Verfehlungen des Kindes (§ 1611 BGB)

1. Grundsätzliches

Wie beim Ehegattenunterhalt (§ 1579 BGB) enthalten auch die Regelungen zum Verwandtenunterhalt eine Vorschrift, wonach der Unterhalt bei Verfehlungen des Berechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen nach Billigkeit herabgesetzt oder ausgeschlossen werden kann, nämlich § 1611 BGB. Obwohl der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift in der Praxis die Geltendmachung von Elternunterhalt betrifft (siehe die Entscheidung des BGH v. 12.02.2014 - XII ZB 607/12, FamRZ 2014, 541, in der dieser auch nochmals die Grundsätze zur Verwirkung bei Umgangsverweigerung durch das Kind darstellt), greift die Vorschrift auch bei Verfehlungen des Kindes gegen den auf Unterhalt in Anspruch genommenen Elternteil ein. Dies gilt auch bei einem sogenannten privilegierten Volljährigen, also einem zwischen 18 und 21 Jahre alten Kind, das sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet und bei einem Elternteil lebt. Ausgenommen ist nach § 1611 Abs. 2 BGB nur das minderjährige Kind. Dessen Anspruch kann nicht nach Billigkeit herabgesetzt werden oder gänzlich entfallen. Auch ein aus der Zeit der Minderjährigkeit stammendes Fehlverhalten kann dem Kind später, wenn es als Volljähriger seinen Ausbildungsunterhaltsanspruch verfolgt, nicht entgegengehalten werden (so schon BGH, FamRZ 1998, 367, 370; BGH, FamRZ 1988, 159).