beklagten kein Vertrauen in die Wirksamkeit des Erwerbs des Grundstücks erweckt. Die Beklagten stützten sich einzig auf das Vertrauen in den staatlichen Akt des Zuschlags, ein Verhalten des Klägers, das geeignet gewesen wäre, das Vertrauen der Beklagten hervorzurufen oder zu befördern, sei dagegen nicht ersichtlich.

Als Eigentümer habe der Kläger auch das Recht, die Beseitigung des errichteten Wohnhauses zu verlangen, selbst wenn dies mit hohen Kosten verbunden sei. 

Da ein schützenswertes Eigeninteresse des Klägers, sein zuvor unbebautes Grundstück so zurückzuerhalten, nicht ausgeschlossen werden könne, sei ein Verstoß gegen das Schikaneverbot nach § 226 BGB nicht feststellbar. 

Für die Nutzung des Grundstücks hätten die Beklagten eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, wobei der für den Zeitraum bis Ende 2014 vom Landgericht angesetzte Betrag von 2.500 € jährlich nicht zu beanstanden sei.

OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2023 - 5 U 81/20

Quelle: OLG Brandenburg, Pressemitteilung v. 29.06.2023

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